In der Debatte um eine vierte Impfung gegen das Coronavirus hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Freitag der Darstellung widersprochen, er empfehle Menschen unter 70 Jahren eine vierte Dosis. „Ich habe immer darauf hingewiesen, dass derjenige, der jünger ist, mit seinem Hausarzt besprechen sollte, ob eine solche vierte Impfung sinnvoll ist.“ Er habe keine Empfehlung ausgesprochen, teilte der Minister mit. „Alles andere ist der Versuch, Verwirrung zu stiften“, sagte er auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Lauterbach bezog sich auf einen angeblichen Konflikt mit der Ständigen Impfkommission (Stiko), deren Chef Thomas Mertens vierte Impfungen für unter 70-Jährige nach der augenblicklicher Datenlage als unnötig erachtet. Einen solchen Konflikt gebe es nicht, sagte Lauterbach: „Die Zusammenarbeit mit der Stiko hat sich bewährt und wird sich weiter verbessern.“
Persönlich halte er es für ratsam, als älterer Mensch oder Patient mit einer vierten Impfung nicht weiter zu warten, sagte der 59-Jährige, der sich nach eigenen Angaben im März zum vierten Mal hatte impfen lassen und unlängst an Covid-19 erkrankt war. „Wenn ich jünger bin, würde ich neue Impfstoffe abwarten“, sagte Lauterbach. Die Präparate, die an die Omikron-Virusvariante angepasst sein sollen, stünden voraussichtlich vom 28. September an zur Verfügung. Schon am 1. September beschäftige sich die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) mit dem Thema. Die Bundesregierung wiederum werde zeitnah mit einer entsprechenden Kampagne zu Immunisierung der Bevölkerung beginnen. Diese werde derzeit vorbereitet.
Lauterbach verwies darauf, dass die Sommerwelle der Pandemie momentan abklingt. „Wir haben stetig sinkende Fallzahlen, und auch die Sterblichkeit geht zurück, auch wenn sie noch nicht da sind, wo wir sie haben wollen“, sagte er. Zwar mache eine steigende Dunkelziffer die exakte Bewertung der Lage schwierig. Die Inzidenzwerte jedoch seien „im Vergleich zur Vorwoche in allen Bundesländern und allen Altersgruppen“ rückläufig. „Übereinstimmend zeigen diese Daten, dass auch bei schwer verlaufenden Erkrankungen der Höhepunkt der aktuellen Welle überschritten scheint“, sagte Lauterbach. Allerdings seien vor allem über 80-Jährige von schweren Verläufen betroffen.
Erneut präsentierte der SPD-Politiker den Entwurf eines neuen Infektionsschutzgesetzes für den Herbst und Winter, das er in der kommenden Woche mit den Leitern der Staatskanzleien der Bundesländer besprechen will. Auch hier gebe es ein Missverständnis, erklärte Lauterbach. Es sei keineswegs geplant, dass sich die Bürger alle drei Monate gegen Sars-CoV-2 impfen lassen sollten, wie teilweise in der Öffentlichkeit kolportiert. „Das ergibt medizinisch gar keinen Sinn, und ich gehe davon aus, dass auch kein Arzt einen gesunden Menschen alle drei Monate impfen würde.“
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Richtig sei vielmehr, dass Menschen drei Monate nach einer Auffrischungsdosis unter bestimmten Bedingungen keine Maske tragen müssten, in Innenräumen, einem Restaurant etwa auf dem Weg zum Tisch. Die Datenlage würde nämlich darauf hindeuten, dass innerhalb dieser Frist ein Schutz vor Ansteckung mit dem Coronavirus bestehe, danach lediglich ein Schutz vor schweren Verläufen, was immer noch erstrebenswert sei.
Vertreter der Bundesländer wie der Bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatten unterdessen kritisiert, dass der Gesetzentwurf aus Lauterbachs Ministerium keinen Katalog von Grenzwerten festlegt, nach denen Corona-Maßnahmen in Kraft treten sollen. Es sei sinnvoller auf die jeweilige Lage vor Ort zu reagieren, teilte Lauterbach mit. Er sei aber gespannt, welche Vorschläge ihm die Länder unterbreiten würden. „Der Entwurf ist nicht in Stein gemeißelt.“



