Die Staatsanwaltschaft in Halle hatte Hinweise darauf gehabt, dass die verurteilte Rechtsextremistin Marla-Svenja Liebich nicht wie geplant am Freitag ihre Haft antreten würde. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte der Oberstaatsanwalt Dennis Cernota: „Wir haben erkannt, dass es zweifelhaft ist, dass Liebich sich stellen wird.“ Deshalb seien schon vor Ende der Frist zum Haftantritt „operative Maßnahmen“ eingeleitet worden – jedoch ohne Erfolg. Liebich ist nach Angaben der Polizei weiter flüchtig.
Cernota machte keine Angaben dazu, wie konkret vorgegangen wurde. Liebich hätte die Haft bis vergangenen Freitag um 18 Uhr antreten sollen. Weil die Staatsanwaltschaft daran zweifelte, sei ein sogenannter bedingter Vollstreckungshaftbefehl erlassen worden. Dieser erlaube es, schon vor Ladungsende „aufklärend tätig zu werden“, erklärte Cernota. Liebich sollte die Haft im Frauengefängnis in Chemnitz antreten.
Liebich auf X: „Halte mich auf dem Boden der Russischen Föderation auf“
Derweil sammelt die Polizei Hinweise zu Liebichs Aufenthaltsort. „Wir schauen uns beispielsweise die Social-Media-Kanäle an“, sagte ein Sprecher der Polizeiinspektion in Halle. Auch Hinweise aus der Bevölkerung würden in die Suche nach der flüchtigen Rechtsextremistin einbezogen.
Auf der Plattform X veröffentlicht Liebich weiterhin Beiträge. Am Samstag kündigte sie an, Asyl in den USA beantragen zu wollen. Zuvor hatte sie auf der Plattform X einen offenbar KI-generierten Cartoon veröffentlicht, der sie auf dem roten Platz in Moskau zeigt. Das Bild hat die Überschrift „Liebesgrüße aus Moskau“. Am Samstagnachmittag folgte nun ein weiterer Beitrag: „Ich halte mich auf dem Boden der Russischen Föderation auf, spreche mit kremlnahen Beamten – und gleichzeitig gehen meine Akten über meine Kanzlei an eine Kanzlei in den USA, wo Interesse bekundet wurde. Dort werde ich Asyl beantragen. So geht Dialog zwischen Großmächten“, so Liebich. Ob dies tatsächlich stimmt, ist allerdings unklar.
Nachdem der auf dem Bundesgebiet geltende Haftbefehl erlassen wurde, sei an allen bekannten Adressen überprüft worden, „ob man Liebich dort habhaft werden kann“, sagte der Sprecher. Sollten Bürgerinnen und Bürger Liebich sehen, könnten sie sich an jede Polizeistelle in Deutschland wenden. Werde die verurteilte Rechtsextremistin von Beamten angetroffen, werde sie festgenommen.
Liebich wurde wegen Volksverhetzung verurteilt
Liebich war im Juli 2023 – damals noch als Sven Liebich – vom Amtsgericht Halle wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Die Berufung dagegen scheiterte, ebenso später die Revision.
Anfang dieses Jahres war bekannt geworden, dass Sven Liebich seinen Geschlechtseintrag von männlich auf weiblich und den Vornamen in Marla-Svenja hat ändern lassen. Der Fall fachte die Debatte über das neue Selbstbestimmungsgesetz zuletzt wieder an. Mit dem im November 2024 in Kraft getretenen Gesetz, das das frühere Transsexuellengesetz ablöste, wurden Änderungen des Geschlechtseintrags und des Vornamens deutlich erleichtert.


