Eigentlich ist Sebastian Lege ein beliebtes TV-Gesicht, nimmt der gelernte Koch doch in seiner Rolle als Experte in der ZDF-Sendung „Besseresser“ für sich in Anspruch, die Tricks der Lebensmittelindustrie zu enthüllen. Der gebürtige Bremer, der selbst seit vielen Jahren in der Produktentwicklung für selbige tätig ist, nimmt Cola unter die Lupe, Pistaziencreme oder Proteinriegel.
Zu sehen ist das Ganze auf YouTube, in der ZDF-Mediathek und auch im linearen Fernsehen. Kürzlich hat sich Sebastian Lege – der Tag der Deutschen Einheit lässt grüßen – zur Hauptsendezeit im Zweiten einem etwas anderen Food-Thema gewidmet. Die Tricks in DDR-Produkten, so der Titel der Sendung, wolle Lege aufdecken.
Vier sogenannte Kultprodukte der DDR wanderten unter die Lupe des TV-Experten, der zeigen wolle, „wie die Menschen in der DDR mit wenigen verfügbaren Rohstoffen kreative Lösungen fanden – und welche dieser Tricks die Lebensmittelindustrie bis heute nutzt“. Das klingt zunächst recht harmlos, doch auf Social Media herrscht in den Kommentarspalten zur Sendung Unverständnis. Viele User haben den Wut-Emoji bemüht. Was regt die Zuschauer auf?
Kritik im Netz: „Wenn Wessis uns erzählen wollen, wie es bei uns war“
„Meine Güte, ihr erzählt einen Schwachsinn“, regt sich eine Frau aus Jena auf. Sie bemerkt: „Vitalade gab’s vielleicht kurz nach dem Krieg, Hallorenkugeln waren keine Bückware, auch wenn es sie vielleicht nicht immer gab. Wenn Wessis uns erzählen wollen, wie es bei uns war.“ Eine andere Nutzerin schreibt: „Irgendwie fand ich den Tenor gegenüber der Ex-DDR bzw. den Menschen dort und damals (!) unangenehm gönnerhaft.“ Immer wieder wird bemängelt, Lege könne nicht urteilen, wisse er doch gar nicht, wie die Produkte zu Ostzeiten schmeckten. So kenne er zum Beispiel die originalen Halloren-Kugeln überhaupt nicht.

Die bekannte Süßware aus Halle ist eines der vier Produkte, um die es in Leges Sendung geht – neben Soljanka, Malzkaffee und Kathi-Tortenmehl. Halloren-Kugeln, so heißt es im ZDF, „waren in der DDR eine Rarität – sogenannte Bückware, die Verkäufer nur unter dem Ladentisch hervorholten.“ Leges Sendung fragt: „Während die Produkte damals aus der Not heraus entstanden, stellt sich heute die Frage: Warum werden die Rezepturen nicht verbessert, obwohl alle Zutaten verfügbar sind?“
In der filmischen Umsetzung spart der 46-Jährige nicht mit Klischees. Zur Einstimmung in seine Sendung fährt er Trabi, liest das Neue Deutschland, kauft im Konsum ein und isst Soljanka vor dem Staatswappen der DDR, im Hintergrund sieht man eine Frau mit Kittelschürze. Nina Hagens „Du hast den Farbfilm vergessen“ bildet den Soundtrack.
Zu den Halloren-Kugeln, die heute Halloren O’s heißen, gibt es eine kurze geschichtliche Einführung. Lege fährt nach Leipzig, interviewt Bewohner zu einem der bekanntesten Ostprodukte. Die Leipziger bestätigen, was auch auf der Website der Schokoladenfabrik steht: Zu DDR-Zeiten kam wegen der Mangelwirtschaft nicht jeder so ohne weiteres an die Kugeln. „Die besten Chancen hatten Einwohner des Bezirks Halle und Ost-Berlins“, so formuliert es der Hersteller.
Dann geht es um die Rezeptur, um den geringen Schokoladenanteil von 17 Prozent. Der damit zu tun hatte, dass Kakao zu DDR-Zeiten nicht nur teuer, sondern äußerst knapp war. 1952 kostete eine Packung Halloren-Kugeln 2,50 Ostmark – Sebastian Lege erklärt die Zusammensetzung der Füllung am Labortisch. Sehr viel Zucker („Wahnsinn“), Glukosesirup, Vollmilchpulver, Butter, Aroma, Invertase, Kakaopulver und weitere Zutaten mixt er zusammen. Die Liste kann man so auch auf der Herstellerwebsite nachlesen, sie ist kein Geheimnis.
Doch Lege betont: Beim dunklen Teil der Kugelfüllung könne er auf teure Schokolade verzichten. Auf der Packung sei eine Kakaofrucht zu sehen, es stecke „aber leider weniger drin als gedacht“. Wer genau das denken soll, sagt er nicht. Stattdessen wird im nächsten Schritt bemängelt: „Auf Sahne verzichtet die Firma komplett. Trotzdem wirbt der Hersteller mit genau diesen Geschmäckern.“ Immerhin wird erwähnt, dass es sich um einen klassischen Trick der Industrie handle, den auch andere Firmen anwenden, wie eine Verbraucherschützerin erklärt. Stehe nämlich „Typ Sahne-Cacao“ auf der Packung, müsse man die abgebildeten Geschmacksrichtungen nicht als Zutat verwenden.

Dass im Schokoladenmantel der Kugeln der Schokoladenanteil nur bei 17 Prozent liegt und die Süßigkeit deswegen nicht als Praline bezeichnet werden darf, ist ebenfalls bekannt und auf der Herstellerwebsite nachlesbar. Die Hallenser betonen: Auch wenn die Rohstoffknappheit Geschichte sei, „die Mengen der Zutaten wurden trotzdem bis heute nicht verändert, die Qualität der Rohstoffe ist jedoch besser geworden. Deshalb schmecken Halloren O’s heute etwas anders als in der DDR – noch leckerer!“
Sebastian Leges Fazit, nachdem er die Süßware selbst hergestellt hat, fällt anders aus. Er sagt: „Halloren-Kugeln. Leider immer noch ohne Sahne und ohne genügend Schokoladenumzug, dass es eine Praline ist. Mensch, seid doch ein bisschen großzügiger. Die Zeiten aus der DDR sind vorbei. Es gibt jetzt alles in Hülle und Fülle.“


