Jährlich, an jedem ersten Freitag im August, wird unter Bierliebhabern gefeiert. Dann wird nämlich der Internationale Tag des Bieres begangen – unter Deutschen immer noch das beliebteste alkoholische Getränk. Innerhalb des vergangenen Jahres summierte sich der Pro-Kopf-Verbrauch hierzulande auf rund 92 Liter Bier. Im europäischen Vergleich frönen nur unsere Nachbarländer Tschechien, Österreich und Polen einem höheren Pro-Kopf-Konsum.
Doch bei welchem Bier greifen Sie gerne im Supermarkt oder Spätkauf zu? Oder gehen Sie lieber in Ihre urige Eck-Kneipe im Kiez? Oder soll es doch ein schönes Helles in einem Etablissement mit Ausblick auf den Fernsehturm sein? Eine Auswahl der Bier-Typen unserer Stadt. Zum Wohl!
1. Der Lokalpatriot: Berliner Pilsner, Kindl, Schultheiss
Berliner Lokalpatrioten greifen gerne bei den einheimischen Bieren zu. Es gibt zwar kleine Differenzen: Unter West-Berlinern und Hertha-Fans ist das Kindl das beliebteste Lokal-Bier; Ossis und Unioner bevorzugen ein Berliner Pilsner und in alten, urigen Kiez-Kneipen ist oft ein kleines „Schulle“ die Nummer eins. Doch allzu groß sind die Unterschiede bei den Berliner Bieren nicht. Schließlich werden alle in der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei in Hohenschönhausen zubereitet.
2. Der Linksradikale: Sternburg
Womit man Berlin-Touristen begeistern kann: ein Spaziergang durch die Oranienstraße, eine Fahrt mit der Buslinie 100 – und ein Besuch im Späti. Bierpreise, die unter jenen für eine Flasche Wasser liegen? So beeindruckt man Gäste aus Amerika oder Asien. Sternburg ist so ein Brauereierzeugnis, das in der Halbliterflasche für weniger als einen Euro zu haben ist. Dementsprechend hat sich das „Sterni“, das meist selbstgedrehte Pueblo-Zigaretten begleitet, als Go-to-Drink für Studierende und Arbeitssuchende durchgesetzt; für Trinker aus dem linksalternativen Spektrum ist der Griff zum Günstig-Gerstensaft sogar ein politisches Statement.
3. Der Unterschichtler: Pilsator
Menschen, die jeden Cent umdrehen müssen, sich aber trotzdem das ein oder andere Bier gönnen wollen, greifen notgedrungen zum Pilsator. Das günstige Bier aus einer Brauerei aus Frankfurt (Oder) ist besonders bei Obdachlosen und Punkern überaus populär. Allein der Preis ist fast unschlagbar: Für 40 Cent geht die Flasche über die Späti-Theke. Echte Bier-Connoisseure hingegen ekeln sich vor dem Billo-Bier – und würden nicht mal zugreifen, wenn sie zu verdursten drohten.

4. Der Süddeutsche: Tannenzäpfle
Zu viel wurde bereits geschrieben und gesagt über die Schwaben in Berlin. Aber einer geht noch, einer geht noch rein: Wer aus Pforzheim oder Stuttgart kommt, aus Althütte oder Backnang, der greift gern zum Tannenzäpfle. Mit dem Bier der Badischen Staatsbrauerei Rothaus wird die Sehnsucht nach Dahoim hinuntergespült. Aber es gibt auch nichtschwäbische Tannenzäpfler: Solche nämlich, die ganz vernünftig – man könnte auch sagen: baden-württembergisch-brav – bleiben wollen. Nach dem Verzehr des kleinen 0,33-Liter-Fläschchens spürt man nämlich: gar nix. „Eins nehm I no, bidde!“
5. Der Hobby-Türke: Efes
Süffig, mild und sprudelig – Efes schmeckt nach Urlaub in Bodrum oder Antalya. Das türkische Bier ist also per se etwas für Trinker mit Fernweh. Wobei natürlich gerade auch jene Berlinerinnen und Berliner zur Flasche mit dem blauen Logo greifen, für die die Türkei nicht Ferne, sondern Heimat ist: Efes ist – natürlich – unter Türkinnen und Türken beliebt. Und unter solchen, die sich bei der größten ausländischen Community der Stadt gern anbiedern wollen: Mit verschwörerischem Lächeln und erwartungsvollem Blick stellen BWL-Justus und Anthropologie-Annika ihre Efes-Flasche auf den Späti-Tresen, als wollten sie sagen: „Herzlich willkommen, toll dass du da bist, Multikulti find ich super!“ Und der türkische Späti-Verkäufer so: „1,20 Euro bitte.“
6. Der Woke: Craftbeer
Nach dem Wocheneinkauf bei der Bio-Company und einem gepflegten Spaziergang über den „Nowkoelln Flowmarkt“ gibt’s ein paar Craftbeer-Flaschen von der Brauerei aus dem Nachbarkiez – der Rausch wird dann in einer überteuerten Kreuzköllner Altbauwohnung ausgeschlafen, auf einer Matratze vom sympathischen Berliner „Sleep Well“-Start-up natürlich: „Ist ein bisschen teurer, aber da weiß ich einfach, wer dahintersteht.“ Craftbeer-Trinker sind ein unerträglich wokes Grüppchen, das hinter jeder Konsumentscheidung eine Möglichkeit zur Abgrenzung sieht. Eine Abgrenzung von allem und jedem, was angeblich „Mainstream“ ist. „Sorry, aber Industrie-Plörre trinke ich nicht“, entgegnen sie jedem, der es wagt, ihnen ein Beck’s Gold vorzusetzen, „da weiß ich ja gar nicht, was da drin ist und was die Brauerei für Werte vertritt!“ Trinken sollte man mit solchen Leuten nicht.

7. Der Reiche: Belgisches Bier
Leffe, Stella Artois, Kriek und Co. sind die internationalen Aushängeschilder der belgischen Braukunst. Außerhalb unseres Nachbarlandes zählen die piekfeinen belgischen Bierkneipen zu den gut situierten Lokalen jeder Stadt. Die Reichen und Schönen gehen gerne für ein Grimbergen mit Moules Frites und Pommes in ein solches Etablissement. Die Biergläser sehen für Laien fast wie Weingläser aus, auch die Preise haben es in der Regel in sich.
8. Der Ästhet: Bayerisches Bier
Immer häufiger sieht man auch in Berliner Supermärkten und Spätis Regale voller bayerischer Biere: Augustiner, Bayreuther, Oberdorfer, Tegernseer Hell oder Chimseer. Allesamt sogenannte Helle Biere. Die Preise sind zumeist etwas höher als beim lokalen Pils, trotzdem bedienen sich auch Berliner oft am bayerischen Kulturgut. Eine Freundin sagte mal, „die Flaschen sehen cool aus“, ein Kollege mochte die Produktaufmachung mit den Bergseen. Am Ende macht es also anscheinend die Werbung.
9. Der Weichling: Radler
Der Mallorca-Hit „Radler ist kein Alkohol“ von Rick Arena und DJ Düse hat fast fünf Millionen Aufrufe und ist auf jeder Malle-Party ein Muss. Das Lied soll eine Ode sein für alle Partytiere, die nur „echten“ Alkohol trinken. Trotzdem nimmt der Radler-Konsum gefühlt immer stärker zu. Der Mix macht es wohl vor allem aus. Für den leckeren zuckerhaltigen Geschmack sorgt die Zitronenlimonade, und trotzdem fühlt es sich an, als ob man ein Bierchen trinkt. Perfekt für den Feierabend oder zum Start einer großen Fete – außer Sie gehen auf eine Mallorca-Party.




