Polizei

Rassistische Beleidigung im Ferienlager: Berliner Schüler sollen diese Woche befragt werden

Nach rassistischen Anfeindungen in Südbrandenburg steckt die Polizei in den Ermittlungen. Schüler sollen noch diese Woche befragt werden.

Das Gelände eines Ferienlagers in Heidesee. Nach der rassistischen Beleidigungen gegen Berliner Schülerinnen und Schüler während eines Aufenthalts dort hat sich die Einrichtung bestürzt über den Vorfall gezeigt.
Das Gelände eines Ferienlagers in Heidesee. Nach der rassistischen Beleidigungen gegen Berliner Schülerinnen und Schüler während eines Aufenthalts dort hat sich die Einrichtung bestürzt über den Vorfall gezeigt.Michael Bahlo/dpa

Nach rassistischen Anfeindungen gegen eine Berliner Schulklasse in Heidesee stehen Ermittlungen und Aufarbeitung im Fokus. Die Polizei befragt noch in dieser Woche Schülerinnen und Schüler zu dem rassistischen Vorfall in einer Freizeiteinrichtung am Frauensee. Brandenburger Polizisten würden dazu in die Hauptstadt fahren, sagte die Sprecherin der Polizeidirektion Süd, Ines Filohn am Dienstag. „Wir brauchen etwas Aussagekräftiges, was auch vor Gericht verwendbar ist.“

Zunächst bräuchten die Schüler der zehnten Klasse aber Ruhe, um ihre Matheprüfung bewältigen zu können. Zudem sei der Vorfall sehr „ermittlungsintensiv“, erklärte Filohn. Von 28 Personen wurden bereits die Identitäten festgestellt, laut Polizei sollen vier bis fünf Jugendliche „aktiv“ geworden sein. Der Staatsschutz ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Bedrohung. 

Die Berliner Schülerinnen und Schüler, die größtenteils einen Migrationshintergrund haben, waren in einer Ferienanlage in Heidesee (Dahme-Spreewald) untergebracht, als sie in der Nacht zum Sonntag von anderen Gästen rassistisch beleidigt wurden. Aus einer Gruppe heraus, die in derselben Ferienanlage am Frauensee Geburtstag feierte, sei die Schulklasse „fremdenfeindlich“ beschimpft und bedroht worden, so die Polizei. Einige der Betroffenen seien erkennbar muslimischen Glaubens und hätten Kopftücher getragen. Eine körperliche Auseinandersetzung konnte die Polizei verhindern.

Rassismus: SPD-Politiker Hopp sieht „gesamtgesellschaftliche Entwicklung“

Der Berliner SPD-Abgeordnete Marcel Hopp warnte davor, nach den rassistischen Drohungen zur Tagesordnung überzugehen. Er sieht den Vorgang in einem größeren Zusammenhang. „Ich würde nicht von einem Einzelfall sprechen. Das findet ja nicht im luftleeren Raum statt“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur auch mit Hinweis auf den sogenannten Brandbrief von Lehrkräften an einer Schule in Burg zum Thema Rechtsextremismus. „Wir haben eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung in Brandenburg und in Gesamt-Ostdeutschland, ein Erstarken der AfD“, sagte er. „Das ist schon besorgniserregend.“

„In dem Fall musste die Klasse vorzeitig unter Polizeischutz abreisen. Da ist ja eine Menge pädagogischer Schaden entstanden“, so der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. „Es ist einfach wichtig, dass Klassenfahrten in einem geschützten Raum möglich sind.“

Hopp sieht den Vorgang in einem größeren Zusammenhang. „Ich würde nicht von einem Einzelfall sprechen. Das findet ja nicht im luftleeren Raum statt“, sagte er auch mit Hinweis auf den sogenannten Brandbrief von Lehrkräften an einer Schule in Burg zum Thema Rechtsextremismus. 

SPD-Abgeordneter: „Wir gucken, wo man hinfahren kann und wo nicht“

Der SPD-Abgeordnete hatte sich am Montag bereits öffentlich geäußert: „Ein inakzeptabler rassistischer Übergriff auf eine Berliner Klasse in Brandenburg!“, twitterte er. „Wenn Schülerinnen und Schüler mit Migrationsgeschichte sich nicht sicher fühlen können, stellt das die jeweiligen Regionen als Reiseziele zunehmend infrage.“

„Ich habe nach meinem Tweet viele Nachrichten bekommen von Lehrkräften, die mir Ähnliches berichtet haben, bei ihren Klassenfahrten der letzten Jahre“, sagte Hopp, der vor seiner Zeit als Abgeordneter selbst als Lehrer in Berlin gearbeitet hat. Den Betreibern des Ferienlagers wolle er keinen Vorwurf machen. „Die haben sich ja an öffentlicher Stelle ganz klar gegen solche rassistischen Übergriffe positioniert.“

Das muss aus Hopps Sicht auch so sein: „Ich glaube, dass viel zu oft solche Vorfälle wenig Konsequenzen haben und gar keine Positionierung stattfindet“, sagte er. „Es ist wichtig, dass dann auf allen Ebenen gezeigt wird, dass man sich gegen solche rassistischen Äußerungen und Vorfälle wehrt.“

Dann sei so eine Region auch weiterhin als Klassenfahrtziel in Betracht zu ziehen. „Aber ich finde, es ist aus Berliner Sicht schon so, dass wir gucken, wo kann man hinfahren und wo nicht.“

Unterdessen warnte der AfD-Bundestagsabgeordnete und Landratskandidat von Dahme-Spreewald, Steffen Kotré, davor, die Jugendgruppe aus der Einrichtung in Heidesee zu diffamieren. Er habe mit ihnen gesprochen. „Man darf nicht jede Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen zu einem fremdenfeindlichen Zwischenfall aufbauschen“, so Kotré.

Demonstration nach rechtsextremen Vorfällen an Schule in Burg

Die Lehrkräfte, die in einem anonymen Brief rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule in Burg öffentlich gemacht haben, wollen an diesem Dienstag gemeinsam mit anderen Lehrern, Schülern und Eltern gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus demonstrieren. Die Verfasser des Briefes beklagen, dass sie täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien. Die Kundgebung vor dem Cottbuser Schulamt findet unter dem Motto „Vielfalt statt Einfalt – Schule ohne Diskriminierung“ statt. Initiiert hat den Protest das Bündnis „Schule für mehr Demokratie“.

Trotzdem die Verfasser des anonymen Briefs den offiziellen Dienstweg über die Schulbehörden nicht eingehalten haben, drohen ihnen keine dienst- oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Das stellte das Bildungsministerium am Dienstag klar und wies gleichzeitig anders lautende Medienberichte entschieden zurück. „Wer vor Fällen mit Extremismus an Schulen nicht die Augen verschließt, handelt im Sinne von Demokratie und Toleranz“, hieß es.

Lehrkräfte hatten mit ihrem anonymen Brief zunächst die Medien informiert. Inzwischen hat die Prüfung und Aufarbeitung der Vorfälle durch die Behörden begonnen.

Beratungsstellen: Mehr Angriffe auf Kinder und Jugendliche

Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt zeigen sich alarmiert über die nach ihren Erkenntnissen zunehmende Aggression gegen Kinder und Jugendliche. Rassistisch motivierte Angriffe gegen Kinder und Jugendliche hätten sich innerhalb von einem Jahr fast verdoppelt und beeinflussten den Alltag der betroffenen Familien massiv, sagte Sultana Sediqi vom Thüringer Verein „Jugendliche ohne Grenzen“ am Dienstag in Berlin. Bei der Vorstellung der Jahresbilanz des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) verwies sie auch auf den Vorfall im brandenburgischen Heidesee.

Laut Bilanz ereigneten sich insgesamt im Jahr 2022 täglich bis zu fünf rechte Angriffe allein in den zehn Bundesländern, in denen Anlaufstellen für Betroffene diese systematisch erfassen. 2861 Menschen seien in Ostdeutschland, Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein direkt von politisch rechts motivierten Angriffen betroffen gewesen. Darunter waren 520 Minderjährige nach 288 betroffenen Kindern und Jugendlichen in 2021.