Geopolitik

Ukrainekrieg: Europa ist ab sofort an den Friedensverhandlungen beteiligt – Kreml empört

Erstmals saßen bei den Ukraine-Gesprächen neben den USA auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit am Tisch. Russland warnt vor Konsequenzen für den bisherigen Dialog.

Der französische Präsident Emmanuel Macron (li.) empfängt den US-Sondergesandten Steve Witkoff (M.) und US-Außenminister Marco Rubio zu einem Treffen im Elysee-Palast.
Der französische Präsident Emmanuel Macron (li.) empfängt den US-Sondergesandten Steve Witkoff (M.) und US-Außenminister Marco Rubio zu einem Treffen im Elysee-Palast.AFP

Zum ersten Mal seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump saßen Europäer beim Thema Ukraine mit am Verhandlungstisch: US-Außenminister Marco Rubio und der US-Sondergesandte Steve Witkoff haben am Donnerstag in Paris mit ranghohen Vertretern Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der Ukraine über Wege zur Beendigung des Krieges beraten. Die französische Präsidentschaft lobte einen „exzellenten Austausch“.

In der kommenden Woche wollen sich Vertreter der beteiligen Länder nach Angaben Frankreichs in London zu neuen Gesprächen treffen. Das alles zeigt, dass Europa mittlerweile mit am Verhandlungstisch sitzt, sagten ranghohe französische Beamte der Nachrichtenagentur Reuters. 

„Wir sind mit einem Ziel nach Paris gekommen: echte, praktische Lösungen zu finden, um den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu beenden“, erklärte Rubio im Onlinedienst X.

Macron telefonierte mit Selenskyj: „Jeder möchte Frieden“

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron empfing Rubio und Witkoff im Elysée zu einem Mittagessen und sprach von einer sehr wichtigen Gelegenheit für eine Annäherung. „Ich denke, jeder möchte Frieden, einen robusten und dauerhaften Frieden“, sagte Macron, der nach Angaben aus Paris auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefonierte. „Wir haben heute in Paris einen positiven Prozess eingeleitet, an dem die Europäer beteiligt sind“, erklärte die französische Präsidentschaft nach einer Reihe von Treffen in Paris.

Bei einer Gesprächsrunde am Vormittag ohne Macron nahmen auch der außen- und sicherheitspolitische Berater der Bundesregierung, Jens Plötner, und der britische Sicherheitsberater Jonathan Powell teil. Aus der Ukraine waren Präsidialamtschef Andrij Jermak, Verteidigungsminister Rustem Umerow und Außenminister Andrij Sybiha angereist.

Jonathan Powell (l-r), David Lammy, ein nicht identifizierter Diplomat, der US-Sondergesandte Steve Witkoff, US-Außenminister Marco Rubio, der französische Außenminister Jean-Noel Barrot, der französische Präsident Emmanuel Macron, sein Berater Emmanuel Bonne, Andrij Jermak, Rustem Umerow, Andrij Sybiha und der deutsche Berater für nationale Sicherheit, Jens Ploetner, sitzen im Elysee-Palast am Konferenztisch.
Jonathan Powell (l-r), David Lammy, ein nicht identifizierter Diplomat, der US-Sondergesandte Steve Witkoff, US-Außenminister Marco Rubio, der französische Außenminister Jean-Noel Barrot, der französische Präsident Emmanuel Macron, sein Berater Emmanuel Bonne, Andrij Jermak, Rustem Umerow, Andrij Sybiha und der deutsche Berater für nationale Sicherheit, Jens Ploetner, sitzen im Elysee-Palast am Konferenztisch.AFP/dpa

Russland wirft Europa vor, den Ukrainekrieg fortsetzen zu wollen

Moskau reagierte auf die Treffen mit Protest. „Leider bemerken wir bei den Europäern den Willen, den Krieg fortsetzen zu wollen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau. Der Wirtschafts-Sondergesandte des Kreml, Kirill Dmitrijew, beschwerte sich über eine unerwünschte Einmischung: „Zahlreiche Länder versuchen, unseren Dialog mit den USA zu stören“, sagte er vor Journalisten. Dieser sei „sehr nützlich“, auch wenn er unter schwierigen Bedingungen stattfinde, sagte er. Dazu zählte er anti-russische „Propaganda“ in US-Medien.

Selenskyj rief seinerseits dazu auf, Druck auf die russischen „Killer“ auszuüben. „Russland nutzt jeden Tag und jede Nacht, um zu töten. Wir müssen Druck auf die Killer ausüben“, erklärte er im Onlinedienst Telegram. Dies müsse geschehen, „um den Krieg zu beenden und dauerhaften Frieden zu garantieren“.

Selenskyj: Trumps Sondergesandter übernimmt die Strategie der Russen

Der ukrainische Präsident warf dem US-Sondergesandten Witkoff zudem die Übernahme russischer Positionen vor. „Ich glaube, Herr Witkoff hat die Strategie der russischen Seite übernommen“, sagte Selenskyj vor Journalisten. „Er verbreitet russische Narrative, ich weiß nicht, ob bewusst oder unbewusst.“

Die hochrangig besetzten Gesprächsrunden am Donnerstag in Paris waren in aller Eile über Nacht organisiert worden. Die Einladungen seien von Paris ausgegangen, hieß es im Elysée. Am Vortag war zunächst nur von einem Zweiertreffen zwischen Rubio und seinem französischen Kollegen Jean-Noël Barrot die Rede gewesen. Dabei sollte sowohl über die Ukraine als auch über die Lage im Iran und im Nahen Osten gesprochen werden.

Witkoff: Putin ist zu einem dauerhaften Frieden bereit

US-Präsident Trump hatte zum Beginn seiner zweiten Amtszeit im Januar Verhandlungen mit Moskau über eine Waffenruhe in der Ukraine eingeleitet, ohne sich dabei mit den europäischen Staaten abzustimmen. Sein Sondergesandter Witkoff hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang April bereits zum dritten Mal getroffen.

Am Montag hatte er erklärt, Putin sei zu einem „dauerhaftem Frieden“ bereit. Entscheidende Fortschritte in den Gesprächen stünden kurz bevor. Russland setzt seine Angriffe auf die Ukraine dessen ungeachtet jedoch mit unverminderter Härte fort.

Parallel zu den exklusiven Verhandlungen der USA mit Russland bemüht Macron sich, eine europäische Antwort auf den Kurswechsel der US-Außenpolitik zu koordinieren. Frankreich und Großbritannien haben gemeinsam die sogenannte Koalition der Willigen geschmiedet, ein lockeres Bündnis von 30 überwiegend europäischen Staaten ohne die USA.

Beide Länder planen auch einen multinationalen Militäreinsatz in der Ukraine im Fall einer Waffenruhe. Diese sogenannte Rückversicherungtruppe sollte nach Angaben des ukrainischen Außenministeriums auch bei den Gesprächen in Paris Thema sein. Moskau lehnt einen solchen Einsatz bislang vehement ab.