Berlin - Für die Bundestagswahl, ja da geht das leicht. Da lädt man die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sowie ihre Konkurrenten Olaf Scholz und Armin Laschet ins Studio. Ein einigermaßen eingängiger Name ist rasch gefunden: Triell – wenn auch das Format zunehmend ermüdete und ermattete.
Viel schwerer war da die Aufgabe für den RBB. Der Hauptstadtsender hatte es sich zu seiner Informationspflicht gemacht, alle Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der Abgeordnetenhaus-Parteien auf einmal zu Wort kommen lassen. Und das sind bekanntlich sechs: in der Reihenfolge ihrer jüngsten Umfragewerte Sebastian Czaja (FDP), Kristin Brinker (AfD), Klaus Lederer (Linke), Kai Wegner (CDU), Bettina Jarasch (Grüne) und Franziska Giffey (SPD).
Blieb die Sache mit dem Namen: Wie nennt man einen solchen Sechs-Kampf? Sextrell? Im Sport kennt man den Jahn-Sechskampf, bei dem sich Jugendliche in den Turndisziplinen Boden und Barren beziehungsweise Stufenbarren, im 100-Meter-Lauf, Kugelstoßen, 100-Meter-Schwimmen und Kunstspringen messen. Der RBB entschied sich für „Wahlarena“. Kann man so machen.
„Alerta Antifascista“ rufen die Grünen, als Brinker vorbeigeht
Vor der Tür dieser Arena – Ort war das E-Werk in Mitte – hatten sich am Dienstagabend Claquersgruppen der Grünen und der CDU aufgebaut. Bevor aber die dazu gehörigen Spitzenleute kamen, tauchten zunächst fast gleichzeitig Franziska Giffey und Kristin Brinker auf. Als die AfD-Spitzenfrau vorbeiging ertönte aus Reihen der Grünen-Wahlkämpfer die Antifa-Demo-Parole „Alerta, Alerta Antifascista“. Bei Giffey blieben sie so still wie später bei Sebastian Czaja.
Kurze Zeit wurde „Neustart Berlin“ skandiert - Kai Wegner war eingetroffen. Als dann auch noch Klaus Lederer eine 4-Minuten-Zigarette erkämpft und Bettina Jarasch abgelehnt hatte mitzurauchen, konnte es losgehen. Die „Wahlarena“ war eröffnet. Im Publikum sitzen 75 Leute, sie sollen eine Art Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Das Spitzenthema setzt der Sender mit dem ersten Einspieler - und es ist keine Überraschung, sondern das Thema Wohnen. Eine Familie aus Marienfelde findet keine Wohnung, in der der Freund zu der Frau mit den vier Kindern ziehen kann. Die Familie sucht seit vier Jahren, die Kandidaten sollen der Reihe nach sagen, wie sie konkret helfen wollen.
Neubau, da sind sich alle einig. Doch wie? Für Lederer muss Neubau sozial sein. Wegner greift ihn für die Zustimmung der Linken beim Thema Enteignen an. Giffey sagt, die SPD werde die Entscheidung beim Volksentscheid akzeptieren. Aber sie möchte das Problem anders lösen.
Konkrete Antworten auf direkte Fragen
Die Stimmung ist nicht mehr so entspannt wie vor der Sendung. Giffey wirkt müde, etwas angespannt, aber sicher im Text. Jarasch ist angriffslustig. Lederer zeigt sich kampfesfreudig: Er werde sich im Zweifelsfall auch mit denen anlegen, die mit Wohnungen Geld verdienen. Zwischendrin versuchen Moderatorin Jessy Wellmer und ihr Kollege Sascha Hingst die Kandidaten dazu bringen, die Wünsche und Fragen des Publikums ganz konkret zu beantworten. So viel ist schon sicher: Dies wird nicht den ganzen Abend über gelingen.
Ein Blick noch aufs Tempelhofer Feld per Schnellfragerunde. Bebauen, ja oder nein? FDP: ja, bebauen. Lederer: erstmal nicht. Giffey: erneuter Volksentscheid, für Randbebauung. CDU: klares ja plus Bürgerbefragung. Jarasch: Nein. Das Feld ist einmalig. Brinker: ja plus Volksentscheid. So weit, so bekannt.
Nächstes Thema: Verkehr. Frage von Ralf Freise, der täglich anderthalb Stunden braucht, weil er ständig im Stau steht: „Wie wollen Sie sicherstellen, dass wir in den nächsten vier, fünf Jahren hier in der Stadt noch vernünftig fahren können?“
Polizeipräsenz und Überwachungskameras
Czaja fordert Lösungen für die „echten Probleme“ und nicht nur „Ideologie“. Jarasch klinkt sich ein: „Sie reden alle gegen besseres Wissens.“ Und dann direkt an Giffey und die CDU/FDP/AfD: „Was mich hier wirklich ärgert ist: Sie wollen die Verkehrsteilnehmer nicht gegeneinander ausspielen. Wir verbieten keine Autos. Aber wir wollen die Alternativen anbieten. Das geht nicht, wenn man so tut, als hätten wir endlos Platz.“
Dann das Thema Sicherheit. Im Film tritt auf eine Kellnerin, die schon zweimal in der Nähe des Kottbusser Tors in Kreuzberg überfallen wurde. Sie fühle sich nicht mehr sicher. Wegner fordert mehr Polizeipräsenz am Kotti und gleich in der ganzen Stadt. Giffey findet, die Freiheit in Berlin hängt davon ab, dass sich alle sicher fühlen. Sie plädiert für mehr Videoüberwachung an „kriminalitätsbelasteten Orten“. Moderatorin Wellmer erkennt eine Übereinstimmung mit der FDP. Czaja bestätigt das. Selbst Lederer sieht das so: „Da bin ich jetzt mal bei Frau Jarasch und Frau Giffey. Es muss für Frauen und queere Menschen möglich sein“, sich abends bewegen zu können.
Viele, schnelle Themenrunden und zurückhaltende Moderation
Und so geht das den Abend weiter. Wohnen, Verkehr, Sicherheit, Stärkung der Pflege, Bildung - die Themen werden angerissen, für eine Vertiefung bleibt wenig Zeit.
Schnellrunde zum Schluss: Was würden sie als erstes anpacken? Brinker: Das Geld besser verteilen. Jarasch: Zusammen mit Wohnungsunternehmen faire Mieten sichern. Wegner: Berlin soll „wieder funktionieren“, vor allem die Verwaltung. Giffey: Ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum nach Hamburger Beispiel. Lederer: einen erfolgreichen Enteignungsvolksentscheid umsetzen. Czaja: Neubauoffensive aber auch Miet-Kauf-Modelle einführen, Eigentum fördern.


