Open Source: Handelskrieg

Rasanter Handelsanstieg zwischen Mexiko und China: Umgehen US-Unternehmen so Sanktionen?

Mexikos Importe aus China werden als einer der „am schnellsten wachsenden“ Handelsströme angesehen. Ein Großteil der Waren wird weiter in die USA geliefert. Werden dadurch gezielt Sanktionen umgangen?

Chinas Präsident Xi Jinping und Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador in San Francisco, USA im November 2023.
Chinas Präsident Xi Jinping und Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador in San Francisco, USA im November 2023.Rao Aimin/imago

Die Zahlen lassen aufhorchen. Während der globale Handel in vielen Regionen der Welt stockt, ist er zwischen China und Mexiko im Januar sprunghaft angestiegen. Wie eine Auswertung der Benchmarking-Plattform Xeneta zeigt, stieg die Zahl der Container, die aus der Volksrepublik nach Mexiko verschifft wurden, im ersten Monat dieses Jahres um ganze 60 Prozent an. 2023 hatte das Unternehmen bereits einen Anstieg um fast 35 Prozent festgestellt.

Insgesamt waren es laut Xeneta im Januar 117.000 TEU. Die Größeneinheit TEU steht für Twenty-foot Equivalent Unit, also 20-Fuß-Standardcontainer, und wird international zur Beschreibung der Ladekapazitäten von Schiffen sowie des Umschlags im Containertransport verwendet. Ein Jahr zuvor, im Januar 2023, waren auf derselben Route gerade einmal 73.000 TEU umgeschlagen worden. Das in Oslo ansässige Unternehmen Xeneta, das sich selbst als die weltweit größte Marktanalyse- und Benchmarking-Plattform für Schiffs- und Luftfrachtraten bezeichnet, arbeitet mit den Daten von Container Trades Statistics.

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Handel zwischen Mexiko und China der „wahrscheinlich am schnellsten wachsende Handel auf dem Planeten Erde“

Ein solch starker Anstieg innerhalb so kurzer Zeit ist ungewöhnlich. Auch Peter Sand, Chefanalyst von Xeneta, ist sich sicher, dass die Zahlen nicht nur auf die gestiegene Nachfrage chinesischer Produkte in Mexiko zurückzuführen sind. In der Xeneta-Pressemitteilung äußert er vielmehr eine Vermutung: „Ein beträchtlicher Teil der auf dem Seeweg nach Mexiko gelangenden Waren wird wahrscheinlich per Lastwagen in die USA transportiert.“

Hintergrund sei, dass der „derzeit wahrscheinlich am schnellsten wachsende Handel auf dem Planeten Erde“ zwischen China und Mexiko im Zusammenhang mit den Handelsschranken der USA steht; die Zunahme also darauf zurückzuführen sei, „dass Importeure versuchen, die US-Zölle zu umgehen“. Alles in allem, so Xeneta in seiner Mitteilung, müsse also davon ausgegangen werden, dass sich der südliche Nachbar der USA zu einer „Hintertür in die Vereinigten Staaten“ entwickelt habe.

Der Außenminister Chinas Wang Yi und die Außenministerin Mexikos Alicia Barcena bei einem Treffen in Peking, 2023.
Der Außenminister Chinas Wang Yi und die Außenministerin Mexikos Alicia Barcena bei einem Treffen in Peking, 2023.Xinhua/imago

Andere Zahlen, die in den letzten Wochen Aufsehen erregten, erhärten die These. So veröffentlichte das Handelsministerium der Vereinigten Staaten Zahlen im Februar seine aktuellen Zahlen. Aus diesen geht hervor, dass Mexiko im vergangenen Jahr China als wichtigstes Herkunftsland von amerikanischen Importen abgelöst hat. Demnach stieg der Wert der von den USA aus Mexiko importierten Waren zwischen 2022 und 2023 um fünf Prozent auf mehr als 475 Milliarden US-Dollar. Der Wert der Einfuhren aus China sank hingegen um 20 Prozent auf 427 Milliarden.

Auch dahinter stehen die zunehmend verhärteten Fronten im Handelskrieg zwischen Washington und Peking. Im Jahr 2018 verhängte die Regierung des damaligen Präsidenten Donald Trump Zölle auf eine ganze Reihe chinesische Importe. Die Begründung: Pekings Handelspraktiken verstoßen gegen die globalen Handelsregeln. Sein Nachfolger, der aktuelle Amtsinhaber Joe Biden, hielt die Zölle auch nach seinem Amtsantritt im Jahr 2021 aufrecht. Die Systemkonkurrenz mit der Volksrepublik vereint Demokraten und Republikaner.

Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und USA erlaubt zollfreie Einfuhr von Waren

In der Folge sahen sich amerikanische Unternehmen gezwungen, ihre Lieferketten neu aufzuziehen – durchaus gefördert von der Politik. So rief die Regierung Biden die Konzerne wiederholt dazu auf, statt in China in „verbündeten Ländern“ nach Zulieferern zu suchen, oder die Produktion direkt in die Vereinigten Staaten zurückzuholen. Die Lieferprobleme während der Corona-Pandemie verschärften die Notwendigkeit, die Lieferketten zu „diversifizieren“ und auf Partner im nahen Ausland zu setzen.

Davon profitierte insbesondere Mexiko. Neben seiner geografischen Lage als direkter Nachbar der USA hat das Land für Unternehmen den Vorteil, dass die Löhne relativ günstig sind. Besonderes Gewicht hat jedoch die Freihandelszone zwischen Mexiko, den USA und Kanada (USMCA). Das Abkommen erlaubt die weitreichend zollfreie Einfuhr von Produkten aus mexikanischer Produktion.

Diese Vorteile haben auch chinesische Unternehmen für sich entdeckt. Bereits Anfang 2023 hieß es in der New York Times, „Dutzende große chinesische Unternehmen“ investierten „aggressiv in Mexiko“. Sie errichteten „nach dem Vorbild japanischer und südkoreanischer Unternehmen“ Fabriken, „die es ihnen ermöglichen, ihre Produkte als ‚Made in Mexiko‘ zu kennzeichnen und sie dann zollfrei in die Vereinigten Staaten zu transportieren“.

LKW an einem Grenzübergang von Mexico zu den USA.
LKW an einem Grenzübergang von Mexico zu den USA.ZUMA Press/imago

Zahlen belegen, dass die Direktinvestitionen aus der Volksrepublik in Mexiko zunehmen. Allein zwischen 2011 und 2021 stieg das Volumen von 38 auf 286 Millionen US-Dollar. Die Investitionen zielen insbesondere in das verarbeitende Gewerbe. Besonderes Aufsehen erregten in den vergangenen Monaten Investitionen in die Montage von Computern und Servern von Lenovo, Baumaschinen von Lingong Heavy Machinery oder Möbel von Man Wah. Der chinesische Elektronikkonzern Hisense begann bereits 2022 mit der Herstellung von Kühlschränken und anderen Haushaltsgeräten für den US-Markt in einem 260 Millionen Dollar teuren Werk in Mexiko.

USA fürchten in Mexiko chinesische Autobauer als Konkurrenz

Besonders die Möglichkeit, dass in Mexiko produzierte Elektroautos chinesischer Autobauer den amerikanischen Markt „überschwemmen“ könnten, sorgt in letzter Zeit für große Aufregung. So drohte der Präsidentschaftskandidat Donald Trump vor wenigen Tagen, er werde in Mexiko hergestellte Autos mit 100 Prozent Zöllen belegen. Zuvor hatte er noch von „nur“ 50 Prozent Zöllen gesprochen. Während einer Kundgebung in Dayton, Ohio, drohte er dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Bezug auf „diese großen Monster-Autofabriken, die Sie gerade in Mexiko bauen“: „Sie denken, dass sie das bekommen – keine Amerikaner einstellen und das Auto dann an uns verkaufen. Nein.“

Mexiko verfügt bereits über eine große Autoindustrie. Die Automobilunternehmen JAC Motos und SAIC Motor haben bereits Montagewerke in Mexiko errichtet oder planen den Bau solcher Werke. Im Februar kündigte der größte chinesische Autokonzern BYD an, in Mexiko jährlich 150.000 Fahrzeuge bauen zu wollen.

Auch wenn diese offiziell für den mexikanischen Markt bestimmt sind – in den Vereinigten Staaten erhöhen derlei Ankündigungen die Sorge vor der Konkurrenz. Elektroautos aus chinesischer Produktion kosten im Durchschnitt ungefähr die Hälfte derjenigen, die in den USA hergestellt werden. Die Volksrepublik produziert derzeit bereits mehr als 50 Prozent der weltweit fertiggestellten Wagen.

Trump hat für den Fall seiner Wiederwahl unlängst einen härteren Kurs gegen chinesische Produkte angeküdigt.
Trump hat für den Fall seiner Wiederwahl unlängst einen härteren Kurs gegen chinesische Produkte angeküdigt.Barbara J. Perenic/imago

Auch Vertreter der Biden-Regierung warnten zuletzt davor, dass China den amerikanischen Markt mit günstigeren Fahrzeugen überschwemmen könnte. So zeigte sich Energieministerin Jennifer Granholm Anfang März „sehr besorgt darüber“, dass China „enorme Summen investiert, um sich zu bereichern“. Im Februar hatte das Handelsministerium der USA eine Untersuchung eingeleitet, ob der Import chinesischer Fahrzeuge ein „Risiko für die nationale Sicherheit“ darstelle. Grund dafür sei die Sorge vor dem Einsatz von Technologien zur Vernetzung der Autos.

Ein Sieg von Trump würde China-Handel mit Mexiko stärken

Doch nicht nur chinesische Autos und Autoteile möchte Trump hoch besteuern. Bei einer Wahlkampfveranstaltung im Februar erklärte der Präsidentschaftskandidat, alle chinesischen Waren mit 60 Prozent oder mehr zu bezollen. Auch alle anderen Importe sollten einen Zoll von zehn Prozent aufweisen. Anfang März bekräftigte er, er „glaube fest an Zölle“.

Ein möglicher Wahlsieg Trumps bei den Präsidentschaftswahlen im November würde die bereits jetzt stattfindenden Prozesse also höchstwahrscheinlich weiter beschleunigen. So zitierte der amerikanische Sender CNBC den CEO der Asiensparte von DHL, Niki Frank, mit der Prognose, jede Erhöhung der Zölle werde zu einer weiteren Verlagerung des Handels weg von China nach Mexiko führen.

Auch Chris Rogers, der für S&P Global zu Lieferketten forscht, erklärte dem Sender, „der Handel findet einen Weg“. Zölle seien „nur ein weiteres Hindernis“, sie führten letztlich nur dazu, dass sich der Handel verlagere. Paul Brashier von ITS Logistics erklärte gegenüber demselben Medium, Trump müsse sich entscheiden: „Man kann nicht sowohl China als auch Mexiko als Feind haben.“ Er glaube, „dass Mexiko die Zukunft gehören wird“.

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