Das Bundesverfassungsgericht hat die Verabschiedung des umstrittenen Heizungsgesetzes im Bundestag in einem Eilverfahren gestoppt. Die zweite und dritte Lesung dürfe nicht in der laufenden Sitzungswoche durchgeführt werden, teilte das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe am Mittwoch mit. Die Fraktionsvorsitzenden der Ampelkoalition wollen am Donnerstag über das weitere Vorgehen beraten, wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dem Spiegel sagte.
„Wir nehmen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis und werden diese Woche im Bundestag nicht mehr entscheiden“, sagte Mützenich. Über das weitere Vorgehen und einen Termin für die zweite und dritte Lesung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) „beraten die Fraktionsvorsitzenden der Ampel am Donnerstag“.
Geklagt hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete und Ex-Justizsenator von Berlin, Thomas Heilmann. Er hatte einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt. Diese sollte dem Bundestag die abschließende Beratung und Abstimmung über das Gesetz untersagen, wenn der Gesetzentwurf den Abgeordneten nicht mindestens 14 Tage vorher schriftlich vorläge.
„Natürlich war ich davon überzeugt, dass effektiv vier Tage Parlamentsbeteiligung nicht unseren Ansprüchen an die Demokratie genügen kann“, sagte Thomas Heilmann der dpa. „Ich freue mich, dass das Bundesverfassungsgericht mir nun gefolgt ist. Das wird sicher Folgen für den Parlamentarismus haben, die ich so spontan noch nicht ganz übersehen kann.“ Auf Twitter schrieb Heilmann: „Das ist ein großer Erfolg für unseren Parlamentarismus & in diesem konkreten Fall auch für den Klimaschutz!“
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— Thomas Heilmann MdB (@ThomasHeilmann) July 5, 2023
Das #BverfG hat gerade meinem Antrag auf einstweilige Anordnung gegen das zu schnelle #GEG-Verfahren statt gegeben! Das ist ein großer Erfolg für unseren Parlamentarismus & in diesem konkreten Fall auch für den Klimaschutz! Weitere Infos dazu morgen bei der #BPK
CDU-Politiker Thomas Heilmann: „Die Ampel ruiniert die Wärmewende“
Heilmann hatte argumentiert, seine Rechte als Abgeordneter seien durch das Gesetzgebungsverfahren erheblich verletzt worden. „Die Ampel ruiniert die Wärmewende mit einem Last-minute-Gesetzespaket und einem verfassungswidrigen Verfahren“, warf er der Koalition aus SPD, Grünen und FDP vor. Wegen der maximal verkürzten Beratungen zur Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Parlament könne man keine konzeptionellen Schwächen des Gesetzespakets aufzeigen und ändern.
Dazu erklärte das Gericht nun, Heilmanns Hauptsacheantrag im Organstreitverfahren erscheine mit Blick auf sein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung aus Artikel 38 des Grundgesetzes weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die Folgenabwägung führe zum Ergebnis, „dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen“. Das Interesse an der Vermeidung einer irreversiblen Verletzung der Beteiligungsrechte wiege schwerer als der Eingriff in die Verfahrensautonomie des Bundestages, der das Gesetzgebungsverfahren lediglich verzögere.
Friedrich Merz: Heftige Niederlage für Regierung von Olaf Scholz
CDU-Fraktionschef Friedrich Merz wertete die Entscheidung aus Karlsruhe am Mittwochabend als „schwere Niederlage für die Bundesregierung von Olaf Scholz“. „Dem unsäglichen Umgang der Bundesregierung mit dem Parlament und der Öffentlichkeit wurde nun ein Riegel vorgeschoben“, sagte der CDU-Vorsitzende der Deutschen Presse-Agentur. „Das zeigt: Klimaschutz gelingt nicht mit der Brechstange, sondern nur durch gute und gründliche Beratung im Deutschen Bundestag. Olaf Scholz und seine Bundesregierung wären gut beraten, das Urteil aus Karlsruhe zum Innehalten zu nutzen. So wie bisher kann es im Deutschen Bundestag nicht weitergehen.“
Das zeigt: Klimaschutz gelingt nicht mit der Brechstange, sondern nur durch gute und gründliche Beratung im Bundestag. Scholz und seine Bundesregierung wären gut beraten, das Urteil aus Karlsruhe zum Innehalten zu nutzen. So wie bisher kann es im Bundestag nicht weitergehen. (FM)
— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) July 5, 2023
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki sprach von einer „verdienten Quittung für die Grünen, die in dieses Verfahren einen unerklärlichen Druck hineingegeben haben“. Die Verfassungsrichter hätten deutlich gemacht, dass eine ordentliche Beratung notwendig sei, um die Akzeptanz der Bevölkerung für gravierende und weitreichende politische Maßnahmen zu erhalten, sagte der Bundestagsvizepräsident den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wir erwarten von unseren grünen Koalitionspartnern die nötige Demut gegenüber dieser Entscheidung.“
SPD: Nur die Abstimmung wurde gestoppt, nicht das Heizungsgesetz an sich
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sieht mit Blick auf das Heizungsgesetz nur das Bundestagsverfahren betroffen, nicht aber den Inhalt der Regelung selbst. „Die Entscheidung ist selbstverständlich zu respektieren. Den Inhalt des Gesetzes betrifft sie nicht“, sagte Miersch der Rheinischen Post. „Ausdrücklich weist das Gericht auf die Möglichkeit einer Sondersitzung hin, über die nun beraten werden muss.“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte die Koalition aus SPD, Grünen und FDP auf, das umstrittene Heizungsgesetz nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts zurückzuziehen. „Die wiederholte Missachtung des Parlaments durch die Ampel-Regierung hat jetzt durch das Bundesverfassungsgericht ein Stoppschild aufgestellt bekommen“, erklärte er am Mittwochabend in Berlin. „Die Ampel sollte jetzt in sich gehen und dieses Murksgesetz endlich einstampfen.“ Die Entscheidung sei „eine schwere Klatsche für die Arroganz-Ampel und ihren respektlosen Umgang mit den Parlamentsrechten und der Öffentlichkeit“, fügte Dobrindt hinzu.
Ampelkoalition: Wochenlanger Streit über Robert Habecks Heizungsgesetz
Wochenlang hatten die Ampel-Partner über das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) gestritten. Vor allem die FDP hatte Bedenken geäußert.
Zunächst hatte das Kabinett den Gesetzentwurf beschlossen. Aber noch vor der ersten Lesung im Bundestag vereinbarte die Ampel weitere Änderungen, die sie in teils vage formulierten „Leitplanken“ festhielt – ein sehr ungewöhnliches Verfahren, das dazu führte, dass eine erste Expertenanhörung zu dem zu diesem Zeitpunkt schon veralteten ursprünglichen Gesetzentwurf stattfand.



