Bundesparteitag

Überraschend klare Mehrheit: CDU führt Frauenquote ein

Auch der Parteivorsitzende Friedrich Merz setzte sich dafür ein. Zu Beginn gab es von ihm eine volle Breitseite gegen SPD und Öffentlich-Rechtliche.

CDU-Chef Friedrich Merz: „Universitäten und öffentlich-rechtlicher Rundfunk sind keine Volkserziehungsanstalten.“ 
CDU-Chef Friedrich Merz: „Universitäten und öffentlich-rechtlicher Rundfunk sind keine Volkserziehungsanstalten.“ dpa/Michael Kappeler

Der Streit beginnt schon im Taxi zum Messegelände. Links sitzt die CDU-Abgeordnete Diana Stöcker, rechts ihr Fraktionskollege Erwin Rüddel. In der Mitte die Reporterin der Berliner Zeitung, die nur mal eben nach der Frauenquote gefragt hat, die auf dem CDU-Parteitag beschlossen werden soll. Oder auch nicht.

Erwin Rüddel erklärt, dass er dagegen sei. Er werde aber zustimmen, damit die Presse nicht schreibt, die Delegierten seien gegen den Parteivorsitzenden Friedrich Merz. „Und ich bin für Friedrich Merz!“, versichert Rüddel. Die Quote aber werde nichts ändern und in fünf Jahren sei sie dann wieder weg.

Das ist nämlich der Kompromiss, den Merz seiner Partei präsentiert: Eine Frauenquote, aber nur zur Probe. Ende 2029 soll sie auslaufen und dann evaluiert werden. Rüddel weiß jetzt schon, was dabei herauskommt: Nichts. Er ist davon überzeugt, dass Frauen andere Interessen haben. „Wir suchen auf kommunaler Ebene so oft Frauen“, sagt er. „Und wenn man dann mal eine findet, hört sie nach einem Jahr wieder auf und sagt, dass sei nicht ihre Welt.“

Auf der anderen Seite des Taxis beginnt Diana Stöcker leicht zu vibrieren. Sie schüttelt den Kopf. Sie ist seit vielen Jahren in der CDU aktiv und kennt die Einwände. „Das sagt doch schon sehr viel, wenn eine Frau sagt, die Politik sei nicht ihre Welt.“ Sie selbst stimmte der Quotenregelung bei der Abstimmung am Abend zu – und durfte anschließend feiern.

Mit 559 Delegierten stimmte die erforderliche Mehrheit dafür, 409 waren dagegen, elf Delegierte enthielten sich. Damit war das Ergebnis sogar deutlicher, als die optimistischsten Befürworterinnen und Befürworter erwartet hatten.

Die CDU hat jetzt also auch eine Quote. Danach soll es bei Vorstandswahlen vom 1. Januar an erstmals eine Quote von 33,3 Prozent geben. Ab 2024 steigt sie auf 40, ab 1. Juli 2025 auf 50 Prozent. Bei Listenaufstellungen soll das für die ersten zehn Plätze gelten. Allerdings gilt auch, dass keine Plätze leer bleiben, wenn sich partout keine Frauen finden. Gelten soll das Ganze nur befristet. Am 31. Dezember 2029 läuft die Quotenregelung automatisch aus und soll dann evaluiert werden.

Die zweistündige Debatte auf dem Parteitag war leidenschaftlich und spiegelte die Auseinandersetzungen der vergangenen Monate wider. Allerdings meldeten sich gerade mal sechs Männer zu Wort, darunter auch die Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (Nordrhein-Westfalen) und Daniel Günther (Schleswig-Holstein). Letzterer räumte mit einer furiosen Rede für die Erneuerung der CDU frenetischen Beifall ab. Nach ihm sprach der Vorsitzende Friedrich Merz als letzter in der Debatte und sich auch noch mal dafür aus. Männer, die gegen die Quote votierten, wollten sich nicht ans Mikrofon stellen.

Ansonsten waren es vor allem die jüngeren Frauen, die sich gegen die Regelung aussprachen und das vehement. Ideen zählten und Überzeugungen, aber nicht, welches Geschlecht man habe. So argumentierte die Bremer Delegierte Wiebke Winter. Eine Kreisvorsitzende erklärte, sie empfände es als Stigmatisierung, wenn man sie als Quotenfrau bezeichnen würde. Der Tenor bei ihnen allen: Die Quote ist antiquiert.

Die Befürworterinnen wie die Chefin der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz, führten den Delegierten die Zahlen vor Augen: „Die Mehrheit unserer Landtagsfraktionen hat heute weniger Frauen als vor 20 Jahren“, sagte sie. Nur jeder zehnte Kreisverband werde von einer Frau geführt, kein Landesverband habe eine Chefin. So könne es nicht noch weitere Jahrzehnte weitergehen.

Die Bundestagsabgeordnete und frühere Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner erklärte, die Quote sei nicht politisch, sondern ein Instrument zur Verbesserung der Situation. „Ihr verkennt, worum es geht“, sagte sie zu den Delegierten. Es gehe nicht darum, dass Frauen es leichter haben, sondern um die Partei. „Wir wollen die Wählerinnen“, sagte Klöckner. „Dazu müssen wir uns anders aufstellen und wenn uns das nicht passt, dann passen wir denen bald nicht mehr.“

Auch Annegret Kramp war für die Quote. Sie sei damals nur aufgestiegen, weil die Partei bereits ein Quorum gehabt habe, in dem Frauen berücksichtigt wurden. Die befristete Quote sei ein tragfähiger Kompromiss, den Friedrich Merz vorlegt habe.

Dieser hatte die Quote in seiner programmatischen Rede am Nachmittag mit keiner Silbe erwähnt. Er hatte im Vorfeld erklärt, die Quote sei nur die zweitbeste Lösung, aber die CDU brauche nun mal mehr Frauen in Führungspositionen. Vor allem aber hatte er sich bemüht, die Frage herunterzuspielen. Deutschland ist in der Krise und die CDU diskutiert über woke Themen wie die Frauenquote, dieser Eindruck soll auf keinen Fall den ersten Präsenzparteitag seit drei Jahren prägen.

Stattdessen eröffnete Merz den Parteitag mit einem Seitenhieb auf den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und begrüßt die stattliche Zahl von insgesamt 58 Mitarbeitern, die auf dem Parteitag die Berichterstattung machen, gleich mal extra. Das kam schon mal gut an bei den Delegierten. Später erklärte er den öffentlich-rechtlichen Sendern unter dem donnernden Applaus der Parteimitglieder, dass sie zwar einen Bildungsauftrag hätten, aber keine Erziehungsanstalt seien. Daher hätten sie sich auch „an die Sprachregeln von Goethe und Schiller“ zu halten. Da steigerte sich der Applaus zum Jubel.

„Wir werden auf diesem Parteitag auch über uns selbst sprechen, aber wichtiger ist es, dass wir über unser Land sprechen“, hatte Merz zu Beginn angekündigt. „Mit klarem Kurs. Mehr Sicherheit für Deutschland“, lautet das Motto des Parteitages und so legt der Vorsitzende auch seine Rede an. Er betont die uneingeschränkte Unterstützung der Ukraine, trotz aller wirtschaftlicher Krisen. Der russische Angriff auf die Ukraine sei ein Angriff auf die Freiheit aller, so Merz. „Die Energiepreise mögen steigen, aber Freiheit ist unbezahlbar“, zitiert er die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas.

Merz: In der Union gab es nie so eine politische Korruption wie bei der SPD

Die Abhängigkeit von Russland beim Gas sei ein Fehler, eine Dummheit und vielleicht auch politische Naivität gewesen. „Daran waren wir auch beteiligt“, räumte der CDU-Vorsitzende ein. „Aber die SPD trägt mindestens die gleiche Verantwortung.“

Einmal mehr attackierte der CDU-Vorsitzende den SPD-Kanzler. So sprach er den Antisemitismus-Skandal im Kanzleramt an, als der Palästinenserführer Abbas die Angriffe Israels gegen die Palästinenser als Holocaust bezeichnete. Nie habe er sich vorstellen können, so Merz, dass so etwas unwidersprochen bleiben könne und Scholz Abbas danach auch noch die Hand gebe. Und gleich noch eine Spitze hinterher: „Olaf Scholz wird sich möglicherweise an diese Begegnung mit Abbas schon nicht mehr erinnern.“ Das durfte als Seitenhieb gegen Scholz‘ Erinnerungslücken im CumEx-Untersuchungsausschuss gelten.

Scharfe Kritik an der SPD und viel Häme für den Grünen-Vizekanzler Robert Habeck und dessen „Gestammel“ – Merz sprach, wie er es aus dem Bundestag kennt. Man hörte hier den Oppositionsführer, weniger den CDU-Vorsitzenden. Dabei hat sich die Partei in Hannover getroffen, um über ihre inhaltlichen Grundsätze zu diskutieren. Dieser Parteitag sei eine Etappe auf dem Weg zum neuen Grundsatzprogramm. „Wir diskutieren morgen darüber“, sagte Merz und es wirkte so, als könne er es durchaus erwarten.

Vor der Quotendebatte hatte es die erste Satzungsänderung gegeben. Die Partei führte die Funktion der stellvertretenden Generalsekretärin ein und wählte die Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp aus Baden-Württemberg in das Amt. Sie schaffte es also noch ohne Quote nach oben.