Berichte

Nord-Stream-Anschlag: Ermittler identifizieren gesamtes Kommando – neue Details enthüllt

Alle mutmaßlichen Nord-Stream-Saboteure sind identifiziert. Sechs Ukrainer werden per Haftbefehl gesucht. Recherchen zeigen neue Details zu Pässen und Flucht.

Das vom dänischen Verteidigungskommando zur Verfügung gestellte Foto zeigt das Nord-Stream-2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft.
Das vom dänischen Verteidigungskommando zur Verfügung gestellte Foto zeigt das Nord-Stream-2-Gasleck in der Nähe von Bornholm aus der Luft.Danish Defence Command

Deutsche Ermittler haben nach einem Bericht von Zeit, Süddeutscher Zeitung und ARD sämtliche Mitglieder des Kommandos identifiziert, das im September 2022 die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee sabotiert haben soll. Demnach handelt es sich um sieben ukrainische Staatsbürger. Gegen sechs von ihnen liegen Haftbefehle vor, der siebte – der Soldat Wsewolod K. – soll Ende 2024 bei Kämpfen in der Ostukraine getötet worden sein.

Im Zentrum der Ermittlungen steht der 49-jährige Ukrainer Serhii K., der als mutmaßlicher Koordinator der Operation gilt. Er wurde vergangene Woche in Italien festgenommen, nachdem deutsche Behörden einen europäischen Haftbefehl erwirkt hatten. K. reiste nach Angaben mehrerer Medien mit seiner Frau und seinen Kindern über Polen nach Italien ein – unter seinem echten Namen. Bei der Grenzkontrolle wurde ein Interpol-Treffer ausgelöst. Italienische Carabinieri nahmen ihn schließlich in einem Ferienbungalow nahe Rimini fest. K. leistete keinen Widerstand.

Ein Berufungsgericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Festnahme, über eine mögliche Auslieferung an Deutschland soll im September entschieden werden.

Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft setzte sich das Sabotagekommando aus einem Skipper, einem Koordinator, einem Sprengstoffexperten und vier Tauchern zusammen. Für den Anschlag nutzte die Gruppe die Segelyacht „Andromeda“, die über Vermittler mit gefälschten Dokumenten in Rostock angemietet worden war. Von dort aus stach sie in See und brachte unweit der dänischen Insel Bornholm Sprengladungen an den Pipelines an. Spuren des Sprengstoffs wurden sowohl an den Leitungen als auch an Bord der Yacht festgestellt.

Verdacht auf Unterstützung durch ukrainische Behörden

Die Ermittlungen erhärten zudem den Verdacht, dass die Gruppe den Anschlag mit Unterstützung ukrainischer Behörden ausführen konnte. So sollen die Verdächtigen mit echten ukrainischen Pässen ausgestattet gewesen sein, die jedoch auf falsche Namen lauteten. Damit reisten sie im September 2022 über Polen nach Deutschland ein. Einer der Männer entzog sich einer drohenden Festnahme im Sommer 2024 mithilfe diplomatischer Kanäle: Nach Recherchen der Zeit wurde er in einem Fahrzeug des ukrainischen Militärattachés von Polen in die Ukraine gebracht. Ein anderer Beteiligter, der inzwischen getötete Soldat Wsewolod K., hatte zuvor bei der Bundeswehr im bayerischen Wildflecken eine militärische Ausbildung erhalten.

Die Bundesanwaltschaft äußerte sich zu den Berichten nicht. Sie hatte die Ermittlungen bereits im Oktober 2022 übernommen. Die Sprengsätze hatten die Nord-Stream-Leitungen schwer beschädigt, über die russisches Gas nach Deutschland geliefert werden sollte. Nord Stream 1 war zu diesem Zeitpunkt bereits außer Betrieb, Nord Stream 2 ist nie ans Netz gegangen.