Open Source

Die Öffentlich-Rechtlichen brauchen echte Staatsferne: Schaffen wir sie!

Die Einrichtung eines Zukunftsrates für ARD und ZDF ist gut, doch fehlt die Stimme des Bürgers und Beitragszahlers. Ein Gastbeitrag.

Wie staatsfern ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk?
Wie staatsfern ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk?imago images

Im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst wurde zum Thema Reformbedarf des öffentlichen Rundfunks im Bayerischen Landtag getagt. Die Bürgerinitiative Leuchtturm ARD leistete einen Diskussionsbeitrag zur fehlenden Ausgewogenheit und Staatsferne des ÖRR. Der Redebeitrag von Jimmy Gerum im Bayerischen Landtag vom 10. Mai 2023 im Wortlaut.

Sehr geehrte Abgeordnete,

ich bin Gründer der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD ORF SRG.

Für uns ist die Idee des öffentlichen Rundfunks von unschätzbarem Wert für die Zukunft der Demokratie und für unser kulturelles Selbstverständnis.

Deshalb sind wir so scharfe Kritiker, wenn wir erkennen müssen, dass die Grundsätze dieser Werte zunehmend schwerwiegend verletzt werden. Nämlich konkret die Vielfalt der Meinungen, die Ausgewogenheit und die Staatsferne, die laut Paragraf 26 Medienstaatsvertrag und laut Paragraf 5 Grundgesetz vorgeschrieben sind. Eine zunehmende Verletzung seit Jahrzehnten, nicht erst seit der Corona-Krise.

Infobox image
privat
Zum Autor
Jimmy C. Gerum, geboren 1964 in Garmisch-Partenkirchen, ist ein renommierter Kinofilmproduzent. Zu seinen Erfolgen zählen das Action-Abenteuer „Cascadeur – Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer“ von 1998 und das epische Abenteuer „So weit die Füße tragen“ von 2001. Darüber hinaus war er als Produktions- und Herstellungsleiter bei Filmen wie „Der Todmacher“, „Nach fünf im Urwald“ und „Die Wand“ tätig. Nach seiner Karriere in der Filmindustrie hat sich Gerum intensiv mit Geschichte, Geopolitik, Philosophie, Soziologie und Psychologie beschäftigt. Im Januar 2022 gründete er die Bürgerinitiative Leuchtturm ARD mit dem Ziel, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland zu erneuern. Die Gruppe organisiert sogenannte Medienmahnwachen vor den Sendern und ist im Dialog mit mehreren ARD-Anstalten. Beim NDR fanden bereits zwei Gespräche auf Leitungsebene statt, und es besteht ein schriftlicher Austausch mit dem ARD-Vorsitzenden und dem Intendanten des SWR, Kai Gniffke. Am 10. Mai 2023 hat Gerum eine Rede bei einer Anhörung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Bayerischen Landtag gehalten.

Für diese Anhörung habe ich eine Schweizer Studie durchgearbeitet, die das Angebot des öffentlichen Rundfunks in 18 Ländern in Europa und Übersee vergleicht. Generell kann man sagen, dass alle 18 Konstruktionen dieselben Vorzüge und guten Absichten in sich tragen, aber in einer ähnlichen Weise versagen bei der Toleranz gegenüber den unterschiedlichen Weltanschauungen.

Wenn wir hier also ernsthaft über den wahren Reformbedarf des Bayerischen Rundfunks oder des deutschen öffentlichen Rundfunks im Allgemeinen reden wollen, dann ist dieser Fragenkatalog zum internationalen Vergleich dafür gänzlich ungeeignet.

Denn die Reform, die wirklich nötig ist in der ernsten Lage, in der sich die Welt und unsere Kultur und unsere Zivilisation aktuell befinden, erfordert die beispiellose Vision eines öffentlichen Rundfunks, mit dem wir global betrachtet eine mit nichts vergleichbare Vorreiterrolle einnehmen sollten.

Nämlich den historisch und weltweit ersten öffentlichen Rundfunk zu schaffen, der unabhängig kontrolliert und für jeden transparent eine vielfältige, ausgewogene und staatsferne Weltanschauung erhält. Insbesondere ist es unsere Aufgabe, den Irrglauben abzulegen, dass die bestehenden Kontrollinstanzen und Rechenschaftspflichten der unterschiedlichen Gremien ausreichen würden.

Die fehlende Ausgewogenheit kann nur durch einen unabhängigen und kompetenten Blick von außen eingeordnet werden, deshalb sollte dringend der offene und faire und selbstkritische Diskurs darüber gesucht werden.

Die notwendige Staatsferne erfordert eine Selbstverwaltung und eine staatsunabhängige und gemeinnützige Ausrichtung, die nicht nur ihren umfassenden Informationspflichten nachkommt, sondern vor allem ihrer Kontrollfunktion gegenüber Regierung und Staatsapparat.

Die Einrichtung eines Zukunftsrates für ARD und ZDF im März 2023 ist grundsätzlich zu begrüßen, jedoch findet sich in seiner Zusammensetzung weder die Stimme der Beschäftigten noch die Stimme des Bürgers und Beitragszahlers. Kein Wunder, denn die verantwortliche Rundfunkkommission der Länder ist exekutivlastig und kann in keinster Weise als staatsfern bezeichnet werden.

Es ist dringend geboten, einen Interessenverband der Rundfunkteilnehmer und Beitragszahler zu beteiligen, der den wertvollen Blick von außen endlich beitragen kann.

Die Schlüsselworte für eine erfolgreiche Reform zum 100-jährigen Jubiläum des Rundfunks im Oktober 2023 sind Mut und Aufrichtigkeit und ein Ende der Denkverbote in einem Dialog auf Augenhöhe.

Hannah Arendt sagte, was nützt uns die Meinungsfreiheit, wenn uns die Informationen fehlen. Für eine gesunde Demokratie in Deutschland brauchen wir den aufrichtigen politischen Willen, die medialen Grundlagen zu schaffen für eine vielseitig informierte und mündige Bevölkerung, die erst durch diese Mündigkeit Verantwortung übernehmen kann für die Zukunft einer selbstbestimmten und gemeinwohlorientierten Gesellschaft.

Es liegt in unseren eigenen Händen, die notwendigen Grundlagen dafür zu schaffen.

Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag freien Autorinnen und Autoren sowie jedem Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.

Dieser Beitrag unterliegt der Creative Commons Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0). Er darf für nicht kommerzielle Zwecke unter Nennung des Autors und der Berliner Zeitung und unter Ausschluss jeglicher Bearbeitung von der Allgemeinheit frei weiterverwendet werden.

Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de