Meinungsfreiheit

Nach Rushdie-Attentat: Die Freiheit des Wortes muss eine gemeinsame Sache sein

Nach dem Terror gegen Charlie Hebdo gab es viel Solidarität. Jetzt erklärt der deutsche PEN Salman Rushdie zum Ehrenmitglied. Das Attentat ist eine Mahnung.

Salman Rushdie hält eine Rede beim Mississippi Book Festival im August 2018.
Salman Rushdie hält eine Rede beim Mississippi Book Festival im August 2018.AP/Rogelio V. Solis

Es gibt jetzt Stimmen, die sagen, Salman Rushdie hätte gewarnt sein müssen. Die Todesdrohung, die vom iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini im Februar 1989 an die muslimische Welt gerichtete Fatwa gegen ihn, wurde nie offiziell aufgehoben.

Und wie zur Bestätigung lobten am Sonnabend iranische Medien den Messerangriff auf Salman Rushdie, noch bevor Genaueres über die Motive des Attentäters bekannt war.

Nach Jahren des Versteckens und des strengen Polizeischutzes hatte sich Salman Rushdie seine alltägliche Normalität wieder erkämpft. Ihm ist es wichtig, nicht nur der Autor des Romans „Die satanischen Verse“ zu sein. Seine jüngsten Werke wie „Golden House“ und „Quichotte“ zeigen ihn als wachen, mit den Mitteln der literarischen Moderne bestens vertrauten Schriftsteller, der den gesellschaftlichen Wandel und die Gefährdungen der Demokratie im Blick hat. Er hat sich nicht zum Schweigen bringen lassen.

Rushdies persönlicher Sieg

Das war nicht nur sein persönlicher Sieg über die religiösen Fanatiker, die ihm nach dem Leben trachteten, die sein Buch verbrannten, Verlage bedrohten, einen Übersetzer töteten. Rushdies öffentliche Auftritte waren jedes Mal ein symbolischer Akt für die Freiheit des Wortes. Es muss möglich sein, als Schriftsteller Meinungen zu vertreten, die Anhängern bestimmter politischer oder religiöser Richtungen nicht passen.

Der Angreifer ließ sich bei einer ersten Anhörung vor Gericht durch seinen Anwalt als nicht schuldig erklären. Die Staatsanwälte nannten den Angriff vorsätzlich und gezielt. Salman Rushdie hat das Attentat überlebt. Wir wissen noch nicht, wie gut er sich davon erholen kann. Der Fall ruft den Anschlag auf die Redaktion der französischen Zeitschrift Charlie Hebdo 2015 in Erinnerung, als elf Personen getötet wurden. Weltweit zeigten sich Menschen betroffen und kämpferisch, weil sie dies als Angriff auf ein Grundrecht verstanden.

In einem Akt der Solidarität hat das PEN-Zentrum Deutschland Salman Rushdie zu seinem Ehrenmitglied ernannt. Das lässt daran denken, wie der neue PEN Berlin an seinem Gründungstag dem inhaftierten Whistleblower Julian Assange die Ehrenmitgliedschaft antrug. Er nahm auch gleich den russischen Schriftsteller Dmitry Glukhovsky auf, der in seinem Land zur Fahndung ausgeschrieben ist, weil er den Krieg gegen die Ukraine kritisiert. Das lässt die Frage absurd erscheinen, wie viele solcher Organisationen es nun hierzulande geben soll oder gar darf.

Die PEN-Charta verpflichtet

„Der PEN steht für den Grundsatz eines ungehinderten Gedankenaustauschs innerhalb einer jeden Nation und zwischen allen Nationen, und seine Mitglieder verpflichten sich, jeder Art der Unterdrückung der freien Meinungsäußerung in ihrem Lande, in der Gemeinschaft, in der sie leben, und wo immer möglich auch weltweit entgegenzutreten“, heißt es in der PEN-Charta.

Im Juli veröffentlichte der internationale PEN seinen Bericht für das Jahr 2021. Entführt und ermordet wurden Dichter in Myanmar, PEN-Mitglieder in Afghanistan, ein Verleger im Libanon, nach wie vor sind Schriftstellerinnen und Schriftsteller in China, der Türkei, Brasilien, Ägypten, dem Iran und Kuba in Gefängnissen Repression ausgesetzt. Das PEN-Zentrum in Belarus wurde geschlossen und arbeitet im Exil weiter.

Nicht Salman Rushdie hätte gewarnt sein sollen. Die Zivilgesellschaft sollte die Warnung verstehen, wachsam bleiben und dabei jene unterstützen, die sich wie Rushdie für die Freiheit des Wortes einsetzen.