Vielen gilt Messechefin Anita Tillmann als eine Gallionsfigur der deutschen Mode – oder gar als Kapitänin. Als eine jedenfalls, die Kurs hält, selbst wenn der Wind besonders scharf bläst. Und das tat er oft in den vergangenen Jahren: Die Geschichte der Berliner Modewoche als ein Dreh- und Angelpunkt der Branche ist auch eine Geschichte der Widerstände.
Oft wurde die Fashion Week, 2007 auch auf Initiative Tillmanns hin entstanden, für tot erklärt. Hämische Unkenrufe gleich zu Beginn, der ständige Vorwurf mangelnder Relevanz, dann auch noch Corona: Die Herausforderungen der Modewoche, von der Tillmanns Messen Premium und Seek zentraler Teil sind, wurden mit den Jahren nicht kleiner.
Aber selbst wenn viele Ratten das Schiff längst verlassen haben, weil sie den Untergang fürchteten, ist die Fashion Week noch immer da. Und Anita Tillmanns Messen sowieso: Am heutigen Montag (10. Juli) beginnt die Modewoche, am Dienstag gehen auch Premium und Seek mit neuen Konzepten wieder an den Start.
Aber Gallionsfigur? Kapitänin? Das ist kein Bild, das Tillmann vermitteln will. Wer dieser Tage mit der Unternehmerin spricht, die ihre Premium 2003 als Ausstellungsplattform für junge Labels gegründet und zu einer der größten Modemesse-Gruppen Europas entwickelt hat, wird den Eindruck bekommen, sich mit einem bloßen Crew-Mitglied zu unterhalten.

Tillmann geht es ums Team. Das betont sie in dieser Woche mit besonderem Nachdruck - jetzt, da sie ihren eigenen Rückzug aus dem operativen Geschäft bekanntgegeben hat. Zwar werde sie dem Führungsteam der Premium Group als strategische Beraterin erhalten bleiben, heißt es in einer Mitteilung der Gruppe vom Montag, mit dem Tagesgeschäft ist für Tillmann in einigen Monaten jedoch Schluss.
Der bisherige Co-Geschäftsführer Jörg Arntz übernimmt
Sie überlasse das Geschäft „mit großer Zuversicht und Vertrauen meinem Business-Partner Jörg und unserem erfahrenen Führungsteam“, so Tillmann laut der Mitteilung, „Dank unserer flachen Hierarchien, dem ausgeprägten Teamgeist und dem guten Verhältnis zu unserem Gesellschafter arbeiten wir an der Zukunft der Mode weiter nach dem Motto - Teamwork makes the dream work.“
Premium und Seek seien eine Gemeinschaftsleistung, unterstreicht Tillmann. Co-Geschäftsführer Jörg Arntz, das Management der Gruppe, der Lobbyverein Fashion Council Germany, Kooperationspartner wie das alternative Modehaus Platte – das sind Akteure, die Tillmann nun hervorhebt. Genau wie jene Marken, die ihr als Aussteller treu geblieben sind. Selbst in schwierigen Zeiten.
Tillmann, die ihre Premium Group schon 2018 an die Muttergesellschaft Clarion Events verkaufte, aber bisher als Geschäftsführerin im Boot geblieben ist, hat oft einen guten Kompass bewiesen. Auch in dieser ihrer vorletzten Saison an der Spitze der Premium Group, in der sich die Messen als renovierte Trendformate sehen: Den klassischen Messebetrieb wird es am Gleisdreieck zwar weiterhin geben. Kommunikativ gehen Tillmann und Team aber vor allem mit den Rahmenveranstaltungen in die Offensive.




