Ukraine-Krieg

Freigelassener Soldat: Wagner-Söldner entführen und foltern russische Truppen

Oberstleutnant Roman Venevitin berichtet von erbitterten internen Konflikten in Putins Armee. Wagner-Truppen sollen russische Soldaten „wie Sklaven“ gehalten haben.

Jewgeni Prigoschin, Anführer der Söldnergruppe Wagner
Jewgeni Prigoschin, Anführer der Söldnergruppe WagnerAP/dpa

Während Beobachter derzeit vor allem über den Beginn der ukrainischen Gegenoffensive spekulieren, verfangen sich die russischen Streitkräfte offenbar immer weiter in internen Konflikten mit der eigentlich verbündeten Söldnergruppe Wagner. Nun ist ein Video aufgetaucht, auf dem ein zuvor von Wagner-Truppen gefangen genommener russischer Soldat von Misshandlung und Folter durch die Söldner berichtet.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hatte vor einigen Tagen ein Video veröffentlicht, auf dem der russische Oberstleutnant Roman Venevitin zu sehen ist. In einem Verhör gibt dieser – augenscheinlich unter großem Druck – zu, aus „persönlicher Abneigung“ und in betrunkenem Zustand auf verbündete Wagner-Kämpfer geschossen zu haben. Menschenrechtsaktivisten zufolge soll der Mann zu den Aussagen gezwungen worden sein. Nach seiner Freilassung hat sich Venevitin nun zu den Hintergründen des Verhörvideos geäußert.

Venevitin: Russische Soldaten von Wagner „wie Sklaven“ behandelt

Spannungen zwischen Soldaten der russischen Armee und Wagner-Angehörigen habe es schon seit längerem gegeben, erklärt Venevitin in dem Video. So hätten sich Wagner-Truppen wiederholt an russischem Kriegsgerät bedient, unter anderem Panzer und Munition gestohlen. Auch Kidnapping und Folter würden immer wieder vorkommen. Teilweise sollen russische Soldaten von Wagner-Truppen gefangen genommen und als „Arbeitskräfte wie Sklaven“ behandelt worden sein.

In einem Fall sei ein russischer Unteroffizier entführt und in einem „kalten Keller“ gefangen gehalten worden. „Sie folterten ihn mit Hunger und sprühten Säure und andere Chemikalien in seine Augen“, erzählt Venevitin in dem Video. Der Mann sei kurzzeitig erblindet. Ein anderer Soldat habe aufgrund der Misshandlungen und Entwürdigungen durch Wagner-Söldner Suizid begangen. Für diese und weitere Vorfälle gebe es Zeugenberichte. 

Wagner-Chef erhebt Vorwürfe gegen Verteidigungsministerium

Die Wagner-Gruppe erhebt derweil ihrerseits schwere Vorwürfe gegen die russische Armee und deren Kommandeure in Moskau. Vor kurzem sei es zu Vorfällen gekommen, bei denen russische Soldaten auf Wagner-Truppen geschossen und eine Straße in der Nähe von Wagner-Stellungen vermint hätten. Venevitin dementiert diese Berichte in dem Video vom Donnerstag. 

Der Wahrheitsgehalt der jeweiligen Darstellungen lässt sich unabhängig nicht überprüfen. Deutlich wird jedoch, dass ein immer tieferer Graben durch die russischen Besatzungskräfte zu gehen scheint – was wiederum Auswirkungen auf den Erfolg von Wladimir Putins „militärischer Spezialoperation“ in der Ukraine haben könnte.

Auch Wagner-Chef Prigoschin, der lange als enger Freund und Günstling Putins galt, scheint sich laut Beobachtern weiter vom Kreml zu entfernt zu haben. So kritisiert und verspottet der 62-Jährige schon seit Monaten den Zustand der russischen Armee. Im Verteidigungsministerium herrsche „Chaos“, erklärte Prigoschin auf seinem Telegram-Kanal. Man liefere zu wenig Munition und mache falsche Angaben über Verluste in der Ukraine. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu wies die Vorwürfe bislang eher nüchtern zurück.