Klimaproteste

Letzte Generation: Berliner Staatsanwaltschaft sieht keinen Verdacht auf kriminelle Vereinigung

Ist die Klimagruppe der Letzten Generation eine kriminelle Vereinigung? An der Frage scheiden sich die Geister. Für die Staatsanwaltschaft Berlin ist der Vorwurf derzeit überzogen.

Polizisten versuchen in Berlin bei einer Straßenblockade der Letzten Generation Carla Hinrichs von der Straße zu lösen. 
Polizisten versuchen in Berlin bei einer Straßenblockade der Letzten Generation Carla Hinrichs von der Straße zu lösen. Paul Zinken/dpa

Die Berliner Staatsanwaltschaft sieht bei der Klimaschutzgruppierung Letzte Generation derzeit keinen Verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaften, Sebastian Büchner, sagte am Mittwoch im RBB-Inforadio, das, was die Letzte Generation und die Klimaaktivisten insgesamt täten, sei quasi ein „dauerhaftes Lästigwerden“.

Die Klimaaktivisten begingen zwar Straftaten, könnten also tatsächlich als kriminell bezeichnet werden. „Aber für diese Idee einer kriminellen Vereinigung muss das Ganze schon terrorismusähnlich, mit einer gewissen Erheblichkeit ausgestattet sein“, sagte der Oberstaatsanwalt. Diese Erheblichkeitsschwelle sei aus Berliner Sicht im Moment noch nicht überschritten: „Aber trotzdem ist es etwas, was natürlich auch angesichts der öffentlichen Debatte einer permanenten Neubewertung unterliegt“, sagte er.

Büchner betonte, die Ziele der Klimaaktivisten seien grundgesetzlich verankert und auch juristisch seien die Proteste nicht ganz einfach zu bewerten. Bei den Delikten handele es sich in der Regel um Nötigung und Widerstand gegen Staatsbeamte.

Staatsanwalt: Klebe-Aktionen zunächst von Versammlungsfreiheit gedeckt

Das Festkleben auf der Straße sei zunächst eine Demonstration, die von der Versammlungsfreiheit gedeckt sei. Strafrechtlich relevant werde es, wenn die Polizei die Versammlung auflöse und die Klimaaktivisten nicht von der Straße weichen können, weil sie sich festgeklebt haben.

Gegen die Letzte Generation laufen strafrechtliche Ermittlungen unter anderem wegen Attacken der Klimaaktivisten auf Anlagen der Raffinerie PCK Schwedt. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt zudem wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Letzte Generation: Landgericht traf keine Aussage zur Erheblichkeit der Taten

Das Landgericht Potsdam hatte zuletzt ebenfalls einen Anfangsverdacht gesehen, dass es sich bei der Letzten Generation um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte. Auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) ließ zuletzt mitteilen, dass er Anhaltspunkte für eine solche Bewertung sehe. „Justizministerin Susanne Hoffmann und ich sind uns einig. Aus unserer Sicht spricht vieles dafür, dass wir es bei der Gruppe Letzte Generation mit einer kriminellen Vereinigung zu tun haben“, erklärte Stübgen. Die Klimaschutz-Aktivisten seien organisiert, trainierten gemeinsam und verabredeten sich zu „kriminellen Aktionen“.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) reagierte zustimmend auf diese juristische Bewertung. „Man kann der Argumentation des Landesgerichts Potsdam in Teilen durchaus folgen“, sagte er. „Es gibt eine Organisation, die dahinter steht, und es gibt eine Verabredung zur Begehung von Straftaten.“ Woidke sagte: „Ich würde dafür plädieren, dass wir auch in diesem Bereich dafür sorgen, dass Recht und Gesetz nicht mit Füßen getreten werden und dass alle sich an die Regeln halten.“

Die Letzte Generation machte am Mittwoch via Twitter darauf aufmerksam, dass das Landgericht Potsdam keine Aussage zur Erheblichkeit der Taten getroffen habe.

Brandenburgs Justizministerin: Motivation bei Tat unerheblich

Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) bezeichnete die Motivation der Klimaschutzgruppe Letzte Generation für Blockadeaktionen als juristisch zweitrangig bezeichnet. „Das Strafgesetzbuch interessiert normalerweise nicht, mit welcher Motivation sie einen Tatbestand verwirklichen“, sagte Hoffmann am Mittwoch. Das sei allenfalls bei der Strafzumessung relevant.

Eine Einstufung als kriminelle Vereinigung würde die Gruppe hart treffen. „Für die rechtliche Bewertung einer kriminellen Vereinigung würde es bedeuten, dass an sich die Mitgliedschaft an dieser Gruppe – also Förderungs- und Beihilfehandlungen – dann strafbar wären“, sagte Ministerin Hoffmann.

Die Gruppe hatte in Brandenburg mit mehreren Aktionen strafrechtliche Ermittlungen auf sich gezogen. Im Herbst 2022 hatten Anhänger der Gruppe im Potsdamer Museum Barberini das Gemälde „Getreideschober“ von Claude Monet mit Kartoffelbrei attackiert. Nach Angaben des Museums war bei der Aktion das Gemälde dank Verglasung und einer speziellen Filzleiste nicht beschädigt worden, wohl aber der historische Rahmen.