Die Ressorts des Berliner Senats sollen weiterhin selbst entscheiden dürfen, welche Form von geschlechtsneutraler Sprache sie nutzen. Nach Anfrage der Berliner Zeitung verwies die Senatskanzlei auf eine Gemeinsame Geschäftsordnung aus dem Jahr 2011, die eine sprachliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen festlegt. „Die Auslegung in Bezug auf die Anwendung der Bestimmung nimmt die Hausleitung der jeweiligen Senatsverwaltung vor“, teilte die Senatskanzlei mit.
Am vergangenen Wochenende hatte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) mit einem Interview für Aufsehen gesorgt, in dem er sich auch zum Thema Gendersprache in der Berliner Verwaltung äußerte. Der RBB griff das Gespräch mit der Bild am Sonntag auf und berichtete, dass die Verwaltung künftig nicht mehr gendern werde. Das allerdings hatte der Regierende Bürgermeister so nicht angekündigt. Wegner stellte klar, es sei ihm nur um seine eigene Kommunikation gegangen.
Der RBB musste seinen Bericht überarbeiten. Nun heißt es dort, Wegner plädiere dafür, dass die Verwaltung keine Gendersprache verwende. Auch die Deutsche Presse-Agentur hatte zunächst vermeldet, dass die Berliner Verwaltung künftig auf Gendersprache verzichten werde.
Wörtlich hatte der Regierende Bürgermeister in dem Interview gesagt: „Ich habe noch keinen Brief in Gendersprache unterschrieben. Mir ist wichtig, dass die Sprache der Verwaltung verständlich ist. Jeder kann privat sprechen, wie er möchte. Aber ich möchte gern das Deutsch sprechen, das ich in der Schule gelernt habe und das alle verstehen.“ Gerade Behörden sollten es Menschen, die nach Deutschland kommen, sprachlich nicht unnötig schwer machen, so Wegner.
Den Hausleitungen steht frei, „auch Gendersprache zu nutzen“
„Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Berliner Verwaltung sieht vor, dass vorrangig geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen genutzt werden sollen“, sagte der kommissarische Sprecher des Senats, Michael Ginsburg, der Berliner Zeitung. „Also zum Beispiel ‚Mitglieder‘ oder ‚Angehörige von‘.“ Wenn das nicht möglich sei, sollten die männliche und die weibliche Form verwendet werden. „Zugleich steht den Hausleitungen frei, auch Gendersprache zu nutzen. Im Falle der Senatskanzlei wird das jedoch nicht der Fall sein.“
Damit bezieht sich der kommissarische Senatssprecher auf den allgemeinen Teil der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung (GGO I). Unter Paragraf 2 heißt es dort: „Die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern ist zu beachten. Dies soll primär durch geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen und, wo dies nicht möglich ist, durch die Ausschreibung der jeweils weiblichen und männlichen Form geschehen.“
Ist ein behördliches Schreiben an eine bestimmte Person gerichtet, sei „die im Einzelfall jeweils zutreffende weibliche oder männliche Sprachform zu verwenden“.
All das lässt durchaus Raum für Interpretation. Aus der Senatsverwaltung für Inneres heißt es auf Anfrage der Berliner Zeitung, dass „unter geschlechtsneutralen Anredeformen“ unter anderem „Sehr geehrte Mitglieder des Kollegiums“, „Sehr geehrte Beteiligte“ oder „Sehr geehrte Interessierte“ verstanden würden. Demnach geht es in diesem Zusammenhang nicht um die Verwendung des Binnen-I, des Gendersterns oder des Doppelpunktes.
Als „Sollvorschrift“ sei die Regelung grundsätzlich anzuwenden, teilt die Senatsverwaltung für Inneres mit. Ausnahmen seien möglich, wenn wenn eine geschlechtsneutrale Bezeichnung miss- oder unverständlich wäre – dann wiederum werde die männliche oder weibliche Form genannt. „Bei der GGO I handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift, die für die Behörden der Berliner Verwaltung verbindlich ist.“
Bettina Jarasch: Der Regierende spielt „Sprachpolizei“
Die Berichterstattung über Wegners Interview hatte für einigen Trubel an einem sonst eher ruhigen Wochenende in der Hauptstadt gesorgt. Auch zu Beginn der Woche hat sich die Aufregung über den CDU-Regierungschef noch nicht gelegt.
„Während sich viele Menschen in Berlin die Mieten nicht mehr leisten können, spielt der Regierende Bürgermeister Sprachpolizei“, sagte die Fraktionschefin der Grünen, Bettina Jarasch, der Berliner Zeitung. „Im Wahlkampf hat Kai Wegner immer gefordert, Verwaltungsreform einfach mal zu machen, statt nur zu reden. Jetzt ist er zuständig – und was macht er? Er redet über Sprache, statt die Zukunftsaufgaben anzupacken.“
In der AfD hält man von Gendersprache bekanntlich nichts, entsprechend deutlich äußerte sich Fraktionschefin Kristin Brinker. „Es ist peinlich, dass Kai Wegner seine im Grunde vollkommen richtigen Aussagen zur Genderei umgehend wieder relativiert und, ganz dem grünen Zeitgeist hinterherlaufend, beteuert, die Verwaltung dürfe diese Sprachverhunzung weiterführen“, sagte sie der Berliner Zeitung. Die Verwaltung habe „selbstverständlich die allgemein übliche Sprache zu verwenden“, sagte Brinker.
„Anpassungen“: Wird Berlins Homepage umgeschrieben?
Bereits am Sonntag sah sich Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) zu einer Klarstellung bemüßigt, auf Twitter schrieb die Ex-Regierungschefin: „Eine leicht verständliche und inklusive Sprache ist kein Widerspruch, sondern unser Anspruch.“ Die SPD setze sich für eine einfachere Sprache der öffentlichen Einrichtungen ein, stehe aber ebenso „für die Errungenschaft einer geschlechtergerechten Sprache“.
Auf der offiziellen Homepage der Stadt Berlin wurde unter der Rubrik „Geschlechtergerechte Sprache“ laut RBB bislang dafür geworben, „sich von alten Sprech- und Denkgewohnheiten zu verabschieden“. Grundlage dafür war ein Leitfaden der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Gleichstellung aus dem Jahr 2012.




