Deutschland-Besuch

Barack Obama in Berlin: Der bizarre Auftritt des Präsidenten

Der 44. Präsident der USA plauderte über seine „gute Freundin“ Angela Merkel und gab Tipps für Führungskräfte. Der Abend mit ihm war so teuer wie merkwürdig.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama am Mittwoch in Berlin
Der ehemalige US-Präsident Barack Obama am Mittwoch in BerlinMichael Kappeler/dpa

Worauf man sich verlassen kann bei Barack Obama, sind die Witze. Sie handeln entweder von ihm selbst oder seiner Frau und sind nicht überragend lustig oder originell. Aber er weiß, dass er sie ab und an einstreuen muss. Etwa, wenn er gefragt wird, wie es war, in seinem Team zu arbeiten, als er noch der 44. Präsident der USA war. Hat sich da auch mal jemand getraut, ihm zu sagen, dass er sich irrte?

Also erst einmal müsse man verstehen, „ich irre mich nie“, sagt Barack Obama. Es funktioniert. Lachen im Publikum, dann fügt Obama an, nein, das stimme natürlich nicht, man müsse nur seine Frau Michelle fragen, „sie sagt, ich irre mich zehnmal am Tag“. Lachen und Applaus.

Barack Obama ist 61 Jahre alt und seit fünf Jahren nicht mehr Präsident der USA. Am Mittwochabend in Berlin ist er ein Entertainer, der das Publikum in der Mercedes-Benz-Arena in Friedrichshain unterhalten soll. Es ist die letzte von drei Stationen einer kleinen Europatour, Obama ist schon in Zürich und Amsterdam, nun ja, aufgetreten. Sein Programm in Berlin besteht daraus, dass er auf der Bühne sitzt und über dieses und jenes redet. Der Moderator Klaas Heufer-Umlauf stellt zwischendurch Fragen. Obama macht zwischendurch Witze.

Dafür haben die Menschen mindestens 60 Euro gezahlt, vielleicht auch mehr als 100 Euro, vielleicht sogar 501 Euro und zehn Cent. So viel kostete das „Golden Ticket“, das man am Tag vor der Show noch im Internet bestellen konnte, neben einem Sitzplatz in der dritten oder vierten Reihe beinhaltete es ein exklusives Abendessen und ein Willkommensgetränk.

Firmen verschenkten Gratis-Tickets für Obama-Auftritt an Mitarbeiter

Vielleicht haben die Menschen aber auch gar nichts bezahlt. Vor der Mercedes-Benz-Arena stehen am frühen Abend viele Leute, die erzählen, dass ihre Firmen ihnen die Karten für den Abend geschenkt haben. Eine große Gruppe, bestimmt 50 Personen, die ein Gruppenfoto vor der Arena machen, kommt von Zalando, die Büros sind gleich nebenan. Sie gehörten alle zur Schwarzen Community bei Zalando, erzählt ein Mann, der aus Ghana stammt und bei dem Unternehmen arbeitet. Zalando habe sie alle zu der Show eingeladen. Er freue sich sehr, „seinen Präsidenten“ zu sehen, so nenne er Obama gern.

Zwei junge Frauen arbeiten für Sirplus, einen Supermarkt für gerettete Lebensmittel, sie erzählen, dass ihr Chef sechs Karten geschenkt bekommen und sie an seine Mitarbeiter weitergegeben habe. Ein Mann erzählt, er habe sich eine Karte gekauft. Wann habe er schon noch einmal die Chance, diesen Mann zu sehen? Er sei Jahrgang 1998 und mit Obama als Präsident aufgewachsen.

Obama soll 400.000 Dollar für einen Auftritt als Redner verlangen

Wie kommt bei so vielen Freikarten das Honorar für Obama wieder herein? Es soll, älteren Berichten in US-Medien zufolge, bei 400.000 Dollar für einen Auftritt als Redner liegen. Bei dieser Tour soll das Geld an seine Stiftung gehen, heißt es. Wie kam die Tour eigentlich zustande, warum spricht Obama ausgerechnet in diesen drei Städten? Das hätte man gern den Veranstalter gefragt, Expansion.Space, einen Ableger der Berliner Agentur Streetlife, die sonst Konzerte von Rappern oder Popstars organisiert.

Auf die Bitte nach einem Interview bekam die Berliner Zeitung in dieser Woche nur einen Satz per Mail zurück: „Wir sind angehalten, solche Fragen nicht zu kommentieren.“ Auf der Webseite des Veranstalters kann man nachlesen, es handele sich um eine „Plattform für die Alphas und Omegas, die Erleuchteten, die den Wandel vorantreiben und die Menschen bewegen“. Auch da kann man leider nicht fragen, was das bedeuten soll. Der Chef der Agentur Streetlife hat vor dem Auftritt von Obama in Zürich knapp mit der Schweizer Illustrierten gesprochen und erzählt, er habe schon im letzten Jahr „mit der Idee geliebäugelt“, den Präsidenten nach Europa zu holen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts) empfing den früheren US-Präsidenten Barack Obama am Mittwoch zum Mittagessen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts) empfing den früheren US-Präsidenten Barack Obama am Mittwoch zum Mittagessen.Kay Nietfeld/dpa

Es gibt ein Vorprogramm, in dem die Soziologin Jutta Allmendinger und Aktivisten wie Düzen Tekkal über Bildungschancen in Deutschland reden. Die Sängerin Cassandra Steen singt etwas. Der Geiger Nigel Kennedy spielt eine Viertelstunde lang, ein Stück widmet er dem palästinensischen Volk, das um Menschenrechte kämpfe.

Um 20 Uhr kommt endlich Obama. Obwohl man ihn nicht fotografieren darf, gehen viele Handys in die Höhe. Obama trägt Anzug, ein weißes Hemd, keine Krawatte, er sagt, „wunderbar, wieder hier zu sein“, es sei ein toller Tag, er hatte heute schon ein „lovely lunch“ mit Kanzler Scholz. In Amsterdam habe er, „nein, nicht, was Sie jetzt denken“, eine Bootstour unternommen und eine Tulpenzucht besucht. Ein Ruheständler auf Europareise. Er plaudert sich in den Abend hinein, erinnert sich an seine Rede in Berlin im Jahr 2008, „da hatte ich noch kein graues Haar.“

Jetzt ist er komplett ergraut, kann man sagen. Klaas Heufer-Umlauf, der zur gleichen Zeit mit einer Show im Fernsehen zu sehen ist, stellt Fragen, die gewichtig klingen und zugleich ausreichend Platz für vage Antworten bieten. Wohin entwickeln sich die Beziehungen zwischen Europa und den USA? Was ist die Botschaft von Obama an junge Menschen, die sich vor der Klimakrise fürchten? Was kann man gegen die Polarisierung im Internet tun?

Obama sagt, apropos Beziehungen zwischen Europa und den USA, er habe am Vorabend mit einer „guten Freundin“ zu Abend gegessen, „Angela Merkel“. Auch dafür gibt es Applaus. Merkel und Scholz seien zwar nicht in der gleichen Partei, teilten aber Prinzipien, findet Obama nach seinen beiden Essen mit Kanzlerin und Kanzler.

Die Arena hat 17.000 Plätze, ist aber nicht voll belegt. Das Publikum wartet auf jede kleine Pointe. Obama spricht den Namen von Donald Trump nicht aus, sondern nennt ihn „meinen Nachfolger“. Auch das führt zu vereinzeltem Beifall. Obama ist besorgt „über die Spaltung in unseren Gesellschaften“ und findet, „wir müssen für eine Vision kämpfen von einer Welt, in der wir trotz aller Unterschiede gut zusammen leben“. In diesem Stil geht es weiter. Obama sagt Sätze, gegen die niemand etwas haben kann, er sagt sie in seinem typischen, angenehmen Sound, der jede Banalität bedeutsam klingen lässt.

Es gibt ein paar Ratschläge für Führungskräfte, wie Obama selbst eine war. Man müsse die Arbeit ernst nehmen, und nicht sich selbst. Er habe gern die jungen Leute, die nicht mit am Konferenztisch, sondern im Hintergrund saßen, nach ihrer Meinung gefragt. Er habe den Frauen zugehört, auch wenn die von Männern übertönt worden seien, denn er vertraue auf starke Frauen. Wenn alle Länder der Welt zwei Jahre lang von Frauen regiert werden würden, wäre vieles besser.

Die Polarisierung im Netz nennt Obama „eine der größten Bedrohungen der Demokratie“. Als er jung war, habe es nur drei Fernsehsender gegeben. Daran sehe man, wie alt er sei, „ich sehe aber noch gut aus.“ Nun gebe es das Geschäftsmodell von Fernsehsendern und Social-Media-Plattformen, die Menschen so wütend wie möglich zu machen. Es werde auch alles noch schlimmer werden, durch Künstliche Intelligenz und Deepfakes. Er habe solche gefälschten Videos von sich selbst schon gesehen, er sagte darauf Dinge, die er nie gesagt hatte.

Seine echte Botschaft an Menschen, die Angst vor der Klimakrise haben, lautet auf der Bühne in Berlin übrigens: Nicht aufgeben. Jeder Schritt, der dazu beitrage, die fossilen Energieträger zu reduzieren, sei ein Schritt in die richtige Richtung.

Nach genau einer Stunde läuft das Programm auf die Abschlussfrage zu. Obama freut sich, wieder nach Hause zu fahren, seine Frau zu sehen, soll vorher aber noch sagen: Was gibt ihm selbst Hoffnung? „Die nächste Generation“, antwortet Obama. Sie sei so smart, idealistisch, innovativ, umweltbewusst, sie habe Werte, die uns alle retten werden. Er ruft den jungen Leuten in der Halle zu, es sei ein großes Privileg, die Welt besser zu machen. Den Älteren ruft er zu: „Geht aus dem Weg.“ Ein letzter Lacher. Barack Obama erhebt sich aus seinem Sessel, winkt einmal ins Publikum, dreht sich um und geht.