Rechtsextremismus

Dritter Weg: Neonazi-Demo eskaliert in Hellersdorf – Video

Der zweite Nazi-Aufmarsch in zwei Wochen: Rechtsextreme ziehen am Samstag durch Hellersdorf. Am Rande gibt es Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten.

Die Neonazi-Demo in Berlin
Die Neonazi-Demo in BerlinBLZ

Erneut marschieren Neonazis in Berlin. Die rechtsextreme Kleinstpartei Dritter Weg hat für Samstag, den 29. März, eine Demonstration in Marzahn-Hellersdorf angemeldet. Nach dem Ende der Demo kommt es in der Nähe der U-Bahn noch zu Rangeleien. Ein Reporter der Berliner Zeitung ist vor Ort.

Etwa 250 Neonazis haben sich am Alice-Salomon-Platz versammelt. Viele tragen den grünen Merch der Partei. Wie erwartet ist viel Polizei vor Ort. Es werden rechtsextreme Parolen wie „Berlin erwache“ gerufen – wohl in Anlehnung an die nationalsozialistische Propagandaparole „Deutschland erwache“. Zwischenzeitlich zeigte sich auch der Parteigründer Matthias Fischer vor Ort, als er mit Streamern sprach. 

Anders als bei der Demo letzten Samstag konnten die Nazis ihren Marsch in voller Länge absolvieren. Gegen Ende gab es ein Handgemenge zwischen Ordnern der Nazis und einer vermummten Person, vermutlich handelte es sich dabei um einen Medienvertreter. Polizisten gingen dazwischen.

Zuvor gab es eine Verhaftung wegen verfassungsfeindlicher Symbole vor Demobeginn und zwei freiheitsbeschränkende Maßnahmen bei der Gegendemo, einmal wegen Widerstandes, einmal wegen Beleidigung. Eine weitere Maßnahme folge nach Demoende, Details sind zur Stunde dazu nicht bekannt. Polizeisprecher Florian Nath zeigte sich insgesamt zufrieden: „Unser Sperrkonzept ist aufgegangen.“

Als die Teilnehmer der Nazi-Demo zum U-Bahnhof begleitet wurden, kam es noch zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei. Ein Mann wurde festgenommen, wie das Video zeigt. Auch normale Fahrgäste strömten aus dem U-Bahnhof, teilweise auch Menschen mit Migrationshintergrund.

Die Neonazis weigerten sich zwischenzeitlich geschlossen abzureisen, die Polizisten setzten Helme auf und drohten unmittelbaren Zwang an. Daraufhin zogen die Demonstranten doch freiwillig ab.

Gegenprotest formiert sich

Von 14 bis 18 Uhr marschieren die Neonazis dann von der Riesaer Straße über die Tangermünde Straße bis zum Alice-Salomon-Platz. Es sind 70 Teilnehmer angemeldet, so die Polizei. Das Motto der Demonstration, „Unsere Alternative heißt Revolution!“, ist zugleich das Motto der Nationalrevolutionären Jugend, der Jugendorganisation der Partei.

Obwohl die Rechtsextremen ihren Aufmarsch kurzfristig anmeldeten, gab es mehrere Gegendemonstrationen. Um 13 Uhr begann eine Demonstration mit dem Motto „Unsere Alternative heißt Solidarität – gegen Neonazis im Kiez!“ mit 400 angemeldeten Teilnehmern. Die Demo zieht von der Carola-Neher-Straße bis zur Riesaer Straße. Auch sind am Samstagnachmittag etwa zehn „Omas gegen Rechts“ vor Ort.

Wie Posts in den sozialen Medien zu entnehmen ist, wollen die Gegendemonstranten den Nazi-Aufmarsch blockieren. An der Ecke Nossener Straße formt sich derweil ein erster, lautstarker Gegenprotest der Antifa. Die Demonstranten rufen Parolen wie „Ganz Berlin hasst den Dritten Weg“ und „Ihr habt den Krieg verloren“. Mehrere Dutzend tragen auch Transparente.

Mit 150 erwarteten Teilnehmern startete um 13.30 Uhr die Kundgebung „Marzahn-Hellersdorf gemeinsam gegen Nazis“ am Alice-Salomon-Platz. Zur gleichen Startzeit zog die Demo mit dem Titel „Hellersdorf Nazifrei“ vom U-Bahnhof Louis-Lewin-Straße bis zum Alice-Salomon-Platz, es sind 50 Teilnehmer angemeldet. Um 14 Uhr startete am Alice-Salomon-Platz die Kundgebung: „Bevor es zu spät ist – Kundgebung gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten“. Insgesamt waren in der Spitze 300 Gegendemonstranten vor Ort.

Die Anreise konnte am Samstag für viele Demonstranten erschwert worden sein, Bus und Tram wurden weiträumig umgeleitet, die U-Bahn fuhr teilweise unregelmäßig. Am Stadtrand bildete sich laut Reporterangaben ein Verkehrschaos.

Nazis wollen zehnjähriges Bestehen feiern

Den sozialen Medien ist zu entnehmen, dass der Hintergrund der Neonazi-Demonstration offenbar das zehnjährige Bestehen des sogenannten Stützpunkts Berlin ist. Die Neonazis gliedern sich deutschlandweit in 24 regionale Ableger. Ihr Schwerpunkt liegt in Süddeutschland. In den vergangenen Jahren konzentrierten sich die Aktionen der Berliner Dependance verstärkt auf Marzahn-Hellersdorf.

Der Dritte Weg wurde 2013 vom bekannten Rechtsextremen Matthias Fischer gegründet und hat ein stark neonazistisches Profil. Bundesweit hat die Partei rund 800 Mitglieder. Die Partei zeichnet sich durch ideologischen Fanatismus aus und steht der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie der gesamten westlichen Moderne feindselig gegenüber, so ist es einem Verfassungsschutzbericht zu entnehmen.

Laut der Bundeszentrale für politische Bildung versteht die Partei sich als radikale Alternative zur Partei Die Heimat, vormals NPD. Die letzte Demo der Partei war am Tag der Deutschen Einheit vor fünf Jahren. In der Zwischenzeit fiel die radikale Partei unter anderem mit „Spaziergängen“ an der deutsch-polnischen Grenze auf, um Migration nach Deutschland gewaltsam zu stoppen. Es kam zu zahlreichen Festnahmen, bei einigen der Neonazis wurden Waffen gefunden.

Dem Verfassungsschutz zufolge handelt es sich bei den Mitgliedern um gewaltorientierte Rechtsextremisten. Die Partei halte ihre Mitglieder daher an, sich in Kampfsport- und Selbstverteidigungstechniken zu üben. Laut Berliner Verfassungsschutzbericht 2023 hat sich die Partei seit der Gründung des Berliner Ablegers 2015 inzwischen zur aktivsten Gruppierung des traditionellen Rechtsextremismus in der Hauptstadt und zum Auffangbecken für aktionsorientierte Rechtsextremisten entwickelt. Sie hat rund 80 Mitglieder in Berlin.

Der Dritte Weg besteht auch nach Einschätzung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) aus „ideologisch gefestigten, militanten Neonazis“, wie ein Mitarbeiter auf Anfrage der Berliner Zeitung sagte. „Viele seiner Mitglieder haben eine lange rechtsextreme Szenekarriere unter anderem in der NPD und verschiedenen Kameradschaften hinter sich.“ Die Partei inszeniere sich als „besonders disziplinierte, geschlossene und professionelle Formation“ innerhalb des aktionsorientierten Rechtsextremismus. „Daraus ist ein Anspruch auf einen elitären Charakter und eine führende Rolle im rechtsextremen Spektrum ableitbar“, so der Mitarbeiter der MBR.

Mehr Neonazi-Demos in Berlin

Zwar setze der Dritte Weg weniger auf Bündnisse und Vernetzung als auf Aktionen und Kampagnen, die mit dem eigenen Personal und nach eigenen Regeln durchgeführt werden. Dennoch ist laut MBR davon auszugehen, dass der Dritte Weg in Berlin über persönliche Bekanntschaften im gesamten rechtsextremen Spektrum vernetzt ist. Über seine Internetkanäle erreiche der Dritte Weg in zunehmendem Maße auch jugendliche Rechtsextreme, die wenig organisiert sind oder 2024 neu aufgetretenen rechtsextremen Gruppierungen angehören.

Während es in den letzten Jahren keine Neonazi-Demos in Berlin gab, kommt es seit Oktober 2024 vermehrt zu rechtsextremen Kundgebungen. Erst vergangenes Wochenende demonstrierten Hunderte Neonazis unter der Führung von Ferhat Sentürk, einem Aachener Ex-AfDler, am Ostkreuz. Ein geplanter Marsch durch Friedrichshain und unter anderem die Rigaer Straße wurde durch massive Gegenproteste verhindert. Es kam zu zahlreichen Festnahmen.

Für die Berliner Polizei dürfte es ein arbeitsintensiver Samstag werden, zeitgleich sind im Stadtgebiet mehrere Demonstrationen und Gegenproteste anlässlich des Al-Quds-Tages angemeldet.