Nach den US-Angriffen auf iranische Atomanlagen wächst die Sorge vor einer gefährlichen Eskalation im Persischen Golf. Die USA haben Teheran eindringlich davor gewarnt, die für den weltweiten Energiehandel zentrale Straße von Hormus zu blockieren. „Das iranische Regime wäre dumm, diese Entscheidung zu treffen“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, am Montag in Washington. Man beobachte die Lage genau.
Auch Deutschland und die EU reagierten alarmiert. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sprach von „enormer Besorgnis“. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas warnte, eine Blockade wäre „extrem gefährlich und für niemanden gut“.
Straße von Hormus: Strategisch verwundbar, operativ gefährlich
Die Straße von Hormus gilt als eine der bedeutendsten Schifffahrtsrouten der Welt. Laut der Internationalen Energie-Agentur (IEA) wurden 2023 fast 30 Prozent des weltweiten verschifften Öls durch die Meerenge transportiert. Der größte Teil ging nach China, Indien und in andere asiatische Länder. Auch etwa 20 Prozent des weltweiten Flüssiggashandels läuft durch die nur 90 Meilen breite Meerenge zwischen dem Iran und dem Oman.
Laut New York Times befürchten US-Militärs, dass Teheran die Passage als Vergeltung verminen oder vollständig sperren könnte – eine Aktion mit dramatischen Folgen für die Weltwirtschaft, insbesondere für Asien, aber auch für die Energiepreise weltweit.
USA und Italien warnen vor Blockade – China soll Einfluss auf Iran nehmen
Der italienische Außenminister Antonio Tajani warnte den Iran eindringlich davor, die wirtschaftlich Seestraße zu blockieren. Tajani habe seinem iranischen Amtskollegen Abbas Araghtschi seine Besorgnis übermittelt. Eine Sperrung könnte „enorme Schäden für die iranische Wirtschaft, aber auch für alle anderen Länder, einschließlich China, verursachen“, sagte er am Rande eines EU-Treffens in Brüssel, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtet.
US-Außenminister Marco Rubio rief China dazu auf, den Iran von einer angedrohten Schließung der für den Handel wichtigen Straße von Hormus abzuhalten. „Ich ermutige die chinesische Regierung in Peking, sie deswegen anzurufen“, sagte Rubio dem Sender Fox News. Auch Peking sei für Öllieferungen auf eine weiterhin geöffnete Seeroute angewiesen.
Ist Deutschlands Energierversorgung gesichert?
„Obwohl deutsche Ölimporte nicht direkt über die Straße von Hormus kommen, wäre eine Blockade über den Weltmarktmechanismus spürbar“, sagte Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Vor allem die chemische Industrie, der Transportsektor und die Verbraucher würde das treffen. Neue Verwundbarkeit gebe es auch beim Flüssiggas. Deutschland deckt seit dem Verzicht auf russisches Gas einen kleinen Teil seines Gasbedarfs mit Flüssiggas aus Katar.
Regierungssprecher Stefan Kornelius sagte, die Bundesregierung beobachte die Lage in der Straße von Hormus „sehr genau“. Es stehe aber fest, „dass die Versorgung mit Öl und Gas in Deutschland gesichert“ sei. „Insgesamt ist die deutsche und europäische Energieversorgung deutlich resilienter als sie noch vor einigen Jahren aufgestellt war“, sagte Kornelius. Die Bundesregierung gehe deshalb davon aus, dass Versorgung und Preisstabilität gewährleistet seien.
Wie teuer könnte Öl werden?
Ökonomen der Deutschen Bank warnen dennoch vor einem starken Anstieg der Ölpreise. „Das negative Risikoszenario ist eine Blockade der Straße von Hormus, die Hauptschlagader für den regionalen Rohölumschlag“, sagte der Chefvolkswirt für Deutschland, Robin Winker, in einer am Montag veröffentlichten Analyse. Rohöl der Sorte Brent könnte demnach binnen kurzer Zeit auf 120 US-Dollar pro Fass steigen. Bliebe die Straße bis Jahresende dicht, könnte der Preis aus Sicht der ING Bank auch 150 Dollar erreichen und damit sogar deutlich mehr als auf dem Höhepunkt der Energiekrise nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Momentan kostet ein Fass knapp 80 Dollar.
Wer kontrolliert die Straße von Hormus?
Im Gegensatz zum Suezkanal gibt es für die Straße von Hormus keine zentrale Kontrollinstanz. Die Tanker durchqueren dort die Hoheitsgewässer Irans und Omans. Zwar hat der Iran ein UN-Abkommen unterzeichnet, das Handelsschiffen die freie Passage zusichert – ratifiziert hat er es jedoch nie. Laut einem iranischen General prüft Teheran derzeit eine mögliche Blockade. Auch das Parlament hat sich dafür ausgesprochen. Die endgültige Entscheidung trifft der Oberste Nationale Sicherheitsrat – unter Vorsitz des obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei.
Militärexperten warnen laut New York Times, dass Iran trotz der schweren militärischen Rückschläge der letzten Wochen noch über erhebliche operative Schlagkraft verfügt. Die iranische Marine besitzt ein Arsenal an Seeminen, die im Ernstfall gezielt in der Straße von Hormus platziert werden könnten. Dies würde nicht nur den internationalen Handel stören, sondern auch US-Kriegsschiffe in der Region massiv gefährden. Die US-Navy trifft laut Insidern bereits Vorkehrungen, um ihre Einheiten zu verstreuen und die Verwundbarkeit zu verringern.
Eskalationsspirale mit offenem Ende
Analysten warnen indes vor einem sich zuspitzenden Konflikt. Die iranische Führung sei durch die Angriffe strategisch geschwächt, verfüge jedoch weiterhin über Mittel für massive Vergeltungsaktionen – von Drohnenangriffen auf US-Stützpunkte bis hin zu Sabotageakten gegen Ölterminals in der Region. Besonders die Quds-Brigaden, eine verdeckt operierende Eliteeinheit der Revolutionsgarden, gelten als potenzielle Gefahr für amerikanische Interessen.
„Viele von Irans Optionen sind das strategische Äquivalent eines Selbstmordanschlags“, sagte der Iran-Experte Karim Sadjadpour von der Carnegie-Stiftung der New York Times. Die Folgen für die Region – und die Welt – wären in jedem Fall gravierend.
Trump schließt Regimewechsel nicht aus – aber setzt auf Diplomatie
Trotz der Angriffe vom Wochenende, bei denen drei iranische Atomanlagen bombardiert wurden, betonte die Sprecherin von Donald Trump, der US-Präsident strebe weiterhin eine diplomatische Lösung an. Auf seiner Plattform Truth Social hatte Trump am Sonntag jedoch angedeutet, ein Regimewechsel in Teheran sei nicht ausgeschlossen.
Die Sprecherin präzisierte, ein Umsturz müsse idealerweise von innen kommen: „Wenn das iranische Regime sich weigert, zu einer friedlichen Lösung zu kommen – warum sollten die Menschen im Iran einem derart gewalttätigen und unterdrückerischen System nicht die Macht entziehen?“ (mit dpa)



