Kolumne

Stilkritik: Öde wie Wegner, piefig wie Czyborra, schick wie Kiziltepe – Berlins neuer Senat

Wie wird die neue Regierung Berlin verändern? Ihr modischer Auftritt jedenfalls lässt nichts Gutes vermuten. Wir haben uns das mal genauer angesehen.

Himmel hilf!
Himmel hilf!Monika Skolimowska/dpa

Berlin hat eine neue Regierung und einen neuen Bürgermeister. Das kann man finden, wie man will. Aber während sich über Politik vorzüglich streiten lässt, gilt dasselbe bekanntlich nicht für den Geschmack: Entweder man hat ihn – oder eben nicht.

Wir haben uns den Stil der neuen Senatorinnen und Senatoren mal genauer angesehen: Wie ziehen sie sich an? Was sagen sie damit aus? Und was könnte das für unsere Stadt bedeuten? Eine Stilkritik in zwei Kapiteln.

CDU: Darf’s noch eine Tüte Nüsschen sein?

Manja Schreiner nimmt ihre künftige Aufgabe als Berlins Verkehrssenatorin sehr genau. Selbst modisch findet sich die CDU-Frau vollends in die neue Rolle ein. Wie sonst ließe sich ihr Aufzug vom vergangenen Montag erklären, an dem sich die designierten CDU-Senatorinnen und -Senatoren bei ihrem Landesparteitag brav fürs Foto zurechtdrapierten?

Schreiner ist, so könnte man meinen, als Stewardess gekommen. Ein Kostüm, das freilich gut zum Verkehrsthema passt: Der biedere Bleistiftwickelrock in Knielänge, die uniformell anmutenden goldenen Knöpfe darauf, das etwas zu kurz geratene Jackett und die fein gewichsten schwarzen Pumps – darf es noch eine Tüte Nüsschen sein? Ein Tomatensaft vielleicht? Spucktüte?

Heute mal ohne Servierwagen: Manja Schreiner, hier mit Stefan Evers
Heute mal ohne Servierwagen: Manja Schreiner, hier mit Stefan Eversdpa

Zugegebenermaßen fehlt das asymmetrisch positionierte Halstuch, um den Lufthansa-Look komplett zu machen. Außerdem ist Schreiner bei Weitem nicht die am schlechtesten angezogene Vertreterin aus den Reihen der Berliner CDU. Im Gegenteil: Ihr etwas ulkiger Auftritt als Flugbegleiterin lässt immerhin einen eigenen Stil erkennen – ihre leopardenartig gemusterte Bluse in Schwarz-Weiß ist sogar recht hübsch, fast mutig.

Gänzlich frei von jeder Individualität präsentieren sich indes Kai Wegner und sein baldiger Finanzsenator Stefan Evers. Sie entschieden sich am Montag in Doppeltes-Lottchen-artiger Eineiigkeit beide für den Weg des geringsten Widerstands und kamen – mal wieder – im langweiligsten aller Kleidungsstücke: dem marineblauen Anzug mit aufsteigendem Revers – ein Sinnbild maskuliner Mittelmäßigkeit.

Lebensfreude pur: Stefan Evers, Kai Wegner, Felor Badenberg, Manja Schreiner, Joe Chialo und Katharina Günther-Wünsch (von links)
Lebensfreude pur: Stefan Evers, Kai Wegner, Felor Badenberg, Manja Schreiner, Joe Chialo und Katharina Günther-Wünsch (von links)dpa

Und auch ansonsten kündigen Wegner und Konsorten schon am Montag düstere Zeiten für die Stadt an: Schwarz und Dunkelblau, so weit das Auge reicht. Man könnte beim Anblick der Gruppenfotos meinen, es handele sich um eine Beerdigungsgesellschaft. Und hat auch gleich eine Idee, was hier zu Grabe getragen wird: das in seinen Grundfesten doch mondäne Berlin nämlich, das Verruchte, Verlotterte, alles, was eine große Stadt zur Großstadt macht.

Klar, des Politikers Eigenart, sich bei öffentlichen Terminen am liebsten in den Parteifarben zu zeigen, ist genauso alt wie albern. Und ja – mit Schwarz haben die Herrschaften von der CDU leider die am wenigsten fröhliche Nuance abgekriegt. Gerade deswegen hätte es der ein oder andere Farbtupfer am Montag schon mal sein dürfen. Ein gelbes Blüschen hier, eine grüne Krawatte dort – und sei es nur, um die drohende Tristesse der kommenden Berliner Jahre unter christlich-demokratischer Ägide zu verschleiern.

Einen knalligen Ton bringen am Montag jedenfalls nur die Sneaker Joe Chialos, des künftigen Kultursenators ein: Herumgetreten wird hier auf Adidas-Schuhen in sattem SPD-Rot. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Manuel Almeida Vergara

SPD: Es fährt ein Flixbus nach nirgendwo

Was zeigt uns dieses Bild? Wollte man der SPD etwas Gutes tun, könnte man sagen: eine modisch diverse Truppe. Aber seien wir ehrlich: Das ist eine kleidliche Verwirrung, von allem ein bisschen, keine Linie, keine Idee, keine Fashion-Agenda im roten Teil des Senats.

Alles geht: Ina Czyborra, Franziska Giffey, Christian Gaebler, Iris Spranger und Cansel Kiziltepe (von links).
Alles geht: Ina Czyborra, Franziska Giffey, Christian Gaebler, Iris Spranger und Cansel Kiziltepe (von links).Monika Skolimowska/dpa

Ina Czyborra beispielsweise ist angezogen und asymmetrisch frisiert, als ob sie mit dem Flixus aus der westfälischen Provinz angereist wäre, um mit ihren besten Freundinnen Bine, Ursel und Manuela im Hofbräu am Alex ordentlich einen zu heben. Nach dem Abend im Schlosspark-Theater mit Didi Hallervorden natürlich. Endlich die große Stadt genießen! Partyhits, Handyvideo!

Überraschend schick und unbonbonhaft sieht hingegen Franziska Giffey auf diesem Gruppenfoto aus: Ein ordentliches Kostüm, das macht was her, jedenfalls mehr als ihre piefigen Blümchenkleider und diese komischen Bolerojäckchen, die die Ex-Regierende ansonsten so gerne trägt und in denen sie immer aussieht wie eine Mischung aus niederländischer Königin und Stehlampe.

Der gescheiterte Gastronom Christian Gaebler gibt sich ebenfalls recht untadelig in seinem schmal geschnittenen Anzug. Punktabzug gibt es indes für die Krawatte, die als solche zwar wieder in Mode ist, in dieser dürren Variante aber an die Brit-Bands der 2000er erinnert, Franz Ferdinand und so. Aktuelle Binder sind wieder wesentlich breiter. Bitte beim nächsten Shopping-Trip bei Wormland unbedingt bedenken.

Passend zur Aufgabe hat sich Iris Spranger angezogen: Die Senatorin für Inneres und Sport kann in ihrem Outfit wahlweise den Schwarzen Block unterwandern, oder in ihrer Lieblingswache am Kottbusser Tor eine Aushilfsschicht schieben. Und sollte völlig unvorhergesehen eine Betriebsfeier im Polizeiabschnitt 65 ins Haus stehen, ist Frau Spranger auch dafür richtig gekleidet.

Siegerin nach Punkten ist Cansel Kiziltepe. Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung weiß, wie man sich vom kartoffeligen Bürokraten-Style abhebt: Man tut einfach so, als ob man mit den anderen Leuten nichts zu tun hat, und sticht hervor durch eine so schick wie im aktuellen „Quiet Luxury“-Trend beheimatete Kombination – Chino in Beige, Doppelreiher in Dunkelblau mit Goldknöpfen und eine weiße Bluse. Alles richtig gemacht! Marcus Weingärtner