Gesundheit

Arznei-Mangel: Wir brauchen keine lächerlichen Vorschläge, sondern eine Reform!

Ein Flohmarkt von Medikamenten unter Nachbarn? Unser Autor hält von dieser Idee herzlich wenig. Er sagt, was sich im Gesundheitswesen ändern muss.

Alles schön bunt hier: eine Ansammlung an Tabletten. Medikamente in Deutschland werden knapp.
Alles schön bunt hier: eine Ansammlung an Tabletten. Medikamente in Deutschland werden knapp.dpa/Wiedl

Rund 1,2 Milliarden Euro setzt das deutsche Gesundheitswesen um. Pro Tag. Die Pharmabranche kommt dabei auf gut 157 Millionen Euro, ebenfalls pro Tag. Das sind gewaltige Summen, die von Steuer- und Beitragszahlern aufgebracht werden. Kaum jemanden aber interessiert hierzulande, was mit diesem Geld passiert. Es sei denn, er, sie oder Angehörige hängen selbst auf einer hoffnungslos überfüllten Rettungsstelle fest und fragen sich verwundert, wie das sein kann, da sie doch gesetzlich oder privat versichert sind. Andere werden stutzig, weil sie monatelang auf einen Termin beim Facharzt warten, damit die Bandscheibe oder der Meniskus nicht mehr schmerzt. Oder die gewohnte Arznei ist nicht lieferbar. Und schlimmstenfalls verstirbt ein Angehöriger ohne Beistand.

Nicht erst seit der Corona-Pandemie offenbart das deutsche Gesundheitssystem Konstruktionsfehler. Nicht erst in den vergangenen knapp drei Jahren kommt es dazu, dass Patienten sechs, acht, zehn Stunden in einer Notaufnahme festsitzen. Nicht erst seit der Infektionswelle zu Beginn dieses Winters werden Medikamente knapp, gibt es Engpässe bei Präparaten für bestimmte Erkrankungen, für Kinder zumal. Es war bisher dem Einsatz aller Beteiligten zu verdanken, der Ärzte, Pflegekräfte, Apotheker, dass dieser Mangel nicht zu schwerwiegenderen Problemen führte. Sie kämpfen gegen eine Krankheit an, die Ökonomisierung des Gesundheitswesens heißt. Seit langem.

Ausgerechnet eine Frage, die so nahe liegt, körperlich wie früher oder später auch zeitlich, berührt uns, die Gesellschaft, so wenig. Es geht um Leben und Tod, aber uns, die wir uns ausreichend versichert glauben, interessiert das nicht. Wir lassen stattdessen Lobbygruppen entscheiden, was mit uns passiert, wenn es im wahrsten Sinn den Wortes um unsere Existenz geht, begeben uns in die Hand von Krankenkassen, Klinikkonzernen, der Pharmaindustrie. Und lassen uns höchstens aufschrecken aus unserer Es-wird-schon-gutgehen-Lethargie durch absurde Vorschläge wie jenem des Präsidenten der Bundesärztekammer, Klaus Reinhard, der unter Nachbarn einen Medikamenten-Flohmarkt einrichten möchte, um den Mangel zu beherrschen. I declare this basar open – für einen herausragenden Funktionär des Gesundheitswesens ist das ein Offenbarungseid.

Krankenhaus-Reform: Die Großen überleben, die Kleinen gehen drauf?

Dieser Tage wird eine Krankenhaus-Reform diskutiert, sie soll im Frühjahr verabschiedet werden. Wieder handelt es sich um eine Debatte, die Interessengruppen untereinander führen. Medial assistiert, gefällig kommentiert. Im Kern hilft diese Reform vermutlich eher großen Einheiten, Unikliniken zumal. Ob sie auch den Patienten hilft, ob sie ein System unter finanziellem Dauerdruck entlastet, erscheint fraglich.

Niemand wird ernsthaft dafür plädieren, dass sich Patienten an Rettungsstellen, Apotheken, Arztpraxen festkleben. Die „Letzte Generation“ taugt nicht als Vorbild, in vielerlei Hinsicht. Doch nach der aktuellen Krise darf das Thema Gesundheit nicht wieder von der Tagesordnung verschwinden, muss in der Öffentlichkeit präsent bleiben. Jeder Einzelne sollte sich dafür interessieren. Oder künftig den Mund halten, wenn es im Krankenhaus mal wieder länger dauert.