Russland

Trotz Ukraine-Krieg: Die meisten westlichen Firmen sind in Russland geblieben

Viele ausländische Firmen haben Russland wegen dessen Angriffs auf die Ukraine verlassen. Die große Mehrheit zögert oder baut die Geschäfte sogar aus. Welche Firmen sind das?

Russland, 20. Oktober 2009: Wladimir Putin, damals Ministerpräsident Russlands, hält eine Rede im Volkswagen-Automobilwerk in der Region Kaluga. 
Russland, 20. Oktober 2009: Wladimir Putin, damals Ministerpräsident Russlands, hält eine Rede im Volkswagen-Automobilwerk in der Region Kaluga. AFP

Hunderte von ausländischen Unternehmen haben gleich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 versprochen oder angekündigt, sich aus Russland zurückzuziehen. Doch nach über einem Jahr nach dem Beginn des Krieges stellt sich heraus: Nur ein Bruchteil davon hat es tatsächlich getan.

Darüber berichtet die US-amerikanische Zeitung The Washington Post (WP) unter Berufung auf mehrere Forschungsgruppen. Für diejenigen, die „trödelten“, sei der Rückzug teurer und komplizierter geworden, heißt es.

Laut Studie aus Kiew haben nur sieben Prozent der Firmen Russland verlassen

Die Kyiv School of Economics (KSE), die 3.141 ausländische Unternehmen im Rahmen ihres Projekts „Leave Russia“ begleitet, berichtet im WP-Artikel, dass sich nur 211 solcher westlichen Unternehmen aus Russland komplett zurückgezogen hatten. Das sind knapp sieben Prozent. Dabei hatten zumindest 468 Firmen im letzten Jahr ihre Pläne angekündigt, Russland zu verlassen. Aber 1.228 Unternehmen würden weiterhin in Russland bleiben, kritisiert der KSE-Projektleiter Andrii Onopriienko. Mehr als 1.200 Firmen würden nach einer Pause oder Reduzierung ihrer Tätigkeiten noch Geschäfte in Russland machen und sich ihre Optionen offen halten.

Laut Forschern der Universität St. Gallen in der Schweiz haben weniger als neun Prozent der Unternehmen aus der EU und den G7-Staaten Russland verlassen. Die Yale School of Management aus den USA hat ihrerseits 1.600 ausländische Unternehmen beobachtet und behauptet, dass 1.022 davon ihren Betrieb aus Russland zurückgezogen oder ausgesetzt hätten und 234 weitere darüber nachdenken würden. Die anderen würden sich die Optionen offen halten. Unterschiedliche Ergebnisse der Studien sind laut der US-Zeitung auf unterschiedliche Methoden zurückzuführen. 

Warum bleiben westliche Unternehmen trotz des Krieges in Russland?

Warum sind so viele Unternehmen trotz ihrer Versprechen in Russland geblieben? Laut der WP sind die verbliebenen westlichen Unternehmen oft stark von ihren russischen Geschäften abhängig, sodass die Verluste im Fall eines Rückzugs aus Russland den möglichen Schaden für ihre Marken wegen der weiteren Geschäfte überwiegen. Etliche Unternehmen hätten sogar einen größeren Marktanteil erobert, nachdem ihre Konkurrenten abgewandert wären. 

Einige Unternehmen, darunter der Automobilkonzern Volkswagen (VW), haben in Aussicht gestellt, russische Vermögenswerte zu verkaufen, müssen aber noch Käufer finden. Die anhaltende Präsenz so vieler Unternehmen habe die von Washington angeführten Bemühungen untergraben, die russische Wirtschaft zu zerschlagen, denn diese Unternehmen würden durch Steuern dazu beitragen, „Russlands Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten“, und es den Russen ermöglichen, „ihren Komfort und ihre Lebensqualität“ aus der Vorkriegszeit aufrechtzuerhalten.

Als Beispiele werden zudem die Unternehmen BMW, Mercedes, Apple und „andere westliche Luxusmarken“ genannt. Produkte dieser Marken seien in Russland weit verbreitet, in einigen Fällen unter Verwendung von „Graumarktimporten“, schreibt die Zeitung. Gemeint werden damit die sogenannten Parallel-Importe über russische Nachbarstaaten.

Der Verkauf von Coca-Cola werde im Land fortgesetzt, jedoch unter einem anderen Namen. PepsiCo habe die Produktion von Getränken Pepsi-Cola, Mirinda und 7-Up zwar eingestellt, stelle aber aus „humanitären“ Gründen weiterhin „Grundnahrungsmittel“ wie Milchprodukte her, kritisiert ein britischer Marktanalytiker. Zwei Fabriken würden in Russland sogar noch Kartoffelchips herstellen, die keine Grundnahrungsmittel seien. IKEA habe Russland zwar verlassen, aber ein anderes Unternehmen des Mutterkonzerns Ingka Group, Mega, betreibe in Russland noch 14 Einkaufszentren. 

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