Analyse

Daniel Günthers Freuden und die Schmerzen der anderen

Die CDU gewinnt die Landtagswahl in Schleswig-Holstein, aber SPD, Linke und AfD haben ein Problem. Nur die Grünen können sich entspannen.

Daniel Günther bleibt Schleswig-Holsteins Regierungschef.
Daniel Günther bleibt Schleswig-Holsteins Regierungschef.dpa/Marcus Brandt

Er hat es geschafft. Der bisherige Ministerpräsident in Schleswig-Holstein Daniel Günther (CDU) ist der eindeutige Sieger der Landtagswahl vom Sonntag. Erste Hochrechnungen sahen die Christdemokraten bei mehr als 40 Prozent der Stimmen. Etwa in dem Ausmaß, in dem die CDU im Vergleich zur letzten Wahl zulegte, verlor die SPD. Auch die FDP büßte in der Wählergunst ein. Zweitstärkste Kraft werden die Grünen. Unklar war zunächst, ob es die AfD in den Landtag schaffen wird. Anders als die Linke schaffte es die dänische Minderheitenvertretung Südschleswigsche Wählerverband (SSW) über die Fünf-Prozent-Hürde.

Es war wie immer bei Wahlen, die einen jubeln, die anderen trauern. Während bei der CDU ein Freudenschrei aus vielen Kehlen über die Wahlpartys in Berlin wie Kiel schallte und beim SSW eine Frau zu einem kleinen Freudentänzchen auf die Bühne stürmte, sah man bei der SPD den Leuten das Entsetzen direkt ins Gesicht geschrieben. „Kein schöner Wahlabend“ für die Sozialdemokraten kommentierte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert die Niederlage im ZDF. Er sehe aber keinen bundespolitischen Trend. Die Partei werde sich nun „den Mund abputzen“ und sich auf die Landtagswahl in einer Woche im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen konzentrieren.

Nach den bisherigen Ergebnissen sind in Kiel künftig drei Zweier-Koalitionen möglich. Die größte Mehrheit hätte eine aus CDU und Grünen, dafür warb Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Ich glaube, das wäre eine Erfolgsgeschichte“, sagte Habeck am Sonntag in der ARD. Möglich wäre aber auch ein Bündnis aus CDU und FDP. Allerdings hat die FDP dafür eigentlich zu deutlich verloren, der Stimmanteil hat sich fast halbiert. Die Partei dürfte also mit der Ursachenforschung zu tun haben, zumal sie auch schon im Saarland nicht ins Parlament kam. Auch eine Koalition aus CDU und SSW ist denkbar.

In Schleswig-Holstein muss man immer auf Überraschungen gefasst sein. Zu oft haben sich schon die Verhältnisse von einer Wahl zur nächsten sehr verändert. Diesmal galt vor der Wahl allerdings als geradezu sicher, dass der amtierende Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) die Wahl für sich entscheiden würde.

Wie sich die Dinge in nur fünf Jahren verändert hatten, war erstaunlich. 2017, bei der letzten Landtagswahl in Schleswig-Holstein, kannte ein Teil der Wähler kaum Daniel Günthers Namen. Und trotzdem gelang es ihm, den damaligen SPD-Amtsinhaber Torsten Albig vom Thron zu stürzen. Heute ist der 48-jährige Günther der beliebteste Ministerpräsident in Deutschland. Das ging aus einer Umfrage von Infratest dimap kurz vor der Wahl hervor.

In den Umfragen vor der Wahl lag die CDU bis zu 20 Prozentpunkte vor der zweitplatzierten SPD. Nun ist der Abstand sogar noch sehr viel größer geworden. Die AfD sahen die Umfragen nur knapp im Landtag und die Linke gar nicht. Jetzt sind aller Voraussicht nach beide nicht drin. Für die AfD wäre es das erste Landesparlament, aus dem sie wieder hinaus fliegt. Die Linke befindet sich mittlerweile bundesweit in einer handfesten Existenzkrise und nach Führungsproblemen, Sexismusdebatte und der Erfahrung, mit Themen nicht mehr durchzudringen hat sich die Entwicklung in Schleswig-Holstein nur noch fortgesetzt.

Für die SPD war ein Problem sicherlich, dass man den Herausforderer kaum kannte. Thomas Losse-Müller (49 Jahre alt) von der SPD galt als Überraschungskandidat. Früher war Losse-Müller bei den Grünen. Erst 2020 wechselte er in die SPD. Losse-Müller war allerdings in einer früheren Regierung in Kiel erst Finanzstaatssekretär und dann Staatskanzleichef – in der Landesregierung von SPD, Grünen und SSW (2012 bis 2017), unter der Ministerin Monika Heinold von den Grünen. „Ein bisschen wenig Zeit“ habe Losse-Müller gehabt, bekannter zu werden, so sah es dann am Abend Ralf Stegner (SPD), früher Innenminister in Schleswig-Holstein und heute Bundestagsabgeordneter.

Monika Heinold (63), die langjährige Finanzministerin und aktuelle Spitzenfrau der Grünen, ist in Schleswig-Holstein viel besser bekannt als Losse-Müller. Sie konnte den Abstand zur SPD im Wahlkampf zum Schluss bis auf zwei Prozent verringern. Nun ist daraus nicht nur eine Niederlage für die SPD geworden. Sie trägt auch an der Schmach, von Grünen überrundet zu worden zu sein.

Daniel Günther hat die vergangenen Jahre gemeinsam mit FDP und Grünen in einer Jamaika-Koalition regiert. Laut Umfragen wünschten sich vor der Wahl viele Bürger eine Fortsetzung. Günther ist beliebt, die Koalition, andernorts als fragil eingeschätzt, gilt in Schleswig-Holstein als verlässlich. Und auch der Ministerpräsident hatte sich mehrfach für eine Fortsetzung ausgesprochen. Noch am Wahltag wiederholte er dies. „Ich glaube, dass das Bündnis aus CDU, Grünen und FDP Schleswig-Holstein gut getan hat“, sagte Günther, glänzend gelaunt, bei seiner Stimmabgabe in einem Wahllokal in Eckernförde. „Mein Ziel ist die Fortsetzung dieser Regierung.“ Es schien also alles nur vom Abschneiden seiner beiden Partner abzuhängen. Nun ist das Jamaika-Bündnis allerdings überflüssig geworden und die beiden kleineren Partner konkurrieren. Die Partei habe „jetzt schon eine Erwartung, dass wir mitregieren können“, sagte Monika Heinold von den Grünen am Abend. Aber auch bei der FDP steht Spitzenkandidat Bernd Buchholz bereit.

2,3 Millionen Menschen ab 16 Jahren hatten am Sonntag in Schleswig-Holstein die Wahl. Angetreten waren 16 Parteien mit Landeslisten, drei mehr als vor fünf Jahren. Inhaltlich hatte dieser Wahlkampf kaum Spektakuläres zu bieten. Die Energiewende, den Ausbau von Windkraft und Solarenergie, stellten alle von den Grünen über SPD und FDP bis hin zur CDU in den Vordergrund. Interessant wird nun, welche Strahlkraft aus dieser Wahl im Norden hervorgehen wird für die nächste Wahl in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag. Dort gilt das Rennen zwischen SPD und CDU nämlich als längst noch nicht entschieden. Laut Umfragen von Infratest dimap lag die CDU am Sonntag bei 30 Prozent, die SPD bei 28. Die Grünen folgen mit 18 Prozent.