Innerhalb von nur zwei Tagen sind fast 9.500 Euro auf dem Spendenkonto eingegangen. Eine Einzelperson hatte sogar 450 Euro gegeben – der bisher größte Betrag dieser Aktion, so steht es auf der entsprechenden Seite des Onlineportals gofundme.com.
„Hilfe für Rammstein Anwalts Opfer“, so ist der Spendenaufruf überschrieben; „es ist ein unerträglicher Zustand, dass Opfer sexualisierter Gewalt zum Schweigen gebracht werden sollen, während Täter sich feiern lassen“, steht in der Beschreibung.
Initiiert hatte die Aktion ein Berliner, der sich auf seinem Twitter-Account mit dem Namen @DennisKBerlin als „Antifa-Jurist“ bezeichnet und schon häufiger mit ähnlichen Aktionen in die Öffentlichkeit getreten war. Dementsprechend, so schreibt er zu seinem Spendenaufruf, habe sich „heute tatsächlich die erste Followerin bei mir gemeldet, die im Zuge der Berichterstattung über Rammstein Post bekommen hat.“
Die auf ein Spendenziel von 7000 Euro bezifferte Summe werde genutzt, „um ihr juristisch zu helfen sich dagegen zu wehren, keinesfalls für irgendwelche Zahlungen an Rammstein oder deren juristischen Vertreter“; etwaige Überschüsse – mittlerweile sind schließlich fast 2.500 Euro mehr eingegangen – würden verwendet, „um weiteren Opfern in diesem Fall zu helfen, die es vermutlich in den nächsten Tagen geben wird.“
Den ursprünglichen Spendenaufruf auf Twitter hat @DennisKBerlin jedoch mittlerweile gelöscht, „da immer noch weiter Geld eingeht, obwohl wir das Ziel gestern Abend schon erreicht haben“, wie er später schrieb.
Lindemanns Anwälte unterstreichen Unschuldsvermutung für ihren Mandaten
Der Aktion vorangegangen war ein Schreiben der Rechtsanwälte Christian Schertz und Simon Bergmann, die Till Lindemann seit vergangener Woche vertreten: Dem Rammstein-Frontmann werden mittlerweile von mehreren Dutzend Frauen, die sich teils anonym an Rechercheteams mehrerer Medien wie NDR, Süddeutsche, Spiegel und Welt gewendet hatten, Übergriffe im Rahmen seiner Konzerte vorgeworfen; auch Betäubungsmittel sollen nach Darstellung mehrerer Frauen dabei eine Rolle gespielt haben.
„So wurde wiederholt behauptet, Frauen seien bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.-o.-Tropfen beziehungsweise Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können“, heißt es dazu im Schreiben von Schertz und Bergmann, „diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr“ – für Till Lindemann gilt die Unschuldsvermutung.
Shelby Lynn konkretisiert im Interview ihre Vorwürfe gegen den Musiker
Weiter schreiben die Anwälte, man werde „wegen sämtlicher Anschuldigungen dieser Art umgehend rechtliche Schritte gegen die einzelnen Personen einleiten“. Dass dies in Einzelfällen bereits geschehen ist, legt nicht nur der Spendenauftrag nahe, der ja auf Basis eines entsprechenden Unterlassungsschreibens entstanden sein soll. Auch Shelby Lynn, die die ganze Causa Rammstein überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte, sagt, sie habe bereits Post der Anwälte erhalten.
In einem Gespräch mit NDR und Süddeutsche, das am Sonntag auf ARD ausgestrahlt wurde, konkretisierte die Nordirin ihre Vorwürfe gegen den 60-jährigen Lindemann und berichtete außerdem, sie habe bereits vor besagtem öffentlichen Anwaltsschreiben eine Unterlassungsforderung erhalten. „Macht mich bankrott. Ist mir egal. Bringt mich vor Gericht. Ich habe keine Angst“, sagte Lynn dazu. „Sie haben viel zu verlieren und eine Menge zu verbergen. Ich habe nichts zu verbergen.“
Deutscher Journalistenverband kritisiert das Schreiben der Anwälte scharf
Mittlerweile, so die 24-Jährige, gehe es ihr nicht mehr um sie selbst und ihre eigenen Erlebnisse, sondern sie könne nicht zulassen, „dass das noch einmal passiert“. In den vergangenen zwei Wochen hatte Lynn immer wieder Bilder von Chatverläufen veröffentlicht, in denen mutmaßliche Opfer ähnliche Erlebnisse schildern wie sie.
Das Schreiben von Lindemanns Anwälten steht indes auch unter Journalistinnen und Journalisten sowie anderen Juristinnen und Juristen in der Kritik. So sieht der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall, darin einen Einschüchterungsversuch gegenüber recherchierenden Medien. „Die Vorwürfe gegen den Frontmann einer der bekanntesten deutschen Bands sind so schwerwiegend, dass sie recherchiert und berichtet werden müssen“, wird er in einer DJV-Mitteilung zitiert; die Drohung mit rechtlichen Schritten sei „der Versuch, Medien einen Maulkorb anzulegen“.
Ähnlich sieht das auch die Juristin Stefanie Schork. „Wenn es nicht so bitter wäre, würde man über die Presseerklärung der Kollegen für Rammstein fast lachen müssen“, schrieb die Anwältin, die laut Webseite ihrer Kanzlei in der Vergangenheit bereits für das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz im Referat Sexualstrafrecht, Rechtsextremismus, Doping und Kriminalstatistik tätig war, in einem Beitrag auf dem Berufsnetzwerk Linkedin, der in den vergangenen Tagen vielfach von Medien aufgegriffen wurde.




