Die Linke und die Ostermärsche, das passte lange zusammen. Keine Waffen, kein Krieg, darauf konnte man sich einigen. Doch der russische Angriff auf die Ukraine hat etwas verändert zwischen Partei und Friedensbewegung. Wenn an diesem Wochenende Tausende Menschen in ganz Deutschland gegen Kriege demonstrieren, gehen einige Linke-Verbände auf Distanz. Sie fremdeln mit den Pazifisten.
Die Ostermärsche werden von lokalen Friedensgruppen organisiert, das Netzwerk Friedenskooperative koordiniert die Demonstrationen. Während die Bundespartei Die Linke ihre Mitglieder zur Teilnahme animiert, sprechen sich Verbände in Ländern und Städten gegen die Kundgebungen aus. Sie kritisieren eine mangelnde Kritik an Russland.
Das gilt auch für die Hauptstadt. Hier hat die Friedenskoordination Berlin eine Demo im Ortsteil Wedding angemeldet. „Der Aufruf ist an Einseitigkeit nicht zu überbieten, die Schuldfrage von Putin und Russland wird mit keinem Wort erwähnt“, sagte eine Parteisprecherin auf Anfrage der Berliner Zeitung. „Dementsprechend können wir uns nicht hinter diesen Aufruf stellen.“
Ostermarsch in Berlin: 3000 Teilnehmer sind angemeldet
Tatsächlich erwähnt die „Friko Berlin“ den russischen Angriff nicht. Währenddessen kritisieren die Veranstalter Sanktionen gegen Moskau und warnen vor Angriffen auf russisches Territorium. Der Krieg eskaliere täglich, heißt es in dem Appell. Durch Waffenlieferungen, „permanente Kriegsrhetorik“ und das „Schüren von Feindbildern“ mache Deutschland sich mitschuldig. Gefordert wird ein „ernst zu nehmender, ehrlicher Einsatz für Verhandlungen ohne Vorbedingungen“.

Laut Polizei haben die Veranstalter 3000 Teilnehmer für die Demonstration angemeldet. Der Ostermarsch startet um 13 Uhr am Elise-und-Otto-Hampel-Platz, geht von dort über den S-Bahnhof Wedding und die Luxemburger Straße. Unter dem Motto „Ohne Freiheit, kein Frieden“ soll eine von einem ukrainischen Verein organisierte Gegendemo stattfinden.
Linke-Bezirksverband ruft zu Ostermarsch in Berlin auf
Wie uneins Die Linke ist, zeigt sich nicht nur zwischen Bundes- und Landesebene. Anders als die Berliner Landespartei stört sich etwa der Bezirksverband Tempelhof-Schöneberg nicht an dem Appell. Im Gegenteil: Er veröffentlichte den Aufruf auf seiner Homepage. Das überrascht nicht, immerhin war der Linke-Bezirksverband schon bei der von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierten Kundgebung „Aufstand für den Frieden“ ausgeschert.
Die Linke-Bundestagsabgeordnete Wagenknecht hat ihre Partei in ein Dilemma getrieben. Seitdem die 53-Jährige der Bundesregierung einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vorgeworfen hat, brodelt es in der Linken. Führende Genossen werfen Wagenknecht vor, sie distanziere sich nicht von radikalen Rechten. Zugleich droht der Linken die Spaltung – immerhin spielt Wagenknecht offen mit dem Gedanken einer eigenen Parteigründung.
Ministerpräsident Ramelow begrüßt Kritik an Ostermarsch in Fulda
In Hamburg hat sich Die Linke ebenfalls vom Ostermarsch distanziert, genauso wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Darüber berichtete der NDR. Die Organisatoren des Hamburger Forums, so die Begründung, gäben vor allem den USA und der Nato eine Mitschuld am Ukraine-Krieg. Es fehle eine klare Verurteilung des russischen Angriffs. In Hamburg und Potsdam ruft Die Linke zu eigenen Friedenskundgebungen auf.

Auch in Fulda hat der DGB seine Teilnahme an der Friedensdemo abgesagt. Der thüringische Ministerpräsident und Linke-Politiker Bodo Ramelow begrüßte die Entscheidung. Ostermärsche demonstrierten für den Abzug ausländischer Truppen aus überfallenen Ländern, schrieb Ramelow auf Twitter. „Aber die Augen vor dem russischen Überfall auf die Ukraine zu verschließen und Irrlichter sprechen zu lassen, die zum Bruch des Völkerrechts nur herumschwurbeln?“ Die Gewerkschaftler zeigten „klare Kante“, so Ramelow.
In Fulda befürchtet der DGB, dass die Demo von sogenannten Querdenkern und rechten Gruppierungen ausgenutzt wird, sagte ein Gewerkschaftschef dem Hessischen Rundfunk. Auch sei eine Rede des Linke-Politikers und Liedermachers Dieter Dehm angekündigt. Dehm hatte in der Vergangenheit unter anderem angezweifelt, ob Russland für die Gräueltaten im ukrainischen Butscha verantwortlich ist.
Abgeordnete Nastić: Teile der Hamburger Linken spalten Friedensbewegung
Als Rednerin bei den Ostermärschen in Berlin und Hamburg ist die Linke-Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastić angekündigt. Nastić gehört dem Lager von Sahra Wagenknecht an, im Interview mit der Berliner Zeitung sprach sich die 43-Jährige zuletzt erneut gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Mit der Hamburger Linken, die sie zeitweise anführte, ist sie zerstritten. Grund sind auch ihre Positionen zum russischen Krieg.

Dass ihr Landesverband dem Ostermarsch fernbleiben will, dürfte Nastić also kaum überrascht haben. „Es ist schon bitter mit anzusehen, wie Teile der Hamburger Linken die Friedensbewegung spalten und öffentlich angreifen“, sagte die Bundestagsabgeordnete der Berliner Zeitung. „Mit dem Grundgedanken unserer Gründung als Linke hat diese Politik nichts mehr zu tun.“ Die Friedensbewegung, so Nastić, verurteile alle Kriege gleichermaßen und setze sich seit Jahrzehnten für Frieden und Abrüstung ein.





