Laut, aggressiv, ätzend, rücksichtslos, berserkerhaft, radikal, wütend – so lauteten zum Wochenende einige der Attribute in den Nachrufen auf den im Alter von 82 Jahren gestorbenen Saxofonisten Peter Brötzmann. Das waren nicht gerade schmeichelnde Adjektive, und doch schienen sie den bullig wirkenden Menschen Brötzmann überaus liebevoll zu charakterisieren.
Die Musik, die er machte, ist irgendwann mit dem Verb „brötzen“ bezeichnet worden, das oft wie ein maschinenhaft-stotterndes Lärmen daherkam, jegliche Formgebung abwehrend, um doch irgendwie zu klanglicher Gestalt zu gerinnen. Vielleicht ist das das falsche Wort. Brötzmann war ja kein Vertreter einer musikalischen Molekularküche, die auf Essenz drängt. Bei ihm ging es ums Abreißen, Aufbäumen, Umstürzen. Durch Dauer, Dynamik und Bewegung aber führte er die Töne, die er seinem Instrument, dem Basssaxofon entriss, schließlich doch einem ästhetischen Verständnis zu.
Wie das sein kann und welchen Eindruck so etwas auf Hörer macht, hat der Schriftsteller Friedrich Christian Delius in seinem kurzen, 2019 erschienenen Erzählband „Die Zukunft der Schönheit“ beschrieben. Er handelt vom Besuch eines Konzertes des Free-Jazzers Albert Ayler Mitte der 60er-Jahre in New York. Auf Ayler wurde in fast allen Nachrufen auf Peter Brötzmann verwiesen, den jener noch einmal radikalisiert habe.
Die Destruktion der Musik und die Kriege der Zeit
Für Delius war bereits die Tonerzeugung Aylers erschütternd genug. Widerwillig wohnt er dem Konzert bei. Und um ihm überhaupt etwas abzugewinnen, hielt er sich an die Beobachtung des Publikums, das bereits mit der Musik vertraut zu sein schien. Delius meint, den zeitgenössischen Besuchern anzusehen, dass sie auf die eine oder andere Weise mit den Kriegen der Zeit, Korea und Vietnam, befasst gewesen seien. Und ganz allmählich wird die abweisende Härte des zunächst unerträglichen Sounds zu einer lehrreichen Klangerfahrung, die die Destruktionskräfte auf die Spitze zu treiben scheint, um so eine andere soziale Wirklichkeit hörbar zu machen. Dissonanz als Erweckungserlebnis.



