Stichwahl

Lula gewinnt hart umkämpfte Präsidentenwahl in Brasilien

Der linke Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat die Präsidentenwahl in Brasilien gewonnen. Jair Bolsonaro hat seine Niederlage bisher nicht eingeräumt.

Luiz Inácio Lula da Silva nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse.
Luiz Inácio Lula da Silva nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse.AP/Andre Penner

Der linksgerichtete frühere Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva hat die Präsidentschaftswahl in Brasilien gewonnen. Die Wahlbehörden erklärten Lula am Sonntag nach Auszählung von fast allen Wahllokalen mit rund 51 Prozent der Stimmen in der Stichwahl zum Sieger der Präsidentschaftswahl. „Dieses Land braucht Frieden und Einheit“, erklärte Lula in São Paulo vor jubelnden Anhängern. Der rechtsradikale Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt 49 Prozent der Stimmen.

Bolsonaro hat seine Niederlage bisher nicht eingeräumt. Ihm nahe stehende Personen hätten nach dem knappen Wahlsieg seines Herausforderers Luiz Inácio Lula da Silva versucht, mit Bolsonaro zu sprechen, aber er sei schon schlafen gegangen, berichtete das brasilianische Nachrichtenportal G1 in der Nacht auf Montag (Ortszeit). Die Angaben ließen sich nicht überprüfen.

Gratulationen aus Moskau und Berlin

Die Bundesregierung erwartet eine friedliche Übergabe des Präsidentenamts in Brasilien. „Wie alle anderen auch sind wir überzeugt, dass da auch eine friedliche Übergabe der Macht ist - so wie das in Demokratien üblich ist“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte Lula über Twitter zur Wahl.

Er freue sich auf eine „enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit Brasilien, besonders in Fragen „von Handel und Klimaschutz“, schrieb Scholz. Nach Angaben von Hebestreit kennen sich Scholz und Lula „schon aus der Vergangenheit“, und insofern blicke der Kanzler einer „guten Zusammenarbeit“ entgegen.

Auch Kremlchef Wladimir Putin hat Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zum Sieg gratuliert. „Die Ergebnisse der Abstimmung haben Ihre hohe politische Autorität bestätigt“, schrieb Putin nach Angaben des Kremls vom Montag. „Ich setze darauf, dass wir mit gemeinsamen Anstrengungen die weitere Entwicklung der konstruktiven russisch-brasilianischen Zusammenarbeit in alle Richtungen sichern.“ Brasilien und Russland arbeiten auch in der Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) zusammen.

Putin, der in Moskau seit mehr als 20 Jahren an der Macht ist, und Lula kennen sich bereits aus früheren Amtszeiten. Russland sieht Brasilien als Partner, weil sich das Land den westlichen Sanktionen wegen Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht angeschlossen hat. Bolsonaro hatte zuletzt vor allem um Lieferungen von Diesel und Düngemitteln aus Russland geworben.

Lula ruft zur Einheit auf

„Die Brasilianer wollen nicht mehr kämpfen“, sagte der 77-Jährige Lula in seiner Siegesansprache. „Niemand will in einem gespaltenen Land leben, das sich in einem Zustand des ständigen Krieges befindet.“ Er ging unter anderem auf die Hungerkrise ein, von der mehr als 33 Millionen Brasilianer betroffen sind. „Heute sagen wir der Welt, dass Brasilien zurück ist“, erklärte Lula und versprach, gegen die Abholzung im Amazonasgebiet vorzugehen.

Der frühere Gewerkschaftschef bekam in der Stichwahl 50,9 Prozent der Stimmen, sein Konkurrent Bolsonaro 49,1 Prozent. Der Amtsinhaber reagierte bisher nicht öffentlich auf das Ergebnis – auch nicht in den Online-Netzwerken, wo Bolsonaro für gewöhnlich sehr aktiv ist. Alle Augen richten sich nun auf ihn – viele Brasilianer befürchten, dass Bolsonaro ähnlich wie der abgewählte US-Präsident Trump eine Wahlniederlage nicht akzeptieren wird. Mit Bolsonaros Niederlage scheitert ein brasilianischer Präsident das erste Mal an der Wiederwahl.

„In jedem Land der Welt hätte mich der unterlegene Kandidat angerufen, um seine Niederlage eingestehen“, sagte Lula vor seinen Anhängern. „Er hat mich immer noch nicht angerufen. Ich weiß nicht, ob er anrufen wird und ob er es eingestehen wird.“ Er führte fort: „Ich wäre gern nur glücklich, aber ich bin zur Hälfte glücklich, zur Hälfte besorgt.“

Brasilien: Wahlausgang von hoher Bedeutung für die ganze Welt

Der Sieg Lulas war von seinen Wählern in manchen Städten wie Rio de Janeiro und São Paulo mit Feuerwerken und Freudenschreien begrüßt worden. Wie Reporter der Nachrichtenagentur beobachteten, feierten Hunderttausende in São Paulos Straßen. „Lula, das ist ein Synonym für Hoffnung, Hoffnung, bessere Tage zu sehen“, sagte die mitfeiernde Lehrerin Alexandra Sitta.

Einige Anhänger Bolsonaros versammelten sich in der Hauptstadt Brasília und weigerten sich, das Ergebnis zu akzeptieren. „Das brasilianische Volk wird eine gefälschte Wahl nicht schlucken und unser Land einem Dieb überlassen“, sagte die 50-jährige Lehrerin Ruth da Silva Barbosa.

Die Wahl hat über Brasiliens Grenzen hinaus erhebliche Bedeutung. Als riesiger Kohlenstoffspeicher spielt das Amazonasgebiet im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel eine wichtige Rolle. Angesichts der angespannten Lage auf dem Energie- und Lebensmittelmarkt wegen des Ukraine-Kriegs ist Brasilien mit seinen enormen natürlichen Ressourcen auch ein wichtiger Handelspartner.

„Eine neue Seite in der Geschichte Brasiliens“

Bald nach Bekanntgabe des Ergebnisses trudelten derweil die ersten Glückwünsche internationaler Politiker ein. „Ich gratuliere Luiz Inácio Lula da Silva zu seiner Wahl zum nächsten Präsidenten nach freien, fairen und glaubwürdigen Wahlen“, erklärte US-Präsident Joe Biden. Er freue sich auf die Zusammenarbeit zwischen den USA und Brasilien.

Der französische Staatschef Emmanuel Macron beglückwünschte Lula zu seiner Wahl, die „eine neue Seite in der Geschichte Brasiliens aufschlägt“. „Zusammen werden wir unsere Kräfte bündeln, um die vielen gemeinsamen Herausforderungen anzugehen und das Band der Freundschaft zwischen unseren Ländern zu erneuern“, schrieb Macron bei Twitter.

Am Wahlsonntag hatten von der Verkehrspolizei eingerichtete Kontrollpunkte für Unruhe gesorgt, welche die Anreise zu Wahllokalen erschwerten. Die Kontrollen fanden im Nordosten des Landes statt, wo Lula besonders starken Rückhalt hat.

Zur Wahl waren mehr als 150 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer aufgerufen gewesen. Bei einer ersten Wahlrunde am 2. Oktober hatte Lula, der bereits in den Jahren 2003 bis 2010 Präsident war, 48 Prozent der Stimmen erzielt, Bolsonaro kam auf 43 Prozent. Der Wahlkampf war in einer extrem polarisierten Atmosphäre geführt worden.