Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik von Bundesminister Karl Lauterbach (SPD) sind am Mittwoch tausende Arztpraxen in Deutschland geschlossen geblieben. Der Virchowbund und weitere Unterstützer der Kampagne „Praxis in Not“ riefen für die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr zu deutschlandweiten Streiks auf. Gestreikt wurde am Mittwoch unter anderem in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg und Bremen, aber auch in kleineren Städten und auf dem Land.
„Wir geben unseren Medizinischen Fachangestellten in dieser Zeit frei - als Dankeschön für ihre harte Arbeit und als Ausgleich, weil sie bis heute keinen staatlichen Corona-Bonus erhalten haben“, heißt es in dem Aufruf. Der Protest soll unter anderem Aufmerksamkeit auf die Lage von Medizinischen Fachangestellten im Land lenken. „Leider unterstützt die Politik lieber Beamte und Verwaltungsangestellte als jene, die direkt die Bürgerinnen und Bürger versorgt haben“, kritisiert der Bundesvorsitzende des Virchowbunds laut einer Pressemitteilung. Die Medizin werde „kaputtgespart“, die Arztpraxen würden „ausgeblutet“, so auch der Vorwurf der Berufsverbände an die Politik.
Der Mindestlohn für Pflegehilfskräfte liege mittlerweile höher als der Tariflohn gelernter Medizinischer Fachangestellter. Es sei nicht verwunderlich, dass Arztpraxen immer mehr ihres Fachpersonals verlieren würden.
Arztpraxen-Streik: Ambulante Versorgung zehn Tage eingeschränkt
Die dreitägige Praxisschließung führe mit den Feiertagen davor und danach dazu, dass die ambulante Versorgung ganze zehn Tage nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen werde. „Wir brauchen so ein Signal, damit auch der letzte Schreibtischtäter in den Ministerien und Kassenbüros versteht, was auf dem Spiel steht, wenn wir die ambulante Versorgung weiter so ausbluten lassen wie bisher.“
Wer in der Zeit medizinische Hilfe benötigt, kann sich an die Kassenärztlichen Vereinigungen wenden. Diese unterhalten einen Not- und Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116 117.
Virchowbund: Lauterbach habe auf bisherige Proteste nicht reagiert
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hatte den angekündigten Streik kritisiert, da dieser aus seiner Sicht vor allem alte und schwache Menschen trifft. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach zeigte kein Verständnis für den Ärzte-Streik nach Weihnachten und verwies dabei auf die vielen Krankheitsfälle. Lauterbach will sich mit den Hausärzten im Januar zu einem Krisengipfel treffen, um über die beklagte Überlastung und die viele Bürokratie in den Praxen zu beraten.
Der Bundesvorsitzende des Virchowbunds, Dirk Heinrich, verteidigte den Streik der niedergelassener Ärzte. Er beklagte am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“ überbordende Bürokratie. „Hier muss endlich mal der Gordische Knoten durchschlagen werden, damit die Praxen entlastet werden von Dingen, die uns von den Patienten abhalten“, sagte Heinrich. „Denn unsere vordringlichste Aufgabe ist natürlich, sich um die Menschen zu kümmern. Und dafür brauchen wir mehr Zeit und weniger Zeit für Papier.“ Der Bundesvorsitzende rechtfertigt den Streik damit, dass Lauterbach „auf bisherige Protestmaßnahmen nicht reagiert hat“.
Nach Protestankündigung: Einladung zum Krisengipfel erhalten
In vielen Praxen gebe es einen Aufnahmestopp, weil das Geld zur Behandlung fehle, erklärte Heinrich. Viele Ärzte gingen deswegen früher als geplant in Rente. Er bemängelte die Streichung der sogenannten Neupatientenregelung zu Jahresbeginn, die Ärzten seit 2019 besondere finanzielle Anreize bot, damit sie neue Patienten aufnehmen und kurzfristig zusätzliche Termine anbieten. Nun würden für einen Euro an Leistungen für neue Patienten nur noch 70 Cent bezahlt.
Im Januar soll ein Krisengipfel im Bundesgesundheitsministerium stattfinden. Heinrich sagte, er habe die Einladung Lauterbachs „ganz kurz vor Weihnachten erhalten“, nachdem die Verbände die Protestaktionen angekündigt hätten. „Jetzt reagiert der Minister, das scheint nur mit Druck zu gehen“, sagte der Vorsitzende des Virchowbunds. Bereits am 3. Oktober hatten die Ärzte gegen die Gesundheitspolitik demonstriert.
Lauterbach: Kein Verständnis für Ärzte-Streik in Deutschland
„Die Forderungen der Ärzteschaft sind bekannt, sie müssen nicht noch einmal vorgetragen werden, daher braucht jetzt nicht gestreikt werden, insbesondere wo so viele Menschen krank sind“, sagte Lauterbach am Donnerstag dem Sender RBB. Jetzt, wo jeder Zehnte krank sei und die Menschen die Versorgung bräuchten, dürften die ohnehin vollen Praxen nicht schließen.
„Wir müssen eine Reform machen. Das ist über viele Jahre nicht gelaufen“, lenkte Lauterbach ein. „Wir haben zu viel Bürokratie in den Praxen. Daran wird jetzt gearbeitet.“ Zu diesem Zweck hatte der Minister am Mittwoch auf der Plattform X einen Krisengipfel für Januar angekündigt. Vorschläge zu einer notwendigen Entbürokratisierung und einer Honorarreform würden demnach schon seit Monaten vorbereitet.
Die Hausärzte fordern einen Krisengipfel. Die Praxen sind überfüllt, es gibt zu viel Bürokratie. Diesen Krisengipfel werden wir im Januar machen. Vorschläge zur notwendigen Entbürokratisieng und zu einer Honorarreform werden schon seit Monaten vorbereitet https://t.co/kAWHLPAM3J
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) December 20, 2023


