Proteste

Berlin: Mehr als 1000 Menschen demonstrieren für die Freilassung von İmamoğlu

Die Entlassung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu löst in Berlin weiter Demos und Proteste aus. Er selbst gibt sich kämpferisch.

Mit türkischen Fahnen und Plakaten stehen Demonstranten am Breitscheidplatz bei einer Kundgebung des CHP Bund in Berlin.
Mit türkischen Fahnen und Plakaten stehen Demonstranten am Breitscheidplatz bei einer Kundgebung des CHP Bund in Berlin.Paul Zinken/dpa

Aus Protest gegen die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu sind in Berlin am Sonntag Hunderte Menschen auf die Straße gegangen. Die Polizei sprach nach ersten Schätzungen von 1300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an einer Demonstration auf dem Breitscheidplatz.

Lautstark protestierten die Menschen gegen das Geschehen in der Türkei. Auf Plakaten stand unter anderem: „Gemeinsam für eine demokratische Türkei“ oder „We want our democracy back“ (Deutsch: „Wir wollen unsere Demokratie zurück“). Der Protestzug lief von der Gedächtniskirche in Richtung Adenauerplatz.

Zu der Kundgebung aufgerufen hatte erneut der CHP Bund in Berlin. Die CHP ist die größte türkische Oppositionspartei.

Protest bereits am Tag der Festnahme

Bereits kurz nach der Festnahme İmamoğlus am vergangenen Mittwoch hatten sich in Berlin schätzungsweise 200 Menschen vor dem Brandenburger Tor versammelt und protestiert.

Der CHP-Politiker gilt als aussichtsreicher Konkurrent des regierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan bei einer künftigen Wahl. Am Sonntag sollte der Politiker für die größte Oppositionspartei zum Präsidentschaftskandidaten gewählt werden. Wie das türkische Innenministerium mitteilte, wurde er aber vorher als Istanbuler Bürgermeister „vorübergehend“ abgesetzt.

Gegen İmamoğlu wird wegen Terror- und Korruptionsvorwürfen ermittelt. Die Untersuchungshaft steht in Zusammenhang mit den Korruptionsermittlungen. Er weist die Vorwürfe zurück.

Vorwurf İmamoğlu von Erdogan: Terrorismus

Die Untersuchungshaft gegen İmamoğlu hatte das Istanbuler Caglayan-Gericht am Sonntagmorgen wegen mutmaßlicher Korruption verhängt. Die von der Staatsanwaltschaft angestrebte Anordnung von U-Haft auch wegen „Terrorismus“-Vorwürfen lehnten die Richter hingegen ab. Neben İmamoğlu wurde gegen weitere Mitbeschuldigte Untersuchungshaft verhängt, darunter einer seiner engsten Berater.

Nach Angaben der CHP wurde der 53-Jährige am Sonntagnachmittag in die Haftanstalt Silivri bei Istanbul verbracht. In der Haftanstalt sind oder waren mehrere prominente Oppositionelle und Journalisten inhaftiert, unter ihnen auch zwischen 2017 und 2018 der deutsche Journalist Deniz Yücel. Einer von İmamoğlus Anwälten sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass per Haftbeschwerde juristisch gegen die Untersuchungshaft vorgegangen werden solle.

Imamoğlu jetzt offiziell Präsidentschaftskandidat

Von Katerina Alexandridi, Josephin Hartwig

23.03.2025

İmamoğlus Partei CHP sprach nach dem Absetzen des Bürgermeisters von einem „politischen Staatsstreich“ und rief dazu auf, „weiterzukämpfen“. Der Oppositionspolitiker selbst gab sich am Sonntag weiter kämpferisch. „Ich stehe aufrecht, ich werde mich niemals beugen, alles wird gut“, erklärte er über seine Anwälte im Onlinedienst X.

Den Slogan „Alles wird gut“ hatte İmamoğlu bereits im Jahr 2019 verwendet, nachdem seine Wahl zum Istanbuler Bürgermeister zunächst annulliert worden war. Bei der Wiederholung der Bürgermeister-Wahl siegte er dann deutlich, 2024 wurde er in das Amt wiedergewählt.

Kritik am Vorgehen mit İmamoğlu kommt auch aus Deutschland

Zunächst war der am Mittwoch festgenommene İmamoğlu zu mehrstündigen Verhören durch die Staatsanwaltschaft in den Istanbuler Caglayan-Justizpalast gebracht worden. CHP-Chef Özgur Özel zufolge konnten er und İmamoğlus Frau den Festgenommenen nach dem Ende seiner Verhöre fünf Minuten lang sehen. Özel zufolge war er „guten Mutes“ und äußerte sich „glücklich“ darüber, dass das Verfahren gegen ihn in der Türkei zu einem „großen Erwachen“ geführt habe.

Aus Deutschland wurde erneut scharfe Kritik am Vorgehen der türkischen Justiz gegen Imamoglu laut. Das Auswärtige Amt sprach von einem „schweren Rückschlag für die Demokratie in der Türkei“ und erklärte, politischer Wettbewerb dürfe „nicht mit Gerichten und Gefängnissen geführt werden“. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt, sagte der Zeitung Welt, der türkische Präsident Erdogan sei mit der Inhaftierung Imamoglus einen „weiteren Schritt in Richtung Autokratie“ gegangen.

Schon am Samstagabend gingen in Istanbul und anderen türkischen Städten erneut zahlreiche Menschen gegen das juristische Vorgehen zulasten İmamoğlus auf die Straße. In Istanbul setzte die Polizei bei Zusammenstößen am Rande der Proteste Gummigeschosse, Pfefferspray und Blendgranaten ein, wie AFP-Reporter berichteten. Viele Menschen wurden festgenommen, offizielle Angaben zu den Festnahmen lagen zunächst nicht vor.

Ekrem İmamoğlu, Oberbürgermeister von Istanbul, steht bei einem Empfang im Rathaus vor einer türkischen Fahne.
Ekrem İmamoğlu, Oberbürgermeister von Istanbul, steht bei einem Empfang im Rathaus vor einer türkischen Fahne.Oliver Berg/dpa

In der Metropole am Bosporus versammelten sich allein vor dem Rathaus zehntausende Menschen. CHP-Chef Özel sprach bei der Kundgebung vor dem Istanbuler Rathaus von „mehr als einer halben Million“ Teilnehmern. Auch am Sonntag kam es wieder zu Demonstrationen für İmamoğlu. Die von seiner Festnahme ausgelösten Demonstrationen sind die größten seit den sogenannten Gezi-Protesten des Jahres 2013.