Heizungsdebatte

Wie konnte Habeck das übersehen: Als die Wut in den Heizungskeller kam

So langweilig der Name Gebäudeenergiegesetz klingen mag, schlummern darin gesellschaftliche Traumata und Spaltung. Wie konnte Robert Habeck das übersehen?

Das Image des wohlig-wärmenden Feuers hat ausgedient.
Das Image des wohlig-wärmenden Feuers hat ausgedient.imago stock&people

Wer schon einmal ein Holzscheit auf ein Kaminfeuer gelegt hat, weiß um die soziale Dimension der Wärmeerzeugung. Es geht nicht einfach nur darum, im Winter die Bude warm zu bekommen. Über den sorgsam in der Glut abgelegten Scheit vermittelt sich sogleich die soziale Funktion, das Feuer nicht ausgehen zu lassen. Es ist gewiss kein Zufall, dass die metaphorische Bedeutung des Satzes „Der Ofen ist aus“ ohne weiteres als existenzielles Scheitern verstanden wird. Die Glut zu erhalten, ist indes eine Gemeinschaftsaufgabe. Das Feuer galt einmal als Anfang von allem.

Im postfossilen Zeitalter werden derlei Betrachtungen nur noch als gefährliche Verklärung wahrgenommen. Wo das Feuer noch brennt, ist der soziale Friede in Gefahr. Das Gebäudeenergiegesetz birgt, anders als der bieder-umständliche Name es vermuten lässt, gesellschaftliche Traumata und Spaltung.

Wie die Depression aus Verantwortung und Initiative entstand

Die Soziologen im Lande sind alarmiert. In der TV-Sendung „Anne Will“ aktualisierte Steffen Mau anlässlich der Diskussion über das Entscheidungsdilemma in deutschen Kellern seine These von der Veränderungserschöpfung, der zufolge die Anpassungsbereitschaft der Menschen nach mehreren überstanden geglaubten Krisen – Finanzen, Flüchtlinge, Corona – umschlägt in Abwehr und Wut. Sein Hamburger Kollege Sighard Neckel sprach im ARD-„Morgenmagazin“ vom Veränderungsstress, unter dem die allgemeine Zustimmung zum Klimaschutz angesichts konkreter Maßnahmen schwinde. Beide würden es gewiss nicht von sich weisen, wenn man ihre Wortwahl auf eine Studie des französischen Soziologen Alain Ehrenberg zurückführt, der bereits 2005 das sogenannte erschöpfte Selbst ins Visier nahm. Hatte Sigmund Freud seinerzeit herausgefunden, dass die Menschen auf ihre Versuche, zu autonomen Subjekten zu werden, verstärkt mit Neurosen reagieren, so war Ehrenberg aufgefallen, dass das 21. Jahrhundert als Zeitalter der Depression beschrieben werden kann. Gestern, so Ehrenberg, verlangten die sozialen Regeln Konformismen im Denken, wenn nicht Automatismen im Verhalten, heute indes fordern sie Initiative und mentale Fähigkeiten. Die Depression, so Ehrenberg, „ist die Krankheit einer Gesellschaft, deren Verhaltensnorm nicht mehr auf Schuld und Disziplin gründet, sondern auf Verantwortung und Initiative.“

Was soll falsch daran sein, hat sich Wirtschaftsminister Robert Habeck gedacht, in Bezug aufs Heizen daran anzuknüpfen. Nun singt er den Veränderungsblues.