Verkehr

Neue Bahnverbindung Berlin–Usedom: Diese Strecke ist der Favorit

Bei Fertigstellung der Strecke würde sich die Fahrzeit zu der Ostseeinsel verkürzen. Das Projekt soll nun 700 Millionen Euro kosten. Doch es gibt Bedenken.

Ahlbeck: Spaziergänger sind am Strand der Insel Usedom unterwegs. In Zukunft soll der Urlaubsort mit dem Zug schneller von Berlin aus erreichbar sein.
Ahlbeck: Spaziergänger sind am Strand der Insel Usedom unterwegs. In Zukunft soll der Urlaubsort mit dem Zug schneller von Berlin aus erreichbar sein.dpa/Stefan Sauer

Mecklenburg-Vorpommern will den Wiederaufbau der früheren direkten Bahnverbindung zwischen Berlin und der Ostseeinsel Usedom vorantreiben. Wie Infrastrukturminister Reinhard Meyer am Dienstag in Schwerin mitteilte, hat die  Deutsche Bahn (DB) drei Varianten bis Heringsdorf geprüft. Das Land favorisiere den Plan, der eine Verbindungskurve nördlich von Anklam, eine Querung des Peenestroms bei Karnin und eine Trasse über Zirchow und Korswandt nach Heringsdorf vorsieht. Für die 29 Kilometer lange Strecke würden Kosten von insgesamt bis zu 700 Millionen Euro veranschlagt. Zuletzt war von 150 Millionen bis 200 Millionen Euro die Rede. Doch es gibt Bedenken, ob die Südanbindung Usedoms wirklich nötig ist - und Gegenvorschläge. 

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs führte die schnellste Verbindung von Berlin auf die sonnenreiche Ostseeinsel über eine Hubbrücke, die bei Karnin den Peenstrom überspannte. Über Anklam und Ducherow ging die Reise zur Stadt Usedom und weiter nach Swinemünde. Von dort wurden Ahlbeck, Heringsdorf und die anderen Seebäder auf Usedom erreicht. Ende der 1930er-Jahre konnte man in knapp drei Stunden vom Stettiner Bahnhof an der Invalidenstraße in Berlin nach Heringsdorf fahren.

Doch 1945 sprengten Angehörige der deutschen Wehrmacht Teile der Karniner Hubbrücke. Die Hafenstadt Swinemünde wurde polnisch und heißt seitdem Świnoujście. Wer mit dem Zug nach Usedom reisen will, muss auf dem Festland weiter bis Züssow fahren und dort in die Usedomer Bäderbahn (UBB) umsteigen. Auf diesem Weg dauert eine Fahrt vom Berliner Hauptbahnhof nach Heringsdorf laut Plan knapp vier Stunden. Direkte Zugverbindungen von Berlin nach Usedom bietet die Bahn nicht mehr an.

Die Variante 1 würde bei Anklam eine 1,8 Kilometer lange Verbindungskurve vorsehen. Der Peenestrom würde auf einer Brücke gequert, die das Baudenkmal Karniner Brücke ersetzt oder umfährt. Bis Zirchow soll die Trasse der alten, 1945 stillgelegten Verbindung folgen. Danach wäre eine rund fünf Kilometer lange echte Neubaustrecke erforderlich, die Zirchow östlich umfährt. Auch der Hasenberg nördlich des Ortes würde umfahren. Jenseits von Korswandt würde die Strecke ins Bestandsgleis der UBB einmünden.

Wer ist schuld daran, dass Swinemünde umfahren werden soll?

An deren Anlagen wären umfangreiche Änderungen nötig, bis hin zur Umgestaltung der Gleise im Bahnhof Heringsdorf, hieß es. Für die „beste Realisierungsoption“, so das Ministerium, werden die Baukosten mit 560 Millionen bis 580 Millionen Euro, die Planungskosten mit 110 Millionen bis 120 Millionen Euro beziffert. 

Ursprünglich war vorgesehen, die Strecke über Świnoujście zu führen, wo sie an das bestehende Gleis nach Ahlbeck anschließen würde. Nahe des Zentrums der polnischen Stadt, die mehr als 40.000 Einwohner zählt und ein wichtiger Wirtschafts- und Tourismusstandort ist, sollte ein Bahnhof entstehen. Doch die nun geplante neue Verbindung soll sich auf Deutschland beschränken. Allerdings würde sie bei Korswandt einen sensiblen Bereich mit Wäldern, Seen und Naturschutzgebieten passieren. Reisende ins westliche Stadtgebiet von Świnoujście müssten in Heringsdorf umsteigen. 

Die Stadt werde deshalb ausgespart, weil das polnische Infrastrukturministerium einen Wiederaufbau der Strecke in Polen als nicht durchführbar erklärt habe, so das Ministerium in Schwerin. Jürgen Murach von der Arbeitsgemeinschaft Polen der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf widersprach am Mittwoch dieser Darstellung. „Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern hatte Untersuchungen zur Führung an Polen vorbei in Auftrag gegeben, ohne die Regierung und den zuständigen Woiwoden einzubeziehen. Polen wurde nicht gefragt, obwohl es durchaus Interesse gibt. So geht man nicht mit einem Nachbar um, mit dem man eine gemeinsame Insel hat. Hierzu wird es in Kürze eine Presseerklärung der polnischen Botschaft geben“, teilte Murach mit.

Besteht das Vorhaben die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung?

„Die Südanbindung nach Usedom ist für uns ein wichtiges Thema. Es geht vor allem darum, über ein attraktives Angebot auf der Schiene den Straßenverkehr auf der Insel zu entlasten. Hierzu gibt es nun erste grundlegende Untersuchungen, wie eine Reaktivierung der Strecke geschehen kann. Darüber haben wir uns heute im Kabinett verständigt. Jetzt können die nächsten Schritte gemacht werden“, sagte Minister Meyer. In den kommenden anderthalb Jahren soll nun die Wirtschaftlichkeit untersucht und eine vertiefende qualifizierte Vorplanung für die Variante 1 erarbeitet werden.

Zwar ergab ein früheres Gutachten von DB International, dass sich der Nutzen der Südanbindung auf das 2,6-Fache der Kosten summieren würde. Doch der Bund hält diese Usedom-Anbindung bislang für unwirtschaftlich. Weil sie nur regional bedeutend sei, kam sie bislang nicht in den Bundesverkehrswegeplan. Anderswo gebe es dringendere Bahnprojekte, sagen Experten.

Kritiker fordern: lieber die Usedomer Bäderbahn ausbauen!

Auch andere Kritiker lehnen eine Reaktivierung der alten Strecke ab und fordern stattdessen, die Strecke der Usedomer Bäderbahn zu ertüchtigen. Der Bau einer Gleiskurve würde es den Zügen aus Berlin ersparen, im Bahnhof Züssow die Richtung wechseln zu müssen. Auf dem Abschnitt zwischen Anklam und Wolgast ließe sich die Fahrzeit deutlich verkürzen, hieß es. Der zweigleisige Ausbau der Usedomer Bäderbahn wiederum würde es erlauben, durchgehende Züge von Berlin nach Ahlbeck zu fahren, die auf der Insel Halte auslassen. Erste Teilstrecken seien schon ausgebaut.

Hingewiesen wird auch darauf, dass die Anreise über Polen künftig attraktiver sein wird. Die direkte Bahnverbindung von Berlin nach Szczecin (Stettin) wird bis Ende 2025 ausgebaut. Auch darüber hinaus werde die Strecke ertüchtigt. Ab 2026 könnte es direkte Züge von Berlin via Międzyzdroje  (Misdroy) nach Świnoujście geben - zum heutigen Bahnhof auf der Ostseite der Swine.

Aktionsbündnis Karniner Brücke: „Die Zeit ist reif“

Gefragt wird auch, ob das Projekt mit mittlerweile 700 Millionen Euro nicht zu teuer sei. Weil es durch den Wegfall der Schleife über Świnoujście kein internationales Vorhaben mehr sei, stünden Fördermittel der Europäischen Union nicht zur Verfügung. Letztlich handele es sich um Saisonverkehr, der nur in wenigen Monaten des Jahres zu einer befriedigenden Auslastung führt, hieß es weiter. Damit sei fraglich, ob das Projekt die angekündigte Nutzen-Kosten-Untersuchung besteht. Kritik gibt es auch, weil sich an der früheren Bahntrasse inzwischen Wohn- und Wochenendgrundstücke befinden.  2014 gründete sich die Bürgerinitiative „Karnin 21“, die sich gegen die Südanbindung wendet.

Dagegen setzt sich das Aktionsbündnis Karniner Brücke seit 2010 dafür ein, die frühere Bahnverbindung auf die Insel wiederherzustellen. „Wir fordern eine Gesamtbetrachtung der Kosten und des Nutzens, die auch die Kosten berücksichtigt, die zur Lösung des bekannten Verkehrsproblems auf der Insel Usedom durch erweiterten Straßenbau entstehen, und zwar auf der B110 zwischen dem Grenzübergang Garz und dem A20-Autobahnanschluss Gützkow“, so das Bündnis. Die Verkehrsproleme auf der Insel würden sich zuspitzen, wenn in diesem Jahr der Swinetunnel für den Verkehr freigegeben wird. „Die Zeit ist reif, dass in die Berechnungen die Ökologie, der Naturschutz und der Klimaschutz stark berücksichtigt werden“, hieß es.


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