Interview

Oberbürgermeisterkandidat für Frankfurt (Oder): „Ich spreche übrigens Polnisch“

Am Sonntag könnte Axel Strasser als unabhängiger Kandidat Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) werden. Er will den AfD-Konkurrenten schlagen. Wie das gehen soll, verrät er im Interview.

Axel Strasser: Parteiloser Kandidat für das Oberbürgermeisteramt in Frankfurt (Oder)
Axel Strasser: Parteiloser Kandidat für das Oberbürgermeisteramt in Frankfurt (Oder)dpa

Am Sonntag wird in Frankfurt (Oder) ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Zur Stichwahl treten an: der unabhängige Kandidat Axel Strasser und der AfD-Kandidat Wilko Möller. Wir haben mit dem Unabhängigen Axel Strasser über seine Ziele, seine Chancen und seine Themen gesprochen – und warum parteilose Kandidaten in Ostdeutschland aktuell so beliebt sind.

Herr Strasser, Sie haben sich dazu entschieden, als unabhängiger Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters in Frankfurt (Oder) zu kandidieren. Im ersten Wahlgang haben Sie 32,4 Prozent der Stimmen erhalten. Nun sind Sie in der Stichwahl, am Sonntag könnten Sie zum Bürgermeister gewählt werden. Wie fühlen Sie sich?

Ich bin unglaublich dankbar für das Vertrauen, das mir so viele Bürgerinnen und Bürger in Frankfurt (Oder) entgegengebracht haben. Der Wahlkampf war intensiv und hat gezeigt, wie groß der Wunsch nach Veränderung in unserer Stadt ist. Seit der Bekanntgabe meiner Kandidatur ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht in Frankfurt unterwegs war, um zuzuhören, mit den Menschen zu sprechen und zu verstehen, was sie bewegt – mit einer einzigen Ausnahme, der Hochzeit meiner Schwester. Ich bin überzeugt, dass genau diese vielen Gespräche und Begegnungen den Ausschlag für das Wahlergebnis gegeben haben. Dieses Ergebnis ist für mich kein persönlicher Erfolg, sondern ein Auftrag. Ich werde mit Dankbarkeit, Demut und voller Energie daran arbeiten, gemeinsam mit den Bürgern unsere Stadt voranzubringen.

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Über die Person
48 Jahre alt, geboren in Ost-Berlin. Strasser hat Speditionskaufmann gelernt, eine Promotion in Politikwissenschaft absolviert, als Niederlassungsleiter und Referent für Unternehmensnachfolge bei der IHK Ostbrandenburg gearbeitet. Nun tritt er als parteiloser Kandidat bei der Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt (Oder) an.

Was hat Sie dazu bewogen, anzutreten?

Ich habe Frankfurt (Oder) in den letzten Jahren aus vielen Perspektiven erlebt – als Bürger, durch meine Arbeit bei der IHK und im Austausch mit engagierten Menschen aus Unternehmen, Institutionen, der Kulturszene und der Universität. Immer wieder habe ich gesehen, wie viel möglich ist, wenn Menschen zusammenarbeiten und ihre Kräfte bündeln. Aus solchen Kooperationen sind oft die besten Ideen und Projekte entstanden. Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, welches Potenzial in unserer Stadt steckt.

Wieso wollten Sie keiner Partei angehören?

Ich gehöre keiner Partei an, weil ich mich keiner einzelnen eindeutig zuordnen kann. Bei verschiedenen Themen finde ich unterschiedliche Ansätze sinnvoll, und ich glaube, so geht es vielen Menschen heute. Deshalb habe ich mich entschieden, unabhängig zu bleiben. Mir ist wichtig, dass meine Entscheidungen frei, sachlich und ausschließlich am Nutzen für Frankfurt (Oder) orientiert sind und dass die Anliegen der Bürger dabei immer im Mittelpunkt stehen.

Was wollen Sie in Frankfurt an der Oder ändern? Was versprechen Sie den Wählern?

Ich verspreche, ehrlich zu bleiben und konsequent an Lösungen zu arbeiten. Frankfurt (Oder) braucht eine leistungsfähige Verwaltung, eine starke Wirtschaft und ein gepflegtes Stadtbild. Ich will mehr Unternehmen anziehen, die hier Steuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen. Und ich will, dass sich die Menschen in ihrer Stadt wieder wohlfühlen, und das durch Sicherheit, Sauberkeit und ein offenes Miteinander.

Warum sollten die Frankfurter Ihrer Meinung nach nicht den AfD-Kandidaten wählen?

Frankfurt (Oder) steht vor großen Aufgaben, und ich möchte mich voll auf die Menschen und die Stadt konzentrieren. Hier geht es nicht um Schlagzeilen oder politische Signalwirkung, sondern um Lösungen, die spürbar wirken und unser Leben vor Ort besser machen. Ich bringe frischen Wind, neue Ideen und die Energie mit, diese Projekte anzupacken. Ich stehe dafür, dass Frankfurt (Oder) sich den Herausforderungen der Zukunft stellt und Chancen nutzt.

Wie erklären Sie sich die große Politikverdrossenheit in Ihrer Stadt?

Viele Menschen haben das Gefühl, dass Entscheidungen weit weg getroffen werden und ihre Lebensrealität dabei keine Rolle spielt. Dazu kommt, dass politische Sprache oft kompliziert und unverständlich ist. Oft entsteht das Gefühl, dass sich ohnehin nichts ändert. Ich möchte dem entgegenwirken, indem ich Politik wieder erklärbar mache und offen kommuniziere, was, warum und wie entschieden wird. Damit geht eine bewusste Verbindlichkeit einher, aber auch eine Kultur, Fehler einzugestehen und daraus zu lernen. Vertrauen wächst nur durch Transparenz, klare Kommunikation und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Ihr Erfolg spricht für einen Trend: Haben Unabhängige in Ostdeutschland eine größere Chance, in der Politik erfolgreich zu sein? Haben die etablierten Parteien ausgedient?

Ich glaube, dass Menschen zunehmend Persönlichkeiten wählen, keine Parteien. In Ostdeutschland ist der Wunsch groß, Dinge pragmatisch und ohne ideologische Scheuklappen anzugehen. Parteien sind wichtig für Meinungsbildung und Demokratie, aber sie müssen wieder näher an die Lebenswirklichkeit der Menschen heran. Unabhängige Kandidaten können Brücken bauen, weil sie nicht in alten Lagern denken.

Wie wollen Sie die Beziehungen zu Polen pflegen? Spielt das für Sie eine Rolle?

Absolut. Wir sind keine Nachbarn, wir sind eine Doppelstadt. Das Zusammenleben mit Słubice ist Teil unserer Identität und eine riesige Chance. Ich will die Zusammenarbeit ausbauen – wirtschaftlich, kulturell und sozial. Wir sollten gemeinsam denken, wenn es um Verkehr, Bildung oder Freizeit geht. Nur so wird aus Nähe auch ein echter Standortvorteil.

Was bedeutet Ihnen Słubice?

Słubice ist für mich Teil meiner Lebensrealität. Ich bin oft dort, meine Partnerin betreibt ihre Anwaltskanzlei in Słubice, ich kenne viele Menschen und sehe, wie eng das tägliche Leben beider Städte miteinander verwoben ist. Für mich ist Słubice keine andere Welt, sondern die andere Hälfte einer gemeinsamen Stadt. Diese Verbindung will ich stärken. Ich spreche übrigens Polnisch.

Wie bewerten Sie die Grenzkontrollen?

Ich halte sie für eine falsche Lösung. Sie schaffen kaum zusätzliche Sicherheit, beeinträchtigen aber den Alltag der Menschen und Unternehmen. Wir brauchen europäische Lösungen, keine nationalen Symbolmaßnahmen. Ich setze mich zunächst für gemeinsame Kontrollen im ehemaligen Grenzkomplex Świecko und an der Stadtbrücke ein, um Sicherheit und offene Grenzen zu verbinden.

Was braucht es in Frankfurt an der Oder, damit die Stadt wieder wachsen kann?

Frankfurt (Oder) wächst, wenn viele Zahnräder ineinandergreifen. Wirtschaftliche Stärke, attraktive Angebote für Familien, bezahlbares Wohnen, eine moderne Verwaltung, gute Bildung und eine lebenswerte Stadt wirken nur zusammen. Ebenso entscheidend ist die Stimmung in der Stadt. Wenn alle mitmachen, zusammenarbeiten und sich einbringen, kann Frankfurt (Oder) sein volles Potenzial entfalten. Was mir wichtig ist, ist der 360 Grad Blick über die Oder, nur wenn wir den gesamten regionalen Wirtschaftsraum in den Blick nehmen, gelingt Wachstum.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Probleme von Frankfurt – und was die Lösungen? Nennen Sie gerne zwei Punkte.

Erstens: Die Wirtschaftskraft. Wir brauchen mehr Betriebe, die hier Steuern zahlen. Dafür müssen wir Flächen gezielt vermarkten und Investoren professionell begleiten. Zweitens: Das Stadtbild. Ordnung, Sauberkeit und Pflege müssen wieder selbstverständlich sein. Das wirkt sich direkt auf das Sicherheitsgefühl und auf die Attraktivität der Stadt aus.

Wem würden Sie, wenn morgen Bundestagswahlen wären, Ihre Stimme geben?

Das ist eine gute und zugleich knifflige Frage. Im Moment liegt mein Fokus eher auf Frankfurt und den Aufgaben hier vor Ort. Welche Partei ich morgen wählen würde, das bleibt aber mein kleines Wahlgeheimnis.

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