Robert Habeck galt nach den Bundestagswahlen im Jahr 2021 als einer der beliebtesten deutschen Politiker. Seine nahbare Art, seine direkte Ansprache, seine verständnisvolle Stimme hinterließen in der Bevölkerung den Eindruck, hier sei ein Mann an der Macht, der sich nicht hinter wohlfeiler Rhetorik und politischer Zugeknöpftheit verstecken muss. Habeck wirkte aufrichtig, seine Umfragewerte waren bestens.
Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. Seit der Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz und Habecks Vorhaben, nach Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine den fossilen Brennstoffen abzuschwören und Deutschlands Wärmewende voranzutreiben, gehen die Umfragewerte vom Bundeswirtschaftsminister kontinuierlich in den Keller. Vergangenen Monat kam noch die Affäre um Patrick Graichen hinzu. Habeck reagierte spät und entließ seinen Staatssekretär erst, als der öffentliche Druck unerträglich wurde.
Nun schaut man auf einen angestrengten Minister, der sich verteidigen muss, der erstmals unter einem derartigen Druck steht, dass es seiner bundespolitischen Karriere gefährlich werden könnte. Am Donnerstag hat Habeck das umstrittene Gebäudeenergiegesetz in den Bundestag eingebracht, und zwar in veränderter Form. Doch trotz zahlreicher Kompromisse an entscheidenden Stellen hat er scharfe Kritik einstecken müssen. Als wäre er das Haudraufmännchen der Nation.
Habeck muss sich in den Sommer retten
Dabei hat Habeck bereits nachgegeben: Nach monatelangem Streit in der Ampel wurden die terminlichen Ziele der Wärmewende neu definiert. Das veränderte Gesetzesvorhaben will den Einbau klimafreundlicher Heizungen schon zum 1. Januar 2024 nur noch für Neubauten in Neubaugebieten vorschreiben. Alle anderen Hauseigentümer bekommen abhängig von der kommunalen Fernwärmeplanung vor Ort mehr Zeit, an vielen Orten soll es Fristen bis 2028 geben. In Berlin soll die kommunale Fernwärmeplanung erst 2026 feststehen.
Bis dahin haben die Bürger die Möglichkeit, sich zu informieren – und die Politik hat Spielraum, darüber nachzudenken, welche Form der Wärmewende die richtige ist. Woher soll der grüne Strom kommen, etwa für die Produktion von Wasserstoff? Wie stellt Habeck sicher, dass Deutschland auf eine Technologie setzt, die auch wirklich nachhaltig ist? Wer soll alle Wärmepumpen, die als Heilsbringertechnologie unter den Grünen gelten, am Ende einbauen? Und wie kriegt man es hin, dass die Fernwärmewende auch wirklich klimaneutral ausfällt? Es gibt noch viele ungeklärte Fragen.
Habeck muss sich in den Sommer retten. Der ehemalige Lieblingspolitiker der Großstädter ist schwer angeschlagen. Mit Blick auf die Umfragewerte der AfD kommen nun auch den Grünen die ersten Zweifel, ob Habecks Kurs in der Gestaltung der Wärmewende womöglich falsch kommuniziert wurde – und ob die grüne Wohlstandspartei die Kosten für die Unter- und Mittelschicht und die deutschen Firmen bei ihren Planungen nicht genügend berücksichtigt hat. Das reformierte Gebäudeenergiegesetz könnte die Gemüter zumindest ein wenig beruhigen.
Habecks Ideen gehen rein rational in die richtige Richtung
Doch was ist der Preis für den Kompromiss? Der Preis ist, dass Habeck eine eigentlich notwendige Energiereform nicht schnell genug umsetzen und seinen eigenen Klimazielen nicht gerecht werden kann. So hagelt es aus zwei sehr konträren Richtungen Kritik. Vielen Durchschnittsbürgern geht die Umsetzung der Wärmewende zu schnell. Die Befürchtung ist groß, dass die Kosten explodieren.
Die Klima-Experten sorgen sich wiederum, dass die Wärmewende jetzt aus Angst vor dem Volk und weiteren Verleumdungskampagnen der Medien heimlich abgesagt wird. „Ich fürchte, Deutschland wird seine Klimaschutzziele krachend verfehlen. Die Wärmewende wird sich nun nur schleppend vollziehen (...)“, sagte Mojib Latif, Professor am Helmholtz-Zentrum in Kiel, der Rheinischen Post. Die Geschwindigkeit zur Senkung der CO2 -Emissionen im Gebäudebereich wird mit der Gesetzesreform nun verlangsamt, Habeck muss auf die Bremse treten. Dabei stammen allein in Berlin 40 Prozent der CO2-Emissionen aus der Wärmeerzeugung.
Jeder, der sich 30 Minuten Zeit nimmt, um Deutschlands Situation im Energiesektor zu studieren, wird wohl zu dem Urteil kommen, dass Habecks energiepolitische Überlegungen rein rational in die richtige Richtung gehen. Die Panik vor seinem Gebäudeenergiegesetz und der emotionale Sprech über seinen „Heiz-Hammer“ geben Einblick in eine Debattenkultur, die völlig entgleist ist.
Harald Staun formulierte es in der FAS so: „Seit Wochen betreiben die Boulevardmedien eine Kampagne gegen Habeck und die Gesetzesreform, der sich längst auch andere Medien angeschlossen haben. Die ‚Bild‘-Zeitung hat mit ihrer Parole vom ‚Heiz-Hammer‘, den sie täglich versucht im Blatt unterzubringen, einen Schlachtruf geschaffen, der es als stehender Begriff auch schon in andere Zeitungen geschafft hat (...).“
Habeck hat den Menschen nicht die Angst genommen
Natürlich, Robert Habeck muss sich die Fragen gefallen lassen, wie er mit den Widersprüchen umgehen will. Auch hat er den Menschen nicht die Angst genommen, die Wärmewende teuer zu bezahlen. Im neuen Gesetz ist dies immer noch ungeklärt. Der Eindruck entsteht, Habeck sei nur noch Klima- und nicht mehr Wirtschaftsminister.
Doch die Art und Weise, wie er aktuell in den Medien wegkommt, wird seinen Überlegungen nicht gerecht. Deutschland ist gefangen in einer hyperventilierenden Diskussion, in der kaum jemand bereit ist, Argumente nüchtern auszudiskutieren und die Unschärfen in der Debatte um Klimaneutralität und nachhaltige Energieversorgung anzuerkennen und auszusprechen. Das Land steht vor einer massiven Herausforderung, muss perspektivisch auf Öl und Gas verzichten und über stärkere Nutzung von Wind-, Solar- oder sogar Nuklearenergie nachdenken, um den Energiebedarf der deutschen Konzerne und Haushalte decken zu können.
Doch statt gemeinsam über Zukunftstechnologien und Wege aus dem Energiedilemma zu diskutieren, das durch Putins Angriffskrieg (aber nicht nur!) entstanden ist, verhaken sich Medien, Bürger und Politik im parteipolitischen Kleinklein oder in emotionalen Scheindebatten. Als würde das ewige Herumhacken auf Robert Habeck die Tatsache ausradieren können, dass nicht der Wirtschaftsminister, sondern dieses Land die Wärmewende dringend braucht.




