Berlin-Wiederholung schafft Routinen: Die Fans der drei Kanzlerkandidaten hatten am Sonntagabend ihr Terrain in Adlershof beim dritten und letzten Triell klar abgesteckt. Hübsch in einzelne Grüppchen zusammengedrängt und immer mit ein bisschen Abstand zum anderen politischen Lager wurden CDU- oder Grünen-Plakate geschwenkt. Die SPD hatte große rote Fahnen mitgebracht. Schmähungen untereinander wurden aber nicht berichtet.
Im Studio war es das anders. Diesmal war es die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock, die besonders angriffslustig wirkte. Sie hatte sich offenbar auf dem Wahlparteitag ihrer Partei am Vormittag schon mal warmgeredet. „Das stimmt nicht, was Sie da sagen“, musste sich Armin Laschet schon ziemlich zu Beginn von ihr anhören. Besser wurde es für den Unionskandidaten auch nicht mehr – was daran lag, dass Baerbock mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz auch mal gemeinsame Sache machte, um Laschet in die Defensive zu bringen. Das gelang ziemlich gut.
Die Moderatorinnen Linda Zervakis und Claudia von Brauchitsch hatten vor der Sendung angekündigt, dass es dieses Mal um Themen gehen sollte, die bei den vorangegangenen Diskussionen zu kurz gekommen waren. Und daher wurde zuerst die Sozialpolitik angesprochen, mit Einspielern und Zahlen, die zeigten, wie viele Menschen in Deutschland kämpfen müssen, um zu überleben. Und mit Fragen, die besser saßen als manche Antwort. „Was kostet ein Leben in Würde?“, fragte Linda Zervakis Olaf Scholz, der gleich zu Beginn wieder viel von Respekt und Anerkennung von Lebensleistung sprach. Claudia von Brauchitsch hatte ihn vorher noch ermahnt, er solle „diesmal ohne Blabla“ antworten. Den SPD-Politiker brachte das nicht aus dem Konzept.
Das dritte und letzte #Triell vor der Bundestagswahl nächsten Sonntag ist zu Ende. Was sagt ihr, wer war heute Abend am überzeugendsten? @ABaerbock @ArminLaschet @OlafScholz
— Berliner Zeitung (@berlinerzeitung) September 19, 2021
Armin Laschet ging es da schlechter. Er wurde beim Thema Hartz IV von Baerbock in die Ecke gedrängt, die ihm vorwarf, dass er keine Ambitionen habe, Kinder aus Hartz IV herauszuholen, da er allein auf wirtschaftlichen Aufschwung setze. Er verstehe nicht, was ihr Vorwurf sei, konterte er etwas hilflos zurück. Woraufhin Olaf Scholz milde erklärte, er seinerseits würde das schon verstehen.
Zur Strafe durfte Scholz dann zum Komplex Innere Sicherheit überhaupt nichts sagen. Laschet konnte hier seine Vorschläge, die aus früheren Diskussionen hinreichend bekannt waren, ausführlich vortragen. Es ging darin um die vielen Identitäten des Attentäters vom Breitscheidplatz, die Überwachung von Gefährdern, die auch Baerbock fordert. Einmal mehr grenzt sich Laschet nach rechts ab und ist da klarer als viele andere in seiner Partei.
Harter Schlagabtausch zur Klimapolitik
Zuvor hatte es einen harten Schlagabtausch zur Klimapolitik gegeben, in dem Annalena Baerbock geradezu flammend argumentierte. Streckenweise sprach sie so schnell, dass der eine oder andere Zuschauer Mühe gehabt haben dürfte, ihr zu folgen. Zur immer wieder gestellten Frage, wieviel das Ganze wohl kostet, sagte sie, es sei viel teurer, überhaupt nichts zu tun. Den beiden Konkurrenten bescheinigte sie, dass das Klimaziel von Paris nie und nimmer zu erreichen sei, wenn sie noch 17 Jahre an der Kohle festhielten. Beide blieben dennoch bei ihrer Strategie: Laschet will die Wirtschaft entfesseln und setzt auf die Findigkeit der Tüftler. Olaf Scholz will erst mal den Strombedarf ermitteln und dann die erneuerbaren Energien ausbauen.
Die bisherige Große Koalition hatte aber auch schon schlecht ausgesehen, als Linda Zervakis ein Micky-Maus-Heft aus dem Jahr 1993 herausholte. Bereits darin wurde das Abholzen des Regenwaldes thematisiert. Wie also konnte man so lange mit einer konsequenten Klimapolitik warten? Die Antwort darauf klang nicht wirklich schlüssig.
Thema Außenpolitik erneut komplett ausgeklammert
Mehr Einigkeit gab es beim Thema Pflege und Krankenversorgung. Natürlich sind alle der Meinung, dass Klatschen fürs Pflegepersonal nicht ausreicht. Wie der Misere wirksam begegnet werden kann, wurde allerdings nicht recht klar.
Auf die Fragen nach möglichen Koalitionen wollten auch Zervakis und von Brauchitsch nicht verzichten. Dafür wurde das Thema Außenpolitik erneut komplett ausgeklammert. Allmählich bekommt man den Eindruck, dass Deutschland auf einer Insel liegt. Das wird nach der Wahl ein bitteres Erwachen werden.




