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Stilkritik: Helene Fischers Bühnenkostüme – ein feuchter Traum im Reihenhaus

Helene Fischer ist auf Tournee und begeistert ihre Fans mit Schlagern. Weniger mitreißend wirken ihre  Bühnen-Outfits – zumindest auf versierte Stilkritiker.

Immer schön in den Himmel glotzen: Die Schlagersängerin präsentiert sich als göttliches Wesen.
Immer schön in den Himmel glotzen: Die Schlagersängerin präsentiert sich als göttliches Wesen.dpa

Schon allein das Konzertposter! Es zeigt gleich, wie sich Helene Fischer auf ihrer nun gestarteten Tournee präsentieren will: Wie erleuchtet blickt sie auf dem Schwarz-Weiß-Foto in den Himmel, keusch und doch erwartungsvoll, wie die Jungfrau, die bald zum Kinde kommt. Ihre Schulter aber ist nackt, schiebt sich keck und aufreizend den Betrachtenden entgegen.

Helene Fischer probiert aus, was vor ihr schon so viele Musikerinnen gemacht haben. Britney Spears und Katy Perry zum Beispiel, Jessica Simpson und Christina Aguilera. Sie präsentiert sich als gefälliges Zwischenwesen, wechselt nonchalant zwischen zwei Rollen – der Heiligen und der Hure.

Diese Masche ist natürlich völlig aus der Zeit gefallen. Das zeigen ja die hier bemühten Beispiele, von Britney Spears bis Christina Aguilera; fleischgewordene Relikte der frühen 2000er-Jahre. Im Schlager aber, anders als im Pop, kann man mit solcherlei Imagekampagnen wohl noch heute überzeugen. Also überträgt die Fischer ihr Heilige-Hure-Modell vom Poster auch auf die Bühne.

Das ist besonders schade, weil es die Sängerin eigentlich besser wissen müsste. Im Januar 2019 war sie noch von Peter Lindbergh für das Cover der deutschen Vogue abgelichtet worden, bestens gekleidet natürlich, durchaus modern – ein Engagement, aus dem sie hätte lernen können. Doch es kam anders: Auf ihrer Tournee, die am Dienstag ihren bedauernswerten Anfang in Hamburg genommen hat, singt sich Helene Fischer „geschmacklos durch die Nacht“. Eine Stilkritik in vier Akten.

1. Outfit: tagsüber eine patente Perle, abends die willige Gespielin

Wenn so gar nichts mehr geht aus dem Kostümfundus, dann geht immer noch die schwarze Hose in Lederoptik und dazu ein bauchfreies Oberteil. Die Hose glänzt so schön im Licht, das von oben auf das Engelshaar Helenes fällt und - Achtung: Holzhammer-Symbolik! - natürlich einen erotischen Kontrast bildet zur verruchten engen Lederhose. Heilige und Hure eben, so stellt sich Papi im Reihenhaus die ideale Partnerin vor. Tagsüber in der Küche eine patente Perle, abends dann die willige Gespielin.

Das Problem an Lederhosen ist unter anderem, dass diese Form der Beinbekleidung vor rund 25 Jahren in Düsseldorf abgefeiert wurde, gerne in einer Leggings-Variante mit geripptem Kniedetail. In Düsseldorf trägt man das übrigens heute noch so,  beispielsweise wenn man in übermäßig teuren und trotzdem billig wirkenden Klamotten die Kö runterflaniert. Also wenigstens in der NRW-Hauptstadt könnte Helene mit diesem Look punkten – blöderweise gastiert sie dort aber gar nicht mit ihrer Tour.

2. Outfit: singen und tanzen im Mugler-Memorial-Look

Da hat sich jemand aber mal so gar keine eigenen Gedanken mehr gemacht. Und der guten Helene einfach was aus der Thierry-Mugler-Gedenktruhe übergeholfen: einen rot-schwarz-gemusterten Body mit Schulterpolstern, der extrem an die Arbeit des 2022 verstorbenen legendären französischen Designers erinnert. Helene Fischer kann das tragen, sie hat den perfekten Körper dafür.

Den hatten aber auch schon die die Supermodels – Linda, Nadia, Emma, Estelle und Tyra –, die 1992 im Video zu George Michaels housy Tanzbodenbumser „Too Funky“ auftraten, in Kostümen von Mugler nämlich. Das war vor über 30 Jahren. Offenbar ist Fischers Kostümchef seitdem keine zündende Idee mehr gekommen, aber das gilt ja genau so für die Musik der Schlagersängerin.

3. Outfit: Menschen, Tiere, keine Sensationen

Wir hatten es ja eingangs schon mit den Vergleichen; mit Spears und Aguilera. Bei diesem Look aber müssen wir gleich noch einen weiteren bemühen: Man könnte Helene Fischer im schwarzen Body mit den silbrigen Details beinahe für Kylie Minogue halten – nur ohne die eingängige Dance-Musik und den Willen, etwas ganz eigenes auf die Bühne zu bringen. Denn das aufgestrapste Bühnenkostüm verbildlicht aufs Beste ein träges Motiv der ganzen Tour: Sie ist in Zusammenarbeit mit dem Cirque du Soleil entstanden, soll also hier und da ans bunte Treiben in einem Zirkuszelt erinnern.

Wenn einem wirklich gar nichts mehr einfällt, könnte man sagen, dann kramt man eben Jahrhunderte alte Vergnügungs-Konzepte nochmal aus der verstaubten Entertainment-Kiste hervor. Genauso altbacken wirkt auch das Kostüm an sich, dessen Schößchen und reverskragenartiges Dekolleté tatsächlich an einen lüsternen Zirkusdirektor erinnern: Overknees-Stiefel zum knappen Body? Für professionelle Hupfdohlen, die einer hohen Bewegungsfreiheit im Beinbereich bedürfen, ergibt das natürlich Sinn. Originell ist dieses Bühnenoutfit aber ganz und gar nicht.

4. Outfit: ganz schön gewagt für eine Brautjungfer

Apropos Einfallslosigkeit: Auch ein weiteres Fischer-Kostüm scheint der Ideenwelt einer bekannten Designerin entlehnt. Ein gräulich-grünes Minikleid mit asymmetrischer Schnittführung, das extrem an die Niederländerin Iris van Herpen erinnert.

Nur, dass diese avantgardistisch, also künstlerisch anspruchsvoll gearbeitet hat. Wohingegen Helene Fischers unkreative Adaption eher nach einem gewagten Brautjungfernkleid aussieht. Oder nach einem Meerjungfrauenkostüm. Oder einer in Form gerafften blauen Mülltüte.