Bundeskanzler Friedrich Merz ist bereit, auch in Deutschland eingefrorenes Vermögen der russischen Zentralbank für die Unterstützung der Ukraine zu nutzen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Rande des EU-Gipfels in Brüssel aus Verhandlungskreisen. Damit kommt Merz einer zentralen Forderung Belgiens nach, Risiken bei einem Zugriff auf russische Staatsgelder auf mehrere EU-Staaten zu verteilen.
Nach Plänen der EU-Kommission sollen die eingefrorenen Vermögenswerte als Sicherheit für Kredite an die Ukraine dienen. In den kommenden zwei Jahren könnten so Darlehen von bis zu 90 Milliarden Euro bereitgestellt werden, langfristig ist ein Volumen von bis zu 210 Milliarden Euro im Gespräch. Russland würde die Gelder dem Konzept zufolge nur dann zurückerhalten, wenn es nach einem Ende des Angriffskriegs Reparationszahlungen leistet.
Der geplante Reparationskredit würde keine Einstimmigkeit erfordern, sondern eine qualifizierte Mehrheit von 15 der 27 Mitgliedstaaten.
Deutschland setzte lange auf Nutzung der in Belgien liegenden Gelder
Bislang hatte Deutschland innerhalb der EU darauf verwiesen, dass vor allem in Belgien liegende Gelder genutzt werden sollten. Dort verwahrt der Finanzdienstleister Euroclear russische Zentralbankvermögen in Höhe von rund 185 Milliarden Euro. In Deutschland sei lediglich ein deutlich geringerer, dreistelliger Millionenbetrag betroffen, hieß es aus Regierungskreisen. Belgien forderte jedoch stets eine Beteiligung weiterer Staaten, um mögliche Vergeltungsmaßnahmen Russlands nicht allein tragen zu müssen.
Belgien warnt vor rechtlichen und finanziellen Risiken sowie vor möglichen Enteignungen europäischer Unternehmen in Russland. Der Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, Matthias Schepp, hatte zuletzt erklärt, deutsches Vermögen von über 100 Milliarden Euro in Russland sei potenziell gefährdet. Deutschland habe deshalb besonders viel zu verlieren.
Wie viel russisches Vermögen liegt in Deutschland?
Wie hoch die in Deutschland eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank genau sind, gibt die Bundesregierung nicht öffentlich an. Bekannt ist lediglich, dass im Zuge der Sanktionen Vermögenswerte im Umfang von rund 3,5 Milliarden Euro eingefroren oder immobilisiert wurden. Darunter fallen auch Auslandswerte der russischen Zentralbank, die einem Transaktionsverbot unterliegen.
Auf EU-Ebene wächst der Druck, noch auf diesem Gipfel eine Entscheidung über die künftige Finanzierung der Ukraine zu treffen. Merz und andere Staats- und Regierungschefs hoffen, dass eine Einigung gelingt. Für den Fall, dass eingefrorene russische Gelder später durch Urteile oder politische Vereinbarungen freigegeben werden müssten, sieht der Kommissionsvorschlag Garantien der EU-Staaten vor. Diese sollen sicherstellen, dass betroffene Finanzinstitute Russland die Beträge umgehend erstatten könnten. Dänemark plädiert dafür, notfalls auch ohne Belgien voranzugehen und spricht von einem Punkt, an dem die EU „anders handeln“ müsse.
Von der Leyen drängt auf Einigung
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich zu Beginn des Gipfels zuversichtlich, dass eine Einigung gelingt. Man werde den Europäischen Rat nicht verlassen, ohne eine Lösung für die Finanzierung der Ukraine für die kommenden zwei Jahre gefunden zu haben, sagte sie in Brüssel.
Aus deutschen Regierungskreisen hieß es am Nachmittag, es gebe Bewegung in den Gesprächen, man sei jedoch noch nicht am Ziel.


