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Schwarz oder weiß? Über die Unsicherheit, politisch korrekt zu sprechen

Im Umgang mit anderen sollte man respektvoll sein. Unsere Autorin findet: Es ist gar nicht so einfach, dabei die richtige Anrede zu wählen.

Wenn unsere Kinder uns über die richtige Anrede aufklären müssen.
Wenn unsere Kinder uns über die richtige Anrede aufklären müssen.Sebastian Wells/Ostkreuz

Meine Kinder ermahnen mich des Öfteren, dass ich zu Schwarzen Menschen nicht „Afrikaner“ sagen darf. Das wäre rassistisch, erklären sie mir, und ich glaube, dass ich ihren Augen sowieso eine Rassistin bin. Dabei hilft mir nicht, dass ich den überwiegenden Teil meines Lebens mit Männern zusammengelebt habe, die nicht in Deutschland geboren wurden. Auch der Vater meiner Söhne besitzt einen anderen als den deutschen Pass, aber ich befürchte, das rettet mich in ihren Augen nicht.

Was ich denn sonst sagen solle, frage ich meine Kinder, ob ihnen die Bezeichnung „Schwarze“ besser gefalle, aber bei dieser Frage verdrehen sie stöhnend die Augen. Ich bin für sie von gestern und unheilbar naiv. Ich solle einfach sagen, aus welchem Land die betreffende Person stammt, belehren sie mich, aber ich versuche mich zu rechtfertigen, das wäre nicht immer ganz leicht. Zu der Beerdigung meines Freundes zum Beispiel, der im letzten Sommer gestorben ist, kamen mindestens 150 Personen.

Er hatte viele Freunde aus unzähligen Ländern, die Mehrzahl aus dem Kongo, wo er geboren wurde, oder aus Angola, wo er gelebt hatte, bevor er vor über 30 Jahren nach Deutschland kam, aber unter seinen Freunden waren auch Türken, Libanesen, Polen, Syrer und Iraner, neben Freundinnen aus Botswana, Senegal oder Kamerun. Als ich mit dem Mitarbeiter des Französischen Friedhofs, auf dem mein Freund begraben wurde, vorab über Einzelheiten des Begräbnisses sprach, erzählte er mir von anderen afrikanischen Beerdigungen, die dort bereits stattgefunden hatten, und die oftmals, wie er sagte, bewegender als die deutschen gewesen seien.

Ich nehme an, diese Aussage wäre für meine Kinder ein Zeichen „romantisierenden Rassismus“. Vielleicht liegt es daran, dass der Mitarbeiter und ich schon älter sind und es uns schwerfällt, uns an den modernen Sprachgebrauch zu gewöhnen. Allerdings weiß ich noch immer nicht ganz genau, woran ich mich konkret gewöhnen muss. Sollte es mich dabei trösten, dass es den Schwarzen (oder besser PoC/People of Colour oder BIPoC/Black, Indigenous and People of Color ?) ähnlich geht wie mir?

Neulich erzählte mir ein Freund meines Freundes, wie er während eines WM-Spiels von seinem achtjährigen Sohn zurechtgewiesen worden ist. Mittendrin hatte er geschrien: „O Mann, diese Afrikaner! Warum treten die sich gegenseitig auf die Füße?!“, woraufhin sein achtjähriger Sohn ihn zurechtwies: „Du sollst nicht Afrikaner sagen, Papa, sie sind aus Senegal!“ Der Freund meines Freundes stammt aus dem Kongo, sein Sohn, den er großgezogen hat, hat einen nigerianischen Vater, während seine Lebensgefährtin, die Mutter seines Sohnes, in Ghana geboren ist.

Ein Kickertisch mit weißen und schwarzen Spielfiguren.
Ein Kickertisch mit weißen und schwarzen Spielfiguren.Imagebroker/imago

Als er mir von der Belehrung seines Sohnes erzählte, wirkte er etwas beschämt. Oder ertappt. Ich konnte gut nachvollziehen, wie es ihm ging. Vor mehreren Jahren benutzte ein Polizist, der mir bei der Suche nach einem Bekannten aus Gambia half, welcher kurz zuvor ins Gefängnis gekommen war, den Begriff „maximalpigmentiert“. Der Polizist war sehr nett, er war mitfühlend und sagte damals den Satz: „Ein Maximalpigmentierter in einem deutschen Gefängnis hat es nicht leicht!“

„Westasiatisch“ statt „südländisch“ – wo ist Westasien überhaupt?

Entsprach dieser Begriff damals dem politisch korrekten Sprachgebrauch? Oder war er offen rassistisch? Vor kurzem hat das LKA „Empfehlungen für einen diskriminierungssensiblen Sprachgebrauch“ für die Polizei herausgebracht. Diese Empfehlungen umfassen 29 Seiten, und im Vorwort wird geraten: „Fragen Sie im Zweifel nach, nutzen Sie Selbstbezeichnungen Betroffener, reflektieren Sie Ihren eigenen Sprachgebrauch und weisen Sie andere auf diskriminierende Sprache hin!“

Ich finde, das klingt ziemlich kompliziert. Ich stelle mir vor, wie Polizisten zu einer Gefahrensituation gerufen werden, in die ein Mann mit dunkler Hautfarbe verwickelt ist, aber bevor die Beamten eine Personenbeschreibung durchgeben, fragen sie den Betroffenen, wie er genannt werden will. Ich will damit nicht sagen, dass diese Empfehlungen nicht nötig sind, im Gegenteil. Ich kenne die Erfahrungen meiner Freunde und meiner Söhne mit der Polizei, ich habe ihre Wut und ihre Ohnmacht angesichts rassistischer Beleidigungen und Gewalt miterlebt.

Es ist wichtig, dass Polizisten dafür sensibilisiert werden, dass Diskriminierung auch verbal passiert, aber ich befürchte, dass dieser Ratgeber zu großer Unsicherheit führt. Mir jedenfalls, wäre ich Polizistin, ginge es so. In dem Leitfaden wird dazu geraten, statt des Begriffs „südländisch“ das Wort „westasiatisch“ zu benutzen, aber ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wo Westasien liegt. Gehört Indien dazu? Oder Aserbaidschan?

Zugegeben, ich war in Geografie schon immer schlecht, wobei ich verstehe, dass die Bezeichnung „südländisch“ geografisch ungenau ist. Zudem wird sie gerne von verfassungsfeindlichen Medien benutzt. Zu den Südländern könnten die Griechen, Italiener und Albaner ebenso gehören wie Menschen aus der Türkei, aber trifft das nicht auch auf Westasien zu? Wie ich inzwischen nachgelesen habe, gehören zu den westasiatischen Staaten neben Armenien, Palästina, Israel und dem Libanon auch Staaten wie das Königreich Bahrein oder das Sultanat Oman.

Vielleicht sollte das LKA auf meine Kinder hören und den Beamten vorschlagen, im Zweifelsfall zuerst den Pass des Betroffenen zu verlangen, bevor sie ihn ansprechen, aber ich ahne, dass auch dies zu Schwierigkeiten führen wird. Bei einigen Begriffen gehe ich allerdings mit. Das Wort „Flüchtling“ ist kein schönes Wort, es erinnert mich an einen Engerling oder einen Wüstling, aber dass man stattdessen „Asylsuchender“ und nicht „Asylbewerber“ sagen soll, verstehe ich erst nach einem längeren philosophischen Zwiegespräch. Na gut.

Um Asyl sollte man sich nicht bewerben müssen, das Recht auf Asyl steht im deutschen Grundgesetz, was suggeriert, man sucht und findet es in der Not. Der Begriff „Flüchtling“ erinnert mich übrigens an einen weiteren problematischen Begriff. Als „Mischlinge“ bezeichnen meine Schwarzen Bekannten mit weißen Partnerinnen ihre Kinder und sie haben damit scheinbar kein Problem. Mich erinnert das Wort an Blut und unerwünschte Vermischung und Herrenmenschen und niedere Rassen, trotzdem erzähle ich in provokanter Absicht meinen Kindern davon und dass sie ja ebenso Mischlinge sind.

Natürlich folgt der Protest auf den Fuß. Als Weiße dürfe ich nicht von Mischlingen reden, das bliebe den Angolanern oder Kongolesen oder Kambodschanern vorbehalten, und überhaupt hätte ich als weiße Frau ja ohnehin noch nie Rassismus erlebt. Dass ich mich als Weiße in einer privilegierten Position befinde, daran erinnert mich auch ein antirassistisches Klopapier.

Die Jugend setzt sich nicht nur bei Anti-Rassismus Demonstrationen für mehr Aufklärung und Solidarität ein.
Die Jugend setzt sich nicht nur bei Anti-Rassismus Demonstrationen für mehr Aufklärung und Solidarität ein.Ben Kriemann/imago

„Ich hätte nichts dagegen, eine Europäerin zu sein“

Ich hatte es im letzten Sommer in einem Hotel entdeckt, in das ich eingeladen worden war. Es war ein Hotel eines Naturschutzbundes, und alles in diesem Hotel war nachhaltig und politisch korrekt. Im Restaurant wurde ausschließlich veganes Essen serviert, im Bad fanden sich Hinweise, dass man die Dusche während des Einseifens abstellen solle, das Mineralwasser wurde in recycelbaren Glasflaschen gereicht und das Klopapier forderte mit zahlreichen Sprüchen und Bildchen zu „Black Lives Matter! Gemeinsam gegen Rassismus“ auf.

Ich blieb damals lange auf der Toilette sitzen und bewunderte das liebevoll gestaltete Papier. So wurde ich zum Beispiel aufgeklärt: „Wer keine Diskriminierung erfährt, ist privilegiert.“ Und gleichzeitig ermahnt: „Werde dir deiner Privilegien bewusst!“ Und darauf hingewiesen: „‚Woher kommen deine Eltern?‘ ist kein guter Gesprächseinstieg.“ „Nimm Kritik an, wenn dich jemand auf eine rassistische Aussage aufmerksam macht!“ „Es reicht nicht aus, ‚kein Rassist‘ zu sein. Wir müssen Antirassisten sein!“

Als ich wieder zu Hause war, habe ich das Papier einem kongolesischen Freund gezeigt und ihn gefragt, wie er darüber denkt. Er fand es gut, er meinte, auf der Toilette hätte man Zeit, nachzudenken. Nur als ich ihn daran erinnerte, dass man sich damit auch den Hintern abwischen würde, kamen auch bei ihm leise Zweifel an der Wahl der Mittel auf. Aber vielleicht hat er ja trotzdem recht. Vielleicht sollte man der Polizei den Vorschlag machen, dieses Klopapier in größeren Mengen aufzukaufen, zumal die Ermahnungen leicht verständlich und eingängig sind.

„Benenne Menschen, wie sie benannt werden wollen!“; „PoC heißt ‚Person/People of Color‘ und ist eine selbstgewählte, positive Bezeichnung“; „Rassistische Aussagen sind auch dann rassistisch, wenn Betroffene nicht anwesend sind.“ Der Satz „Es ist nicht wichtig, ob du etwas als rassistisch empfindest, sondern wie die betroffene Person es empfindet“, könnte auch von meinen Kindern an mich gerichtet sein.

Aber ich bin lernfähig, ich habe meine Freunde gefragt, wie sie genannt werden wollen und gehört, dass der Begriff „Schwarze“ für sie in Ordnung ist. Zudem habe ich mich daran gewöhnt, das Wort „schwarz“ großzuschreiben, wenn es eine Person bezeichnet, so, wie es der Leitfaden in Übereinstimmung mit verschiedenen Organisationen fordert.

Allerdings verspüre ich eine letzte Unsicherheit. Was ist mit mir? Darf oder soll ich mich als deutsche Weiße oder nur als Weiße bezeichnen und wie schreibe ich es? Ebenfalls groß mit normaler Schrift oder klein und kursiv? Auf Lingala, einer Sprache, die in Angola und Kongo gesprochen wird, gibt es übrigens kein Wort für Menschen mit weißer Haut. Es existiert das Wort „weiß“ als Farbe, „pembe“, und es existiert ein Wort für Menschen, die keine Afrikaner sind. Als „Mundele“ werden Menschen bezeichnet, die aus Europa stammen, Menschen, die von außerhalb gekommen sind, aber diese Bezeichnung hat mit ihrer Hautfarbe nichts zu tun. Ich hätte übrigens nichts dagegen, eine Europäerin zu sein.

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