Justiz

„Sehr gut, dass geschmacklose Witze straffrei erzählt werden dürfen“: Berliner Gericht spricht „El Hotzo“ frei

Ein Berliner Gericht spricht den Comedian des Vorwurfs der „Belohnung und Billigung von Straftaten“ frei. Hintergrund ist ein Tweet zu Donald Trump.

Comedian und Satiriker Sebastian Hotz alias „El Hotzo“ kommt zum Prozess gegen ihn vor dem Amtsgericht Tiergarten.
Comedian und Satiriker Sebastian Hotz alias „El Hotzo“ kommt zum Prozess gegen ihn vor dem Amtsgericht Tiergarten.Bernd von Jutrczenka/dpa

Noch bevor sich die Tür zu Saal B145 im Amtsgericht Tiergarten öffnet, ist klar: Dieser Prozess ist kein gewöhnlicher. Mehr als vierzig Leute stehen dicht gedrängt vor der Saaltür. Es wird getuschelt, gelacht, gewartet. Plötzlich, wenige Minuten vor Prozessbeginn, taucht er auf. Ein Schauspieler? Ein Politiker? Nein. Der junge Mann, um den es geht, ist ein Internetphänomen.

Sebastian Hotz, in den sozialen Medien als „El Hotzo“ bekannt, schlendert gut gelaunt an der Menschentraube vorbei. „Alles Gute!“, ruft eine junge Frau dem 29-Jährigen hinterher, bevor er den Verhandlungsraum betritt. Hotz dreht sich um, hält inne und entgegnet: „Danke, wir sehen uns in Handschellen.“ Eine Aussage, die der Angeklagte nicht ernst meint. Oder vielleicht doch? Denn Hotz ist Satiriker und weiß um die Wirkung seiner Worte, selbst dann, wenn sie beiläufig klingen.

Das Gerichtsverfahren wurde zur Grundsatzdebatte über Meinungsfreiheit, politische Satire und die Grenzen des Sagbaren in digitalen Zeiten.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: „Billigung von Straftaten“

Es ist ein ungewöhnlicher Fall, mit dem sich die Staatsanwaltschaft seit Juli 2024 beschäftigt. Auf der Anklagebank sitzt kein Straftäter im klassischen Sinne, sondern ein nicht vorbestrafter Autor, der für Jan Böhmermann Gags schreibt und in den sozialen Medien von mehreren Hunderttausend Menschen für seine Beiträge gefeiert wird.

Der Anlass für Hotz’ Erscheinen vor Gericht hat mit Witz wenig zu tun – zumindest nicht für jene knapp 50 Personen, die ihn im vergangenen Jahr wegen der „Billigung von Straftaten“ angezeigt haben. Auslöser war ein Beitrag auf der Plattform X, den Hotz kurz nach dem gescheiterten Attentat auf den damaligen US-Präsidentschaftskandidaten und heutigen Präsidenten Donald Trump veröffentlichte. „Was haben Donald Trump und der letzte Bus gemeinsam? Leider knapp verpasst“, schrieb er und fügte wenig später hinzu: „Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben.“

Geschmacklose Satire oder Hetze? Über diese Frage sollte nun das Amtsgericht Tiergarten in Anwesenheit von fast genau so vielen Journalisten wie anderen Zuschauern entscheiden.

Hotz, laut eigener Aussage „freiberuflicher Autor“, gibt sich betont gelassen. Als die Richterin sich erkundigt, an welchem Ort er geboren wurde, entgegnet der Angeklagte: „Mein Geburtsort? Da komme ich immer mit dem Geburtsort meiner Geschwister durcheinander.“ Er könne auf seinem Personalausweis nachschauen – oder auf Wikipedia. Die Richterin lacht und fährt fort. So wichtig ist es dann wohl nicht.

Anschließend darf sich der Angeklagte zu dem Vorwurf, er habe eine Straftat gebilligt, äußern. Er gibt ein Statement ab, das als eine Art Plädoyer auf das Recht zum Irrtum verstanden werden kann: „Deutschland ist für zwei Dinge bekannt – für sehr schlechten Humor und für Faschisten. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, mich gegen beides einzusetzen.“ Das Internet sei seine Bühne, und „ein Witz bleibt ein Witz“. Es sei offensichtlich, dass er Satiriker sei, so Hotz: „Ich habe das Recht, auch mal danebenzulangen, und ich glaube, es ist sehr gut, dass geschmacklose Witze straffrei erzählt werden dürfen.“

Berlin: Comedian und Satiriker Sebastian Hotz alias „El Hotzo“ kommt zum Prozess gegen ihn vor dem Amtsgericht Tiergarten.
Berlin: Comedian und Satiriker Sebastian Hotz alias „El Hotzo“ kommt zum Prozess gegen ihn vor dem Amtsgericht Tiergarten.Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Sie wertet den Post als strafbare Billigung eines Mordversuchs. Der Beitrag sei nicht eindeutig als Satire erkennbar, sondern geeignet, „den öffentlichen Frieden zu stören“, erklärte Staatsanwalt Marc-Alexander Liebig. Er fordert eine Geldstrafe von 6000 Euro – 40 Tagessätze à 150 Euro. Dabei sei der Zeitpunkt des Trump-Posts entscheidend: In einer aufgeheizten politischen Stimmungslage mit wachsender Gewalt gegen Politiker müsse man Aussagen mit besonderer Verantwortung tätigen. Hotz habe den Post zwar gelöscht, aber erst, nachdem er den ersten Beitrag durch den Zusatz „Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben“ ergänzt habe. Für Staatsanwalt Liebig steht fest: „Er wollte ganz bewusst Empörung auslösen.“

Anschließend hat Verteidigerin Carolin Lütcke das Wort. Wenig überraschend ist sie anderer Meinung. „Die Staatsanwaltschaft täte gut daran, sich nicht vor den Karren von Empörungswellen spannen zu lassen“, sagt Lütcke. Es gehe nicht darum, ob Satire geschmackvoll sei, sondern darum, ob sie strafbar ist. Ihre Antwort: eindeutig nein. „Es handelt sich ganz offensichtlich um Satire und nicht um eine Aufforderung von Gewalt.“ Ihrer Meinung nach habe das auch keiner der mehr als 700.000 Follower „El Hotzos“ missverstanden.

Richterin Andrea Wilms folgt dieser Argumentation. Sie gibt zu, dass sie den Vorwurf von Anfang an für unzulässig hielt und sich dachte: „Das ist doch Satire.“ In ihrer mündlichen Urteilsbegründung lässt sie keinen Zweifel: Der Post sei „für jeden objektiven, verständigen Betrachter“ als satirische Überzeichnung zu erkennen gewesen. Zwar sei die Formulierung hart, aber nicht geeignet, den öffentlichen Frieden in Deutschland zu gefährden. Die Zahl der Anzeigen reiche als Indiz dafür nicht aus.

Die entscheidende juristische Hürde, der bedingte Vorsatz zur Friedensstörung, sei nicht zweifelsfrei belegbar, so die Richterin. Und „ein Gericht darf nicht verurteilen, wenn es zweifelt“. Das heißt: Freispruch. Satire kennt demnach also keine Grenzen. Die Verfahrenskosten übernimmt das Land Berlin. Und Sebastian Hotz? Kommentiert das Urteil mit einem Lächeln auf den Lippen mit den Worten: „Ich werde nie wieder witzig sein.“