Russland oder russische Unterstützer sollen mit Drohnen mögliche Nachschubrouten für westliche Militärgüter an die Ukraine in Ostdeutschland auskundschaften. Das berichtete zunächst die New York Times unter Berufung auf US-Behörden und andere westliche Geheimdienste. Auch die Wirtschaftswoche schrieb von entsprechenden Spähflügen über Häfen, Bahnstrecken und Umschlagplätzen in den neuen Bundesländern.
Nach Einschätzung der US-Quellen soll es Moskau darum gehen, ein genaueres Bild der Lieferketten zu erhalten, über die westliche Ausrüstung und Waffen in die Ukraine gelangen. Ziel sei es demnach, die Verteidigungsstrukturen der Ukraine bei künftigen Angriffen gezielter schwächen zu können. Unklar sei, ob die Drohnen direkt von Russland aus gesteuert oder von Unterstützern vor Ort eingesetzt würden. Die Steuerung sei technisch schwer zurückzuverfolgen, hieß es.
Russische Drohnen über Häfen in Mecklenburg-Vorpommern
Die Wirtschaftswoche berichtete unter Berufung auf deutsche Sicherheitskreise, dass es in den vergangenen Wochen mehrere Beobachtungen gegeben habe – unter anderem über Häfen in Mecklenburg-Vorpommern sowie entlang von Bahntrassen in Sachsen und Brandenburg. Man gehe von gezielten russischen Spähaktionen aus. Zugleich werde das Risiko für ernst gehalten, wenngleich konkrete Beweise für eine direkte Bedrohung bislang fehlten. Fachleute warnten, die Überwachung könne auch eine Vorbereitung für mögliche Sabotageakte oder Cyberangriffe sein.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zeigte sich von den Medienberichten wenig überrascht. „Dass Drohnen auch über Häfen oder Eisenbahnanlagen unterwegs sind, dürfte niemanden überraschen“, sagte er am Donnerstag in Berlin nach einem Treffen mit seiner spanischen Amtskollegin Margarita Robles. Für die Überwachung von zivilem Territorium sei die Bundeswehr jedoch nicht zuständig. „Es gibt nicht so furchtbar viel Handhabe dagegen.“
Pistorius spricht von Katz-und-Maus-Spiel
Der Minister verwies darauf, dass militärische Einrichtungen in Deutschland bereits verstärkt gesichert worden seien, unter anderem durch elektronische Störsysteme und Abfangtechniken. Die Zuordnung, von wo aus Drohnen gesteuert würden, sei oft schwierig. Insgesamt sprach Pistorius von einem „ständigen Katz-und-Maus-Spiel technischer Art“ zwischen Drohnenentwicklern und Abwehrsystemen.
Die Berichte über russische Spähflüge fallen in eine Phase neuer Eskalation im Krieg gegen die Ukraine. Bei den schwersten russischen Luftangriffen seit Ende Juli wurden in der Nacht zum Donnerstag nach Angaben aus Kiew mehr als ein Dutzend Menschen in der Hauptstadt getötet. Raketen und Drohnen trafen Wohnhäuser und Einrichtungen, darunter auch Büros der EU-Delegation. Pistorius verurteilte die Angriffe scharf: Sie zeigten erneut, dass Präsident Wladimir Putin kein Interesse an Frieden oder Waffenruhe habe. „Putin ist ein Imperialist“, sagte der Minister.
EU droht Russland mit Konsequenzen
Während Moskau die Angriffe als gezielte Schläge gegen militärisch-industrielle Anlagen bezeichnete, sprachen westliche Politiker von „Terror und Barbarei“. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer machten Russland für den Tod von Zivilisten verantwortlich. Nato-Generalsekretär Mark Rutte betonte, die Allianz werde alles tun, um die Ukraine weiter zu unterstützen. EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklärte, die Europäische Union werde den russischen Geschäftsträger in Brüssel einbestellen, um offiziell gegen den Angriff zu protestieren. „Kein diplomatisches Büro darf Ziel von Angriffen sein“, sagte EU-Sprecherin Anitta Hipper.


