Kommentar

Ritt auf der Rasierklinge: Frieden schaffen mit noch mehr Waffen

Deutschland liefert den Flugabwehrpanzer Gepard und alle rüsten munter weiter hoch. Das ist nicht nur riskant, sondern muss unbedingt beobachtet werden.

Flugabwehrpanzer Gepard – hier in einer Sonderfarbe lackiert
Flugabwehrpanzer Gepard – hier in einer Sonderfarbe lackiertdpa

Nun wird es der Gepard. Deutschland liefert eine mittlere zweistellige Zahl dieser Flugabwehr-Panzer an die Ukraine, wie das Verteidigungsministerium mitteilt. Der autonome, hochmobile, allwetterkampffähige Flak-Panzer aus dem Hause Krauss-Maffei Wegmann, wie es in der Beschreibung heißt, darf ins Kriegsgebiet verkauft werden. Ein Gerät, entwickelt in den 1970er-Jahren, um tieffliegende feindliche Flugzeuge und Kampfhubschrauber abzuschießen. Vergleichsweise einfach zu bedienen, drei Mann Besatzung, Fahrer, Richtkanonier, Kommandant.

Damit ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erst mal Druck losgeworden. Er hat den ständigen Forderungen nach schweren Waffen für die Ukraine aus dem Land selbst, aber auch von Bündnis- und Koalitionspartnern, der CDU in der Opposition und einer Menge selbst ernannter neuer Militärexperten in Gesellschaft, Politik und Medien nachgegeben. Scholz hat sich einen Schritt weiter bewegt, auch wenn es hier immer noch um Defensivwaffen geht. Aus der Zwickmühle ist er deshalb noch lange nicht raus. Wie wir alle.

Natürlich ist es richtig, die Ukraine zu unterstützen. Das Leid der Menschen dort ist entsetzlich und muss aufhören. Der Aggressor Putin darf sich mit seiner Gewalt nicht durchsetzen. Das würde allem widersprechen, was wir für gut und richtig befinden, und möglicherweise wirklich die nächsten Nachbarn und vielleicht sogar uns selbst als leichte Beute preisgeben. Gleichzeitig bleibt aber auch richtig, was Scholz immer wieder sagt, die Nato-Länder dürfen nicht direkt eingreifen. Eine Eskalation und Ausweitung des Krieges muss unter allen Umständen verhindert werden. Leider widersprechen sich diese beiden Ziele und das, was moralisch geboten wäre, muss nicht unbedingt strategisch klug sein. Scholz’ viel gerügte Zaghaftigkeit, seine Schritt-für-Schritt-Taktik, ist so gesehen wahrscheinlich das Beste, was uns passieren kann. Uns, das heißt Deutschland und Europa. Die Ukraine hat selbstverständlich eine andere Perspektive.

Es gibt darüber hinaus aber noch etwas anderes zu bemerken. Der Ukraine-Krieg und die Waffenlieferungen aus einer Vielzahl von Ländern fallen in eine Phase immenser Aufrüstung. Im vergangenen Jahr haben Staaten, allen voran die USA, China, Russland, zusammen genommen mehr als 2000 Milliarden Dollar ins Militär investiert, wie es in einer Aufstellung des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hieß, die am Montag vorgestellt wurde.

Und das war nicht das einzige Jahr. Die Rüstungsausgaben stiegen das siebte Jahr in Folge. Betrachtet man einen längeren Zeitraum, ist sogar ein weltweites Hochrüsten seit dem Ende der 90er-Jahre zu sehen. Auch auf atomarer Ebene wurde aufgerüstet, in China, Indien und Pakistan sogar deutlich. Das ist wirklich gruselig. Die Erinnerungen an die Nachkriegszeit bis zum Ende der 80er-Jahre sind noch frisch. Der Kalte Krieg, diese ständige Bedrohung einer gegenseitigen Auslöschung, das möchte sicherlich niemand in der Bevölkerung gerne zurückhaben.

Angesichts dieser Entwicklungen stellte sich schon bisher die Frage, warum es eigentlich keine ernst zu nehmende Gegenbewegung gibt. Auf bundespolitischer Ebene hält allein die schwächelnde Partei Die Linke ihre pazifistische Position weiter aufrecht. Und angesichts des Ukraine-Kriegs wird sie wohl auch relativ allein bleiben. Wehrlosigkeit passt gerade nicht in die Zeit und ein Verbot von Rüstungsexporten, wie von der Linken gefordert, ist mit dem moralischen Dilemma behaftet, gleichzeitig die Ukraine im Stich zu lassen.

Es ist also eher zu befürchten, dass dieser Krieg die allgemeine Aufrüstung weiter befeuern wird. Bis zum nächsten Krieg. So absurd es vielleicht angesichts des fortwährenden Mordens an der ukrainischen Zivilbevölkerung derzeit klingen mag, wir brauchen eine Perspektive über diesen Krieg hinaus. Internationale Abkommen zur Rüstungskontrolle sollten verstärkt werden. Auch in diesem Punkt brauchen wir Aufrüstung.