Die Bundesregierung gibt nach fünf Kriegsjahren an, „weiterhin nicht über das zur abschließenden völkerrechtlichen Einordnung des türkischen Vorgehens in der nordsyrischen Region Afrin nötige Lagebild“ zu verfügen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage der Linke-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor. Die Antwort liegt der Berliner Zeitung vor. Dagdelen wollte eine Bewertung der im Jahr 2018 begonnenen Militäroffensive „Operation Olivenzweig“ der Türkei im Norden Syriens sowie der aktuellen Angriffe der türkischen Luftwaffe.
Die Bundesregierung habe sich „wiederholt kritisch zur fortgesetzten türkischen Präsenz in Nordsyrien geäußert und die Türkei aufgefordert, das humanitäre Völkerrecht, insbesondere die Verpflichtungen zum Schutz der Zivilbevölkerung, zu achten und ihre Militärpräsenz in Nordsyrien so rasch wie möglich zu beenden“, so die Antwort der Bundesregierung.
Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags kamen bereits in einem Gutachten im März 2018 zu dem Ergebnis, dass massive Zweifel an der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des militärischen Vorgehens der Türkei bestehen. Sevim Dagdelen sagte dieser Zeitung: „Wer wie die Bundesregierung nicht bereit ist, den Angriffskrieg der Türkei zu verurteilen, macht sich völlig unglaubwürdig, international für die Einhaltung des Völkerrechts eintreten zu wollen.“ Es sei „eine moralische Bankrotterklärung, bei Völkerrechtsbrüchen von Nato-Staaten wie der Türkei mit zweierlei Maß zu messen und diese skrupellos zu beschweigen“. Die „geopolitisch motivierte Doppelmoral der Ampel“ sei „ein Schlag ins Gesicht der Menschen in Syrien, die weiter unter der Besatzung der Türkei im Verbund mit islamistischen Terrorbanden wie der Al-Qaida leiden“.
Das Nato-Mitglied Türkei hatte für die militärischen Aktionen eine Selbstverteidigungslage nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen angegeben. Belege für diese Lage hat die Türkei bisher nicht vorgelegt.


