Ein Mitglied des Aufsichtsrats der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) brachte es am Mittwoch auf den Punkt. „Sie hat ihre Stärken. Aber sie hat sie nicht genutzt“, lautete die Bilanz. Jetzt soll Eva Kreienkamp nicht länger Chefin des größten kommunalen Nahverkehrsunternehmens in Deutschland sein. Der Aufsichtsrat der BVG beschloss einstimmig, der Gewährträgerversammlung des Landesunternehmens die sofortige Abberufung und Freistellung der Vorstandsvorsitzenden vorzuschlagen. Das wichtigste Gremium der BVG, das vom Senat bestellt wird und in dem mehrere Senatsverwaltungen vertreten sind, hat das Thema am morgigen Donnerstag auf der Tagesordnung.
Zwischen der Diplom-Mathematikerin Eva Kreienkamp, die zum 1. Oktober 2020 von der Mainzer Verkehrsgesellschaft nach Berlin wechselte, und dem Aufsichtsrat der BVG hatte es schon lange gebrodelt. Die Vorstandschefin fühlte sich immer wieder Kritik von Seiten des Gremiums ausgesetzt. Das Aufsichtsratsmitglied nannte am Mittwoch ein Beispiel: „Frau Kreienkamp kann gut und kompetent reden. Aber trotz mehrmaligen Zuredens bemühte sie sich nicht darum, die BVG nach außen darzustellen.“
Dabei sei es für ein Landesunternehmen wichtig, gute Kontakte zu Senatsmitgliedern und in andere Bereiche der Landespolitik zu pflegen. Auch gegenüber Medien habe sich Kreienkamp rar gemacht. Noch seltener sei sie vor Ort in Betriebshöfen, Werkstätten oder anderen Arbeitsstätten der BVG gewesen. „Sie ließ sich nur selten bei den Beschäftigten der BVG sehen“, lautete die Kritik. Das wurde dort negativ registriert.
Kreienkamp sagte BVG noch „langen Weg“ hin zu Diversity voraus
Dass sich bereits in der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am 30. März Ärger ankündigte, hatte aber noch einen anderen Anlass. Kreienkamp und das BVG-Aufsichtsgremium lagen zuletzt unter anderem im Streit, weil die Managerin dem Unternehmen noch einen langen Weg hin zu mehr Toleranz gegenüber queeren Lebensformen bescheinigt hatte. „Es darf nicht passieren, dass Betroffene aufgeben und sagen: Meine Energie ist weg, ich habe keine Lust mehr“, sagte sie vor einigen Wochen der „Süddeutschen Zeitung“. Sie selbst habe es bei ihrem Start bei der BVG im Oktober 2020 überrascht, dass ein Unternehmen im vielfältigen Berlin beim Thema Diversity noch einen langen Weg vor sich habe. Kreienkamp lebt selbst offen homosexuell.
„Diese Äußerungen waren für uns eine echte Überraschung“, sagte das Aufsichtsratsmitglied am Mittwoch. „Frau Kreienkamp hat uns kompromittiert. Die Darstellung ist unglaublich.“ Dabei gebe es nicht weniger als drei Aufsichtsratsmitglieder, die ebenfalls offen lesbisch leben. „Die BVG ist ein Spiegelbild der Gesellschaft und ein Spiegelbild von Berlin. Die Beschäftigten stammen aus mehr als 80 Nationen, viele Religionen sind hier vertreten.“ Manche Mitarbeiter sind lesbisch, andere schwul, bisexuell, transgeschlechtlich oder queer. Natürlich gebe es BVGer, die das skeptisch sehen, hieß es.
Der Eindruck, den Eva Kreienkamp mit dem Interview offenbar erzeugen wollte, sei falsch, bekräftigte das Gremiumsmitglied. Es stimme einfach nicht, dass der BVG-Aufsichtsrat den Vertrag mit ihr wegen ihrer sexuellen Orientierung zum 30. September 2023 beendet hat. „Dieses Interview hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, lautete die Bilanz. „Das ist keine konstruktive Kritik.“ Das Vertrauen sei unwiderbringlich beschädigt, sagte ein anderes Aufsichtsratsmitglied.
„Das hat die Sache nicht besser gemacht“
Die BVG-Chefin hat sich dem Vernehmen nach vor einigen Wochen krank gemeldet, sie nahm am Mittwoch nicht an der Sitzung teil. Der Vorsitzende des BVG-Aufsichtsrats, der scheidende Wirtschaftssenator Stephan Schwarz, habe mehrmals mit ihr gesprochen, hieß es. Zwar nahm Kreienkamp zu ihren Aussagen im Interview schriftlich Stellung. „Aber das hat die Sache nicht besser gemacht“, hieß es.
Erfolglos seien auch Stephan Schwarz‘ mehrmonatige Bemühungen gewesen, mit Kreienkamp einen Auflösungsvertrag abzuschließen. Bis zum Jahresende werde sie ihr Gehalt weiterbeziehen, so der Bericht. Doch wenn die Gewährträgerversammlung dem Vorschlag des Aufsichtsrats folgt, wird die 60-Jährige ihre bisherige Funktion in der BVG schon bald nicht mehr ausüben dürfen.
Als ihr Nachfolger wurde bereits Henrik Falk vorgestellt. Er soll den Posten am 1. Januar 2024 übernehmen. Falk war bereits in verschiedenen Führungspositionen bei der BVG tätig. Unter anderem leitete der studierte Jurist die Rechtsabteilung und die BVG-Beteiligungsholding. (mit dpa)
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