Berlin-Außenministerin Annalena Baerbock hat den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan für dessen Pose auf einem Gruppenfoto mit den Präsidenten Russlands und des Irans kritisiert. Das Bild, entstanden am Dienstag bei einem Gipfeltreffen Erdogans mit Kremlchef Wladimir Putin und dem Iraner Ebrahim Raisi in Teheran, zeigt die drei autoritär regierenden Staatsoberhäupter, wie sie sich lächelnd an den Händen halten. „Dass der türkische Präsident mit auf diesem Foto ist, das ist eine Herausforderung, um es mal freundlich zu sagen“, sagte Baerbock am Freitagabend im „Bild“-Format „Die richtigen Fragen“.
Die Türkei als Nato-Staat gebe der Ukraine militärisch „massive Unterstützung“ im Krieg gegen den Angreifer Russland und sei auch am jüngsten Abkommen zur Sicherung ukrainischer Getreideexporte beteiligt, merkte die Grünen-Politikerin an. „Deswegen ist mir dieses Foto mehr als unverständlich, gerade aus Sicht eines Nato-Mitglieds.“ Die Konstellation auf dem Bild zeige zudem, wie wichtig es sei, „dass wir mit Wertepartnern zusammenstehen“, die „an die internationalen Regeln nicht nur glauben, sondern für sie eintreten“, fügte Baerbock hinzu. „Weil es gibt andere Akteure, die nicht für unsere Werte einstehen, und die verbünden sich im Zweifel auch.“
Bei dem Gipfeltreffen in der iranischen Hauptstadt ging es offiziell um eine Verbesserung der Lage im Bürgerkriegsland Syrien. Russlands Krieg gegen die Ukraine dürfte aber ebenfalls Thema gewesen sein, auch wenn er öffentlich nicht zur Sprache kam. Nach außen hin gibt sich der Iran in dem Krieg zwar neutral, doch die Sympathien der iranischen Führung für Russland sind bekannt.
Atomkraft „nicht die Antwort“
Außerdem sieht derzeit Annalena Baerbock keinen Grund für eine verlängerte Laufzeit der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland.
Den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft zum Jahresende halte sie für richtig anhand „der Faktenlage, die ich gerade kenne und mit Blick auf das, was unsere Herausforderung ist“, sagte die Grünen-Politikerin. Und die Herausforderung sei angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine und der drohenden Energiekrise eben nicht die Versorgung mit Strom, sondern mit Gas. „Ich sehe nicht, dass Atomkraft hier die Antwort ist.“
Die drei verbliebenen Kernkraftwerke Neckarwestheim 2, Emsland und Isar 2 müssen nach geltendem Recht spätestens am 31 . Dezember abgeschaltet werden. An der Nettostromerzeugung in Deutschland haben sie im laufenden Jahr einen Anteil von rund sechs Prozent. Mit Erdgas wurden bisher etwa zehn Prozent des Stroms erzeugt. Zuletzt wurden deshalb Rufe nach einer längeren Nutzung in Deutschland produzierter Atomenergie für die Stromerzeugung lauter, als Ausgleich für fehlende Gaslieferungen aus Russland.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betont indes immer wieder, dass der Hauptmangel nicht beim Strom drohe, sondern bei Gas und Wärme für die Industrie - und Atomkraftwerke dafür keine Abhilfe schaffen.
„In so schwierigen Entscheidungsprozessen ist es immer wichtig, dass man auf Faktengrundlagen jeden Schritt geht“, betonte Baerbock nun. „Jetzt sind wir in einer Notsituation, wo wir uns alles nochmal anschauen.“ Deswegen habe Habecks Wirtschaftsministerium nach einem ersten „Stresstest“ für die Stromversorgung einen zweiten unter verschärften Bedingungen veranlasst, dessen Ergebnisse es nun abzuwarten gelte. Bei den Schlussfolgerungen dürfe man sich auch nicht von „massiven Interessen“ lenken lassen, warnte sie.



