Ein Wort steht im Raum: „Volksaufstände“. Solche würden drohen, wenn es kein Gas mehr gäbe. Gesagt hat das – und noch eine Menge mehr über eine deutsche Gasturbine in Kanada und die Schwierigkeit, diese dort auszulösen und nach Russland zu bringen - Annalena Baerbock. Okay, sie habe bewusst zugespitzt, sagte die Außenministerin dann noch. Dennoch bleibt das starke Wort stehen: „Volksaufstände“.
Vor allem die Grünen in der Bundesregierung befinden sich in einem Dilemma. Eigentlich wollen sie sich lieber heute als morgen vom Gas und anderen fossilen Energieträgern lösen. Doch jetzt, wo ein solches Szenario plötzlich schneller als gedacht möglich erscheint, geht es doch nicht.
Dazu noch mal Ministerin Baerbock: Man hätte den Menschen in so einem Fall dann „von einem Tag auf den anderen“ sagen müssen, dass es kein Gas mehr gebe und das ohne Alternativen. „Das haben wir offensichtlich nicht für den richtigen, für den sicheren Weg gehalten.“ Baerbock hätte auch sagen können: Wir brauchen russisches Gas.
Ihr Parteifreund, Wirtschaftsminister Robert Habeck, hat das längst getan. Jetzt will er Kohle und Öl – sozusagen den Fossilen unter den fossilen Energieträgern – Vorrang im Schienenverkehr geben, damit die Kraftwerke schnell beliefert werden können. Selbst die verpönte Atomkraft kommt zurück in die Diskussion. Sollte man die Laufzeiten der Meiler doch noch verlängern, über das Jahresende hinaus?
Doch zurück zum Gas, lange Zeit die „Übergangstechnologie“ auf dem Weg ins Zeitalter der Erneuerbaren. Gas ist in Kriegszeiten besonders teuer – und der Preis dürfte noch steigen. Russland wird sich die deutsche Abhängigkeit teuer bezahlen lassen. Und die Deutschen müssen bezahlen, weil kalte Wohnungen im Winter einfach inakzeptabel sind.
Diese Preissteigerung hat vielleicht nicht das Zeug für Baerbocksche „Volksaufstände“. Sehr wohl aber dafür, die Akzeptanz der Sanktionen gegen Russland weiter zu unterhöhlen.
Habecks Flapsigkeit könnte für die Grünen zum Problem werden
Wenn jetzt die ersten Meinungsforschungsinstitute herausfinden, dass inzwischen eine Mehrheit glaubt, dass sich Deutschland mit den Sanktionen gegen Russland selber mehr schadet als Russland, müssten alle Alarmglocken schrillen. Auch bei den Grünen.
Das tun sie aber noch nicht so recht. Zumindest ist schlecht zu hören, was Baerbock und Habeck so planen, um den Preisanstieg abzufedern, den Millionen Menschen schmerzhaft zu spüren bekommen.
Dabei müssen sie liefern. Irgendwas. Irgendetwas anderes als der flapsige Habeck: „Wenn jemand sagt, ich helfe (beim Energiesparen) nur, wenn ich nochmal 50 Euro kriege, dann würde ich sagen: Die kriegst du nicht, Alter.“ Er muss mehr liefern als den Appell, wassersparende Duschköpfe anzuschaffen, mehr als die Ankündigung eines verbindlichen Heizungschecks oder die Rückkehr der Homeoffice-Pflicht, weil man dann die Büros nicht mehr heizen müsste.
Schrille Töne aus der Berliner SPD
Auf ein Signal wartet auch Berlin. Der rot-grün-rot regierte Stadtstaat ist bereit, die Hilfen des Bundes zu ergänzen. 380 Millionen Euro stehen dafür fürs Erste bereit. Bis zu einer Milliarde könnten es werden, heißt es inzwischen in der Hauptstadt-SPD, garniert mit jeder Menge Kritik an Grün. Habeck habe es verbockt, sagt der Berliner Parteichef Raed Saleh, und jetzt wolle er die Bürger dafür büßen lassen. Das sei kalte Politik. Und SPD-Vize-Fraktionschef Jörg Stroedter hält die Grünen ohnehin für „die Partei der Besserverdienenden“, wie er unlängst verriet. Das ist starker Tobak, fast so stark wie Baerbocks Volksaufstände.
Und was machen die Berliner Grünen damit? Bleiben eher defensiv im Unklaren, wollen abwarten, Robert Habeck und der Energiewende nicht in den Rücken fallen.
Und tatsächlich sind die Berliner Möglichkeiten ja auch begrenzt. Also will der Senat erst einmal das Naheliegende tun, das, was er selbst bestimmen kann: mit gutem Beispiel vorangehen. Die Berliner Verwaltung soll zehn Prozent Energie einsparen. Die ersten Vorschläge gibt es schon. Das Brandenburger Tor oder das Rote Rathaus sollen nach Mitternacht nicht mehr beleuchtet werden. Ein bisschen Populismus kann nicht schaden.

