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Ukraine-Krieg: Verluste Russlands wohl auf Rekordhöhe, erneut Hunderte Kinder entführt

+++ Russisches Munitionsdepot zerstört, Dorf an der Saporischschja-Front wohl zurückerobert +++ Gegenoffensive braucht mehr westliche Waffen +++ Alle Infos im Newsblog +++

Ein ukrainischer Soldat der 28. Separatistischen Brigade feuert auf russische Stellungen an der Frontlinie nahe der Stadt Bachmut. 
Ein ukrainischer Soldat der 28. Separatistischen Brigade feuert auf russische Stellungen an der Frontlinie nahe der Stadt Bachmut. Anatolii Stepanov/AFP
DAS IST DIE LAGE IN DER UKRAINE AM SONNTAG
  • Die ukrainischen Streitkräfte setzen am Sonntag ihre Gegenoffensive in mindestens vier Sektoren der Front fort. Dabei erleiden russische Truppen offenbar Rekordverluste.
  • Russisches Munitionsdepot zerstört, Dorf an der Saporischschja-Front wohl zurückerobert 
  • Zahl der Toten nach Staudamm-Zerstörung in Cherson steigt weiter an.
  • Afrikanische Staatschefs haben in St. Petersburg Russland aufgefordert, Friedensgespräche aufzunehmen. 

Russen sollen fast 300 ukrainische Kinder aus Saporischschja entführt haben

Russische Besatzer sollen fast 300 Kinder aus dem Bezirk Berdiansk nahe dem Asowschen Meer im Oblast Saporischschja entführt haben. Das schreibt Iwan Fedorow, Bürgermeister der besetzten ukrainischen Stadt Melitopol, aus dem Exil: „Sie schicken sie nach Russland, 1600 Kilometer weg von zu Hause.“

Laut einer ukrainischen Datenbank sind seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine etwa 19.500 Kinder aus den besetzten Gebieten entführt worden. Der Internationale Strafgerichtshof stellte deshalb im März einen Haftbefehl gegen Russlands Präsident Wladimir Putin aus.

Russische Behörde: Ukraine nimmt Dorf an der Saporischschja-Front ein

Ein Beamter der russischen Besatzungsbehörde bestätigte am Sonntag, dass die Ukraine ein Dorf in der südlichen Region Saporischschja zurückerobert und damit den ersten Sieg an dieser Front seit Beginn ihrer Gegenoffensive Anfang des Monats errungen habe. Darüber berichtet die Nachrichtenagentur Reuters am Sonntagmittag

Wladimir Rogow, so der Name des Beamten, teilte via Telegram mit, die ukrainischen Streitkräfte hätten die Siedlung Piatykhatky eingenommen und verschanzten sich dort unter dem Beschuss der russischen Artillerie. 

Auch der russische Militärblogger Semyon Pegov alias War Gonzo berichtete auf Telegram, dass die russischen Truppen Piatykhatky „aufgegeben“ hätten. Der Autor vermutet, dass die Ukraine große Reserven in dem Gebiet konzentriert haben könnte, vor allem Infanterie, aber auch „schwere gepanzerte Fahrzeuge“, und fragt sich, ob in der Region bald ein größerer Angriff stattfinden wird.

Sollte sich die Einnahme von Piatykhatky bestätigen, wäre dies der erste ukrainische Dorfgewinn seit fast einer Woche und ein deutliches Zeichen für eine offensichtliche Eskalation der Offensive auf dem direktesten Weg zur Krim.

Russisches Munitionsdepot im besetzten Gebiet zerstört

Die ukrainischen Streitkräfte haben in der Nähe der russisch besetzten Hafenstadt Henichesk in der südlichen Region Cherson ein „bedeutendes“ Munitionsdepot zerstört, wie Serhiy Bratchuk, Sprecher der Militärverwaltung von Odessa, am Sonntag mitteilte.

„Unsere Streitkräfte haben am Morgen einen großen und sehr lauten Schlag im Dorf Rykove, in den vorübergehend besetzten Gebieten der Region Cherson ausgeführt“, sagte Bratchuk in einer morgendlichen Videobotschaft am Sonntag.

Ukrainische Medien veröffentlichten Videos, die eine riesige Rauchwolke zeigen, die weit am Horizont aufsteigt, sowie Geräusche von Explosionen und brennenden Geschossen, die in den Himmel fliegen.

Rykove liegt an einer Eisenbahnlinie etwa 20 km von Henitschesk entfernt, einer Hafenstadt am Asowschen Meer im Süden der Ukraine, die seit den ersten Tagen des russischen Einmarsches im Februar 2022 von Kreml-Truppen besetzt ist.

Ukrainischer Offizier warnt vor zu hohen Erwartungen an Gegenoffensive: „Noch ein langer Weg“

Ein an der Front in der Ukraine eingesetzter ukrainischer Offizier hat davor gewarnt, die laufende ukrainische Gegenoffensive mit Erwartungen an ein Kriegsende zu verbinden. „Bis dahin ist es noch ein langer Weg“, sagte der an der Front im Donbass eingesetzte Oberstleutnant Serhij Osatschuk dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) laut Vorabmeldung vom Sonntag. Zum Verlauf der Gegenoffensive in seinem Frontabschnitt äußerte er sich dennoch positiv - die Streitkräfte rückten jeden Tag weiter vor.

Mit Blick auf die laufende Gegenoffensive sagte der Offizier, das Ziel seien keine verlustreichen Kämpfe um jedes einzelne Dorf. Man strebe stattdessen eine Umzingelung russischer Truppen an, damit diese sich aus Angst vor einer Einkesselung großflächig zurückzögen. „Aber ich bin sehr realistisch, ich sehe, was uns gegenübersteht. Da sind russische Divisionen, die sind ebenfalls gut ausgebildet und ausgerüstet. Die haben moderne T-90-Panzer, nicht Museumsstücke vom Roten Platz.“

Britisches Ministerium: Verluste Russlands wohl auf Rekordhöhe

Nach einer Analyse des britischen Verteidigungsministeriums haben die Verluste russischer Truppen im Süden der Ukraine einen neuen Höhepunkt seit der Schlacht um Bachmut erreicht. Demnach haben die ukrainischen Streitkräfte bei ihrer Offensive Fortschritte erzielt – und das in alle Richtungen. Oft seien die Verteidigungsoperationen jedoch auch „relativ effektiv“ heißt es weiter. 

Nato-Generalsekretär warnt vor Scheinfrieden in der Ukraine

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnt vor einem Scheinfrieden in der Ukraine. „Wir wollen alle, dass dieser Krieg endet. Aber damit ein Frieden dauerhaft sein kann, muss er gerecht sein“, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Frieden kann nicht bedeuten, den Konflikt einzufrieren und einen Deal zu akzeptieren, der von Russland diktiert wird. Nur die Ukraine allein kann die Bedingungen definieren, die akzeptabel sind“, fügte der frühere norwegische Ministerpräsident hinzu.

Der Nato-Chef verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass militärische Erfolge auf dem Kriegsschauplatz die Verhandlungsposition der Ukraine stärken würden: „Je mehr besetztes Territorium die Ukraine befreien kann, desto bessere Karten hat sie am Verhandlungstisch, um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen.“

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg
Nato-Generalsekretär Jens StoltenbergVirginia Mayo/AP

Selenskyj dankt Deutschland - Botschafter Makeiev fordert mehr Waffen

„Deutschland, danke (...) für die unveränderte Stärke beim Schutz von Leben vor dem russischen Raketenterror“, sagte Selenskyj. Zuvor hatte allerdings der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, auch darauf hingewiesen, dass sein Land mehr westliche Unterstützung zur Verteidigung gegen Russland brauche. Kiew sei damit zwar gut geschützt, anderswo würden aber mehr Flugabwehrsysteme, gepanzerte Fahrzeuge und Panzer gebraucht. Der Diplomat bekräftigte die ukrainische Forderung nach Kampfjets und Langstreckenmunition. 

Zahl der Todesopfer nach Staudamm-Zerstörung weiter gestiegen

Auch rund anderthalb Wochen nach der Zerstörung des wichtigen Kachowka-Staudamms stieg unterdessen die Zahl der Todesopfer im südukrainischen Gebiet Cherson weiter. Die ukrainischen Behörden melden infolge der verheerenden Hochwasser inzwischen 16 Tote, die russischen Besatzer auf der anderen Seite des Flusses Dnipro 29. Dutzende Anwohner werden noch vermisst. Die Ukraine wirft Russland vor, den Staudamm absichtlich gesprengt zu haben, auch viele internationale Experten halten das für wahrscheinlich. Moskau dementiert das.

Afrikanische Delegation ruft Moskau zu Verhandlungen auf

Bei einem Besuch im russischen St. Petersburg riefen die Vertreter mehrerer afrikanischer Staaten Russland zu Verhandlungen mit der Ukraine auf. „Wir möchten Sie ermutigen, Verhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen“, sagte der Vorsitzende der Afrikanischen Union und Präsident der Komoren, Azali Assoumani, laut Agentur Interfax bei einem Treffen mit Kremlchef Putin. Der südafrikanische Staatschef Cyril Ramaphosa erklärte demnach: „Wir sind davon überzeugt, dass für beide Seiten die Zeit gekommen ist, um Verhandlungen aufzunehmen und diesen Krieg zu beenden.“

Die Delegation, der auch Vertreter aus Ägypten, dem Senegal, Sambia, der Republik Kongo und Uganda angehören, erarbeitete im Zuge ihrer Friedensinitiative eigenen Angaben zufolge einen Zehn-Punkte-Plan. Putin sprach der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge von einem „ausbalancierten Ansatz der afrikanischen Freunde in der Ukraine-Krise“. Die Hoffnung auf Erfolg ist nach fast 16 Monaten russischem Angriffskrieg aber äußerst gering. Vor ihrem Besuch in St. Petersburg war die Delegation am Freitag beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew.

Jens Stoltenberg: „Frieden muss gerecht sein“

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte vor einem Scheinfrieden in der Ukraine. „Wir wollen alle, dass dieser Krieg endet. Aber damit ein Frieden dauerhaft sein kann, muss er gerecht sein“, sagte Stoltenberg der „Welt am Sonntag“. „Frieden kann nicht bedeuten, den Konflikt einzufrieren und einen Deal zu akzeptieren, der von Russland diktiert wird. Nur die Ukraine allein kann die Bedingungen definieren, die akzeptabel sind“, betonte der Nato-Generalsekretär. „Je mehr besetztes Territorium die Ukraine befreien kann, desto bessere Karten hat sie am Verhandlungstisch, um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen“, fügte er hinzu.

Antony Blinken am Sonntag in China

US-Außenminister Antony Blinken traf an diesem Sonntag zu einem zweitägigen Besuch in China ein - seine erste Reise in die Volksrepublik. Für Streit zwischen den beiden Ländern sorgt unter anderem Chinas Unterstützung für Russlands Krieg in der Ukraine.