Der Regisseur Frank Castorf hat mit dem Theaterkritiker der Berliner Zeitung Ulrich Seidler ein Interview geführt. Das Gespräch ist online verfügbar und wird in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung am Samstag, den 10. August 2024, erscheinen. In dem Gespräch schildert der ehemalige Intendant der Berliner Volksbühne seine beruflichen Pläne für die Zukunft, kommentiert seine bevorstehende Inszenierung nach dem Fallada-Roman „Kleiner Mann, was nun?“ im Berliner Ensemble und spricht über eine mögliche neue Intendanz der Volksbühne.
In dem Interview geht es aber auch um gesellschaftspolitische Themen, wie etwa das Erstarken der AfD mit Blick auf die Landtagswahlen in Ostdeutschland. Castorf dazu: „Die AfD ist die Rache des Ostens. Es ist ja auch ein Skandal: Wer leitet die Redaktionen, Theater, Museen, Hochschulen, wer sitzt den Gerichten vor? Christoph Hein hat zutreffend beschrieben, wie die Westprofessoren, die zu Hause keine Posten abbekommen haben, aus der zweiten Reihe in die offene Wunde Ostdeutschlands stießen. Wie die sich unterbringen und in aller Selbstverständlichkeit bereichern wie die ehemalige RBB-Intendantin. Ja, und die Rache löst den pawlowschen Reflex auf der anderen Seite aus. Jetzt will der Westen die Mauer wieder hochziehen. Schnell die AfD-Wähler ausgrenzen und von den Institutionen fernhalten – aber wie soll das gehen, ohne die Wahlkabinen mit Überwachungskameras auszustatten? Und dann sind wir in der DDR plus.“
Castorf äußert sich in dem Gespräch auch über die Demos gegen rechts, die am Anfang des Jahres Politiker wie Olaf Scholz und Annalena Baerbock begleitet haben und die sich unter anderem gegen ein Erstarken der AfD richteten. „Die vielen, die gegen rechts, oder was sie dafür halten, auf die Straße gehen, erinnern mich mehr an die Demonstrationen zum Tag der Republik und zum 1. Mai in der DDR, wo alle Erich Honecker, der tatsächlich bei den Nazis im Zuchthaus in Brandenburg gesessen hat, mit ihren roten Fahnen zugewinkt haben und dann schnell abgebogen sind, um einen schönen freien Tag zu haben. Nach dem Motto: Ich mach, was ihr wollt, aber ansonsten leckt mich am Arsch.“


