Für die Mega-Transfers von Weltfußballern wie Karim Benzema, Cristiano Ronaldo und Neymar da Santos Silva Júnior gibt es zwei einfache Erklärungen. Die eine folgt der Farbe des Geldes. Es ist nach wie vor verführerischer, der großen Zahl zu huldigen als Ruhm und Schulterklopfen. Der finanzielle Sog war im modernen Fußball seit jeher groß. Schon in den späten 1970er-Jahren zogen Pelé, Franz Beckenbauer und andere es vor, ihrem Karriereende gut vergütet jenseits der großen Ligen in New York entgegenzusehen. Es erleichtert den Abgang erheblich, wenn er von Geld und Glamour begleitet wird. Im Systemfußball unserer Tage werden verdiente Fußballhelden schnell zur Last. Zu selbstbewusst, zu langsam, inkompatibel.
Die zweite Erklärung ist politischer Natur und kommt nicht selten als moralischer Vorwurf daher. Das saudische Regime unter dem von der Beauftragung politischer Morde nicht zurückschreckenden Mohammed bin Salman, so war zuletzt vielfach zu hören, wolle mit Milliardeninvestitionen in den heimischen Fußball ablenken von der prekären Lage der Menschenrechte in dem religiös-autokratischen Erdölimperium Saudi-Arabien.
Es geht auch um eine neue Sichtbarkeit
Ganz falsch ist das nicht, aber man sollte dabei den Zungenschlag des saudischen Botschafters in den USA nicht überhören, der in Washington zu Protokoll gab: „Bei saudischen Sportinvestitionen geht es um uns, nicht darum, wie andere uns sehen.“ Daraus spricht ein Selbstbewusstsein, das längst nicht mehr nur auf den Förderquoten fossiler Ressourcen und der daraus resultierenden wirtschaftlichen Macht beruht. Spätestens seit der Winterweltmeisterschaft 2022 in Katar ist deutlich geworden, dass es einen riesigen Echoraum gibt, in dem Leistung, Erfolg und Sichtbarkeit begierig nachgefragt werden. Fußball ist noch immer ein großer Transformator von Träumen, und in den Regionen der Welt will man sich nicht länger mit Fernsehübertragungen aus der Premier League abspeisen lassen.
Trotz dramaturgischer Zuspitzungen hat die international produzierte Fernsehserie „Das Netz“, in der das Fußballgeschäft aus verschiedenen Perspektiven als mirakulöser Krimi inszeniert worden ist, eindrucksvoll auf jene verbrecherische Energie verwiesen, mit der etwa afrikanische Talente für die gefräßige Maschinerie des europäischen Fußballs ausgebeutet werden. Und so niederschmetternd es sein mag, wie skrupellos der Fifa-Chef Gianni Infantino das dubiose Machterhaltungssystem seines Vorgängers Joseph Blatter verfeinert hat, führt er trotz einer erheblichen Portion Eigennutz doch vor Augen, dass die Verbände in aller Welt auf gleichberechtigte Teilhabe drängen.
Der europäische Fußball hat nicht nur die Schleusen geöffnet für den Zufluss des Geldes aus oligarchischen und emiratischen Quellen. Auf beschämende Weise ist es versäumt worden, die sozialen Ressourcen des Sports als kulturelle Kraft zu entwickeln. Das Abdriften des ehemaligen deutschen Fußballnationalspielers Mesut Özil in das rechtsradikale Milieu der türkischen Grauen Wölfe wirkt wie ein Fanal dieses Versagens. Tatsächlich hat sich Özil, der bei der Plattform Instagram über rund 30 Millionen Follower verfügt, weitgehend von der Gunst herkömmlicher Öffentlichkeiten emanzipiert. Was hierzulande als trauriger Fall von Desintegration diskutiert wird, ist zugleich ein Paradebeispiel für die Bedeutung des Fußballs innerhalb des hegemonialen Kampfes um Macht und Aufmerksamkeit. Die saudischen Investitionen in Fußballstars mit nahendem Verfallsdatum jedenfalls scheinen nicht bloß auf das Vorhaben beschränkt, die lokale Liga zwischen Mekka und Riad als Markenartikel fit zu machen für die träge Selbstbezüglichkeit europäischer Fans.




