Krieg in der Ukraine

Nato-Hauptquartier für Ukraine-Einsatz kommt nach Deutschland

Die Nato baut ihr neues Ukraine Hauptquartier in Deutschland auf. Es ist unklar, wie Russland reagieren wird. Die BSW-Außenpolitikerin Dagdelen ist besorgt. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg anlässlich eines Arbeitstreffens vor der Presse im Kanzleramt. 
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg anlässlich eines Arbeitstreffens vor der Presse im Kanzleramt. Imago

Das Hauptquartier für den geplanten Nato-Einsatz zur Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte wird in Deutschland angesiedelt. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Bündniskreisen berichtet, ist Wiesbaden als Standort vorgesehen. Dort ist auch die Basis der US-Streitkräfte in Europa, die bislang die Koordinierungsaufgaben wahrnehmen. Geleitet werden soll der Einsatz von einem Drei-Sterne-General, der direkt an den Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa berichtet.

Die Außenpolitische Sprecherin des Bündnis Sahra Wagenknecht im Bundestag, Sevim Dagdelen, sieht die Entscheidung kritisch. Dagdelen sagte der Berliner Zeitung: „Die Einrichtung eines eigenen NATO-Hauptquartiers in Deutschland für die Fortführung des Ukraine-Kriegs führt den sogenannten Friedensgipfel in den Schweizer Bergen vollends ins Absurde. Es ist unverantwortlich, wie Kanzler Scholz und die Ampelregierung Deutschland zunehmend mehr zur Konfliktpartei machen und die Sicherheit der Bürger gefährden statt Verhandlungsangebote aus Moskau auch nur zu prüfen.“

Unklar ist, wie Russland auf diese Entscheidung reagieren wird: Russische Politiker wie etwa Dimitri Medwedew habe in der Vergangenheit mehrfach gesagt, dass sie Staaten, die den Einsatz ihrer Waffen zum Abschuss gegen Russland freigeben, von Moskau als Kriegsziele angesehen werden. Insbesondere wurde eine derartige Drohung in Richtung Großbritanniens ausgesprochen. Medwedew sagte im Januar 2024 laut der türkischen Agentur Anadolu: „Ich hoffe, unser ewiger Erzfeind, das unverschämte Großbritannien, versteht, dass die Stationierung seines offiziellen Militärkontingents in der Ukraine einer Kriegserklärung an unser Land gleichkommt“, sagte er. Zur Rolle Deutschlands bei der Errichtung des Hauptquartiers hat sich der Kreml noch nicht geäußert.

Die Bundesanwaltschaft hatte erst kürzlich laut der Tageschau zwei Deutschrussen in Bayern „wegen des Verdachts der Spionage im Auftrag Russlands festnehmen lassen“. Einem von ihnen werde vorgeworfen, einen Anschlag geplant zu haben. Beide sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Laut Angaben des Generalbundesanwalts gehe es um Sabotageaktionen, die dazu dienen sollten, „die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren“.

Der Operationsplan für den neuen Nato-Einsatz war am Donnerstag vom Nordatlantikrat im schriftlichen Verfahren beschlossen worden. Er wurde dann am Freitag von den Verteidigungsministern bestätigt.

Die Unterstützungsaufgaben werden bislang federführend von den Vereinigten Staaten wahrgenommen. Diese hatten dafür Ende 2022 im Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte im hessischen Wiesbaden eine rund 300 Soldaten starke Einheit mit dem Namen Security Assistance Group-Ukraine (SAG-U) aufgebaut.

Das Nato-Projekt wird als Maßnahme für den Fall einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins US-Präsidentenamt ab Januar 2025 gesehen. Die Nato befürchtet, dass von einem politischen Kurswechsel in Washington auch die Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte betroffen sein könnte.

Nicht beteiligen wird sich an dem neuen Nato-Projekt Ungarn. Die dortige Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban befürchtet, dass das Bündnis durch das Projekt in eine direkte Konfrontation mit Russland getrieben werden könnte. Deswegen waren vor zwei Jahren auch noch zahlreiche andere Nato-Staaten sehr zurückhaltend gewesen. Sie verhinderten eine stärkere Nato-Unterstützung. Im Laufe der Zeit hat sich die Einschätzung aber verhindert und die meisten Nato-Staaten stufen das Risiko als kalkulierbar ein.

Orban dagegen sagte erst kürzlich bei einer Kundgebung in Budapest: „Wir ziehen nicht in diesen Krieg und werden nicht auf fremder Erde für andere Interessen sterben. Ich sage es langsam, damit sie es auch in Brüssel verstehen: Ein drittes Mal wenden wir Ungarn uns nicht gen Osten. Wir haben an der russischen Front nichts verloren. Wir verheizen nicht unsere Jugend, während sich Kriegsspekulanten dumm und dämlich verdienen.“

Um dafür zu sorgen, dass Ungarn nicht den notwendigen Konsens für das Projekt verhindert, wurde dem Land zugesichert, dass es sich weder finanziell noch personell beteiligen muss.

Das neue Projekt wird innerhalb der Militärallianz als „Nato Security Assistance and Training for Ukraine“ (NSATU) bezeichnet. Die meisten Nato-Staaten hatten sich zuvor eigentlich für den Namen „Nato Mission Ukraine“ ausgesprochen. Die Bundesregierung vertrat allerdings den Standpunkt, dass dieser irrtümlich so verstanden werden könnte, dass das Bündnis Soldatinnen und Soldaten in die Ukraine schicken wolle. Sie befürchte laut dpa, „dass der Name von Russland für Propaganda gegen die Allianz genutzt werden könnte“.

Auf Grundlage des vereinbarten Operationsplans können nun die weiteren Vorbereitungen für das Projekt erfolgen. Offiziell gestartet werden soll es im Juli, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die anderen 31 Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten in Washington zu einem Gipfeltreffen zusammenkommen. (mit dpa)