Es sind keine guten Nachrichten für Menschen in Deutschland, die zum Arzt, zum Therapeuten oder ins Krankenhaus müssen. Für alle Menschen also, früher oder später. Der Etat des Bundesgesundheitsministeriums schrumpft um mehr als 65 Prozent von rund 64 auf 21 Milliarden Euro. So steht es in einer Kabinettsvorlage. Dabei ist die Corona-Pandemie noch nicht vorüber, wie Minister Karl Lauterbach (SPD) selbst betont. Und eine andere Krise zieht herauf. Steigende Preise für Energie und eine hohe Inflation setzen das Gesundheitssystem massiv unter Druck. Dem wird es nur mit staatlicher Hilfe standhalten können.
Anders als andere Branchen nämlich lässt sich in diesem System der Daseinsfürsorge die finanzielle Last nicht abfedern, indem zusätzliche Kosten an die Kunden weitergereicht werden, an die Patienten also. An den Krankenhäusern lässt sich das gut erkennen. Ihre Leistungen vergüten die Krankenkassen nach festen Gebührensätzen, sogenannten Fallpauschalen, auch DRG genannt.
Für die Investitionen wiederum kommen die Bundesländer auf. Sie sind zumindest gesetzlich dazu verpflichtet, haben sich in der Vergangenheit aber nicht daran gebunden gefühlt. Allein in Berlin mit seinen 60 Kliniken ist so ein Investitionsstau von rund zwei Milliarden Euro aufgelaufen, der jetzt allmählich abgebaut werden soll. In Zeiten sprunghaft steigender Zinsen und Baukosten ein schwieriges Unterfangen.
Ausgesprochen schwierig ist es auch für die Krankenhäuser, ihre Ausgaben über Behandlungen zu finanzieren. Denn wie schon in Hochzeiten der Corona-Pandemie müssen planbare Operationen zurückgestellt werden. Diesmal liegt das nicht am hohen Patientenaufkommen, sondern am Personalmangel, der sich durch Infektionen mit Sars-CoV-2 verstärkt. Die Einnahmen für die zum Teil lukrativen Eingriffe fehlen im Budget der Kliniken.
Reform der Fallpauschalen: 20.000 Stellen sind bedroht
Wie so oft treten Systemfehler während Krisen besonders deutlich zutage. Die Grundidee der Fallpauschalen mag sinnvoll sein. Jedenfalls wurden sie vor zwei Jahrzehnten eingeführt, um für Transparenz zu sorgen bei der Vergütung von Leistung. Sie sollen die Krankenkassen und Beitragszahler finanziell entlasten, auch wenn sie in der Praxis zu mehr wirtschaftlich als medizinisch motivierten Eingriffen verleiten mögen. Inzwischen wurde das DRG-Konzept derart oft korrigiert, dass selbst Experten kaum noch durchblicken.
Dieser Prozess läuft immer noch. Seit 2020 werden die Kosten für Personal, das am Patientenbett arbeitet, aus den Fallpauschalen herausgerechnet. Die Pflege soll damit gestärkt werden. Nun aber plant die Bundesregierung, dies teilweise rückgängig zu machen. Nur noch Fachkräfte mit einer bestimmten Qualifikation sollen von 2024 an ausgenommen sein, um den neuen DRG-Komplex um 415 Millionen Euro abzusenken. Berechnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft zufolge sind dadurch 20.000 Stellen in Gefahr. Davon betroffen sein könnten zum Beispiel Ergo- oder Physiotherapeuten.
Gleichzeitig plant die Bundesregierung, ein Instrument zur Personalbemessung einzuführen. Ein überfälliger Schritt, der die Beschäftigten in der stationären Versorgung entlasten und Jobs in der Pflege attraktiver macht. Ziel ist es, der Berufsflucht und dem Mangel an Fachkräften entgegenzuwirken. Unklar bleibt jedoch, woher das zusätzliche Personal kommen und wie es finanziert werden soll.
Das System ist komplex. Greift man an einem Punkt ein, wirkt sich dies auch an anderen Stellen aus. Nicht nur im Bereich der stationären Versorgung, der keineswegs in sich geschlossen ist. Da ist zum Beispiel die sogenannte Neupatientenregelung. Sie garantiert seit drei Jahren Praxen, dass die Behandlung von Neupatienten voll vergütet wird, auch wenn sie schon über ihrem Budget liegen. Nach dem Willen der Politik ist damit aber im kommenden Jahr Schluss. Denn die Krankenkassen müssen sparen. Ihr Defizit wird für 2023 mit 17 Milliarden Euro veranschlagt.
Kassenärzte warnen vor schlechterer Versorgung
Den Praxen wiederum fehlen dann insgesamt rund 400 Millionen, doch nicht nur deshalb laufen Kassenärzte dagegen Sturm. Sie warnen davor, dass sich die medizinische Versorgung verschlechtert. Und Klinikmanager fürchten, dass in ihren Rettungsstellen der ohnehin große Andrang weiter zunimmt. Die Beschwerden der Patienten lösen sich schließlich nicht per Kabinettsbeschluss auf.



